Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Religionen, das verstärkte Streben nach Einheit der christlichen Kirchen, die veränderte Sicht des Kommunismus, die Volkssprache im Gottesdienst, die Anericennung den Völkern gemäßer Formen in der Meßfeier. Es kormte nicht ausbleiben, daß im Vatikan Angst und Sorge entstand. Ge fahrlich wurde die Uberreaktion, der Versuch, mit Härte zu regieren, statt mit Liebe und Verständnis Einigung auf dem Boden der unserer Zeit gemäßen Wahrheit der Kirche zu suchen. Derm jede Lehre hat ihren unaufgebbaren Kern und ihre wandelbaren Randbereiche. Bestehen auf dem Überkoimnenen in der Lehre, aber Verachtung des Überkommenen im gemeinschafUichen Leben der Kirche zer stört die Gesprächsbereitschaft, erzeugt Unverständnis und Fehlhandlungen der Kirchenleitung. Ein Beispiel einer beson ders gefahrlichen Fehlentwicklung ist der Versuch, die Lehre von der Infallibilitas über ihre Grenzen hinaus und mit ungesi cherten Prämissen einzufordern So ist das Zweite Vatikanische Konzil wohl das Großereignis im Leben der Katholischen Kirche über unser Jahriiundert hinaus, ein Grund zur Freude, weil es ihre Lebenskraftzeigt und sie in der Welt wieder beheimatet,kein Gnmd zur Angst Es wird erzählt, Napoleon habe zu Kardinal Consalvi gesagt: ,Jch werde Ihre Kirche zerstören"; dCT Kardinal liabe geantwortet: „Sire, das ist nicht eiiunal uns Geistlichen gelungen". Es ist nicht wichtig, ob dieses Gespräch stattfand. Es ist ganz wichtig, sich an ihm zu freuen und seinen Sinnzu glauben. Dr. Kurt Adel, pensionierter Mittelschul lehrer (BG V, Rainergasse), \mrjahrelang Leiter der literarhistorischen Arbeitsgemein schaftder WienerKatholischen Akademie. Die Katholische Arbeitnehmerbewegung(KAB) und das Zweite Vatikanische Konzil Von GünterPichl „Wenn einmal alle Christen die abso lute Notwendigkeit einer Arbeiterbewe gung begriffen haben, werden sie sehen, daß man diese Bewegung begründen muß; es genügt nicht, darum zu beten, daß sie komme;man muß sie gründen ..." „Wir müssen den Arbeitnehmern den Stolz einer Bewegung geben, die Einßuß hat, die eine Schule, ein Dienstfür und an den Arbeitnehmern ist. Eine Bewegung, die eine vertretende Körperschaftfür die Arbeiterschaft darstellt; in der Kirche, im Staat, bei den Arbeitgebern. Eine Bewegung, die den Arbeitnehmern das Bewußtsein der Verantwortlichkeit ein flößt. die sie als bedeutender Teil einer Gesellschaft haben in der sie leben." (Kardinal Joseph Cardijn 1961 im Rahmen eines Arbeitnehmertreffens in Wien - ein Jahr vor dem Zweiten Vatikanum) Für die KAB und KAJ in der Erzdiöze se Wien, als Teil der österreichischen Cardijn-Bewegung,war es von besonderer Bedeutung, welches Ergebnis das Zweite Vatikanum zur Frage des Laienapostolates erbringen werde. Obwohl in Österreich das Laienapostolat dem Konzil durch seine der Zeit ange paßten Strukturen weit vorausgeeilt war (z. B. durch die Gliederungen der Katho lischen Aktion - auch beruflicher Art - mit Sitz und Stimme in den Pfarr- und Diözesanausschüssen), gab es dennoch eine nicht unbedeutende Anzahl von vor allem älteren Priestern, die dem ,d.^ien", und hier insbesondere dem einfachen Arbeitnehmer, in der pfarrlichen Arbeit distanziert gegenüberstanden. Solche Priester definierten den ,J^ien", noch immer nach dem in der Kirche jahrhun dertealten Gebrauch, als „Nicht-Fach mann", der sich im Rahmen seiner kirch lichen Aktivitäten auf das ,Tlören, Glau ben und Gehorchen" zu beschränken hatte, Gott sei Dank setzten sich im Rahmen der Konzilsberatimgen mit überwältigen der Melu-heitjene Konzilsväter durch, die dem Laien in der Kirche jene Stellung einräumten, der seinem Anteil an der Sendimg der Kirche in der Welt ent spricht; - Er hat das Recht,ja imter bestimmten Umständen die Pflicht, seine Meimmg gegenüber der kirchlichen Hierarchie zu vertreten. - Zwischen Hirten (Bischöfen und Priestern) und Gläubigen (Laien) bestehe eine „wahre Gleichheil". - Dem Glaubenssinn der Gläubigen komme eine aktive Rolle in der Bewahnmg imd Entfaltimg des Glaubensgutes zu,usw. Für die Aufgaben und Ziele der KAB für die Zeit nach dem Zweiten Vatikanum - und hier auch schon im Rahmen der Beratungen der Diözesansynode 1969 - waren diese Aussagen imd vor allem jene, die in dem Konzil^okument,JDekret über das Apostolat der Laien", 3, Kapitel, Abs. 13 und 14 veröffentlicht wurden, von besonderer Bedeutimg. Hier heißt es unter anderem: ,J)as Apostolat im sozialen Milieu, nämlich das Bemühen, Mentalität und Sitte, Gesetz und Stniktnren der Gemein schaft,in derjemand lebt,im Geiste Chri sti zu gestalten, ist so sehr Aufgabe und Pflicht der Laien, daß sie durch andere niemals entsprechend erfiillt werden kann. In diesem Bereich können die Laien ein Apostolat imter ihresgleichen ausüben. Hier ergänzen sie das Zeugnis des Lebens durch das Zeugnis des Wortes. Hier im Bereich der Arbeit, des Berufes, des Stu diums, der Wohnstätte, der Freizeit, des kameradschaftlichen Zusammenseins, sind sie eher imstande, ihren Brüdern zu helfen. ... So durchdringt ihre Art zu han deln allmählich das ganze Lebens- und Arbeitsmilieu. Dieses Apostolat muß alle umfassen, die in jenem Milieu leben. ... Aber die wahren Apostel begnügen sich nicht mit solchem Tun; sie sind darüber hinaus bestrebt, Christus auch durch ilir Wort ihren Nächsten zu verkünden. Viele Menschen kormnen ja nur durch ihnen nahestehende Laien dazu,das Evangelium zu hören und Christus zu erkennen, ... In Liebe gegenüber ihrer Nation und in treuer Erftillung ihrer bürgerlichen Auf gaben sollen die Katlioliken sich ver pflichtet wissen, das walire Gemeinwohl zu fördern und das Gewicht ihrer Mei nung stark zu machen, damit die staat liche Gewalt gerecht ausgeübt wird und die Gesetze der sittlichen Ordnung und dem Gemeinwohl entsprechen. Katlioli ken, die in öffentlichen Fragen sachver ständig imd in Glauben und christlicher Lehre entsprechend gefestigt sind, mögen sich der Übernahme öffentlicher Aufga ben nicht versagen. Durch deren gute Erfüllung dienen sie dem Gemeinwohl und können zugleich dem Evangelium einen Weg bahnen". Im Zusammenhang mit diesen Aussa gen über das Apostolat der Laien gab es, wie schon erwähnt, auch entsprechende Wortmeldungen im Rahmen der Wiener Diözesansynode. Vor allem die Diskus sion über das sogenannte ,diohe C" sei hier erwähnt. Es handelte sich dabei um die Auseinandersetzung über die Frage, ob sich Benifs- oder Standesvertretungen als „Christlich" bezeichnen dürfen (Fraktion Christlicher Gewerkschafter im ÖGB, Verband Christlicher Hausgehilfin nen, Verband Christlicher Lehrer u. ä. m.). Ein Antrag der Wiener KAB-Delegierten, der die Beibehaltung des ,3iohen C" für die betroffenen Verbände und Organisationen forderte, wurde damals - nach zum Teil heftigen Konfrontationen - von der Mehrheit der Synodalen ange nommen. Wenn heute viele Mitglieder und Verantwortliche der KAB, sei es als Abgeordnete zum Nationalrat und zu den Landtagen, als Arbeiterkammerräte und Gewerkschaftsfunktionäre, als führende Mitglieder der Katholischen Aktion auf Bundes-, diözesaner und pfanlicher Ebene aktiv wirken, so ist dies auch auf die Ergebnisse über das Laienapostolat des Zweiten Vatikanumszurückzuführen. Die Aussagen des Zweiten Vatikani schen Konzils wurden nicht nur zu Postulaten der KAB für die Arbeit nach dem Konzil, sondern sind es auch für die Ar beit der Gegenwart und der Zukunft zum Wohle unserer Kirche und der Gesell schaft-mit der und in der wir leben. Günter Pichl ist Landesobmann der Fraktion Christlicher Gewerkschafter (FCCT), Kammetrat der Arbeiterkammer Wien und war von 1959 bis 1975 Vorsit zender der KAB derErzdiözese Wien. 14

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