Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Das Zweite Vatikanische Konzil und die Laien Von Markus Bittncr Bei diesem Konzil hat man sich erst mals in der Geschichte der Konzilien mit der Stellung der Laien in der Kirche be schäftigt. Das Dekret über das Laienapostolat „ApostoUcam actuositatem" wurde zweimal gekürzt und danach wie der erweitert. Übrigens gibt es auch in den Konstitutionen „Lumen Gentium" und „Gaudium et Spes" Aussagen über den I^ien in der Kirche. Das Apostolat der Laien wird in folgenden beiden Ele menten gesehen: Bemühung um ,£vangelisation" und Heiligung der Men schen und Durchdringung imd Vollkom menheit der zeitlichen Ordnung mit dem Geist des Evangeliums. Weiter heißt es: ,d^ien hätten Pflicht und Recht zum Apo stolat durch ihre Vereinigung mit Chri stus". Und dies nicht erst auf einen Auf trag der Hierarchie. Laien haben besonde re Gaben des Geistes empfangen und haben sowohl das Recht als auch die Pflicht, diese Charismen in Kirche und Welt zu gebrauchen. Hirten dürfen diesen Geist keinesfalls auslöschen. Laienapostolat und Dienst der Hirten ergänzen sich gegenseitig. Von dem als streitlustig bekannten Kardinal Rufllni wird berichtet, daß er 20 Minuten zu diesem Dekret sprach. Der Kardinal warnte seine Mitbrüder, die Fachkrilik der Laien nicht allzu bereit willig anzunehmen, denn „es ist nicht leicht, der Aktion der Laien zu widerste hen". Erstmalig waren an diesem Tag auch Laienziihörer zugelassen. Sie fülilten sich durch die Worte des Kardinals wie Angeklagte. Doch Tage später verteidigte der Kardinal vor Journalisten leiden schaftlich dieses Dekret: „Was können Ofliziere ohne Marmschaft in der Politik, in der Wirtschaft, der Kultur und Kunst, in Presse, Radio und Femsehen?". In der feierlichen Schlußabstimmung am 18. November 1965 wurde mit überzeugender Mehrheit dieses Dekret angenommen: 2340 Ja-Stimmen gegen 2 Nein-Stimmen. Die Stellung der Laien ist auch nach dem Zweiten Vatikanum in der Praxis gegenüber dem Klerus nicht einheitlich. Zwar immer weniger, aber noch gibt es Priester die glauben, allein fiir alles zu ständig und auch fachlich kompetent zu sein. Sie verstehen das Wort Laie wie im alltäglichen Sprachgebrauch: Jemand, der von einer Sache nichts versteht. Ich habe das Glück gehabt, als junger Mensch in der vorkonziliaren Kirche eine Partner schaft zwischen Priestem und Laien zu erleben, wie sie seit dem Konzil - Gott sei Dank - immer selbstverständlicher wird.Zum Abbau einer solchen Zweiklassengesellschaft Priester - Laien hat das Zweite Vatikanische Konzil viel beigetra gen. Ich hatte die Auszeichiumg. neben vier anderen Wiener Katholiken über Einla dung von Kardinal König einige Tage das Konzil „live" zu erleben. Wenn man auch durch das Femsehen den „Schauplatz" Peterskirche mit den lausenden Bischöfen kannte, war es doch überwältigend,an Ort und Stelle zu sein. Die Beiträge der Konzilsväter in der lateinischen Konzils sprache waren zuerst fast unverständlich, auch wenn man in der Schule Latein gelemt hatte. Denn Latein wurde von vielen Konzilsvätem mit einem starken Akzent ihrer Muttersprache ausgesprochen. Aber nach einiger Zeit versteht man etwas von diesem Latein, da der Wortschatz bei einem bestimmten Thema weitgehend gleich ist. Obwohl ich die Peterskirche ziemlich gut kenne, war ich erstaunt, daß man genug Nischen zu einer Bar einrichten konnte. Dort gab es Getränke wie in jeder Bar: Kaffee, Grappa, Cognac und anderes mehr. Diese Plätze waren sehr übcrfilllt, während die Sitzreihen im Plernmi (Hauptschiff der Peterskirche) nicht über trieben dicht besetzt waren. Bei einem dieser Barbesuche hatte ich Gelegenheit einen prominenten Konzilsvater sprechen zu können;Kardinal Suenens aus Brüssel. Zu den beglückendsten Ergebnissen des Zweiten Vatikanischen Konzils gehört zweifellos ,X)ie Konstitution über die heilige Liturgie" [Sacrosanctum Concilium). Es war ein jaluzehntelanger Wunsch von Priestem und Laien aus der ganzen Welt, den Gottesdienst in der Muttersprache feiern zu dürfen. Öster reich hatte dabei durch die Volksliturgi sche Bewegung des Klostemeuburger Chorherren Pius Parsch eine Vorreiter rolle. Seit 1922 feierte Pius Parsch jeden Sonntag in der kleinen ehemaligen Stifts hospitalkirche St. Gertrud - im 12. Jalirhundert erbaut - eine Betsingmesse. Ein Lektor sprach die wichtigsten Teile der Messe in deutscher Sprache, während der Priester den gleichen Text still lateinisch betete, wie es streng vorgeschrieben war. Diese „Betsingmesse" feierte allmäiilich einen Siegeszug im gesamten deutschen Sprachraum. Ein erster Höhepunkt war der Katholikentag 1933 wo der vom päpstlichen Legaten, dem Patriarchen von Venedig, Kardinal Fontaine, zelebrier te Festgottesdienst in Schönbrumi eine Betsingmesse war. Der Weg zu einer großen Liturgiere form war aber noch weit. Es war aber ein sehr großer Fortschritt, als Pius XU. 1951 die Feier der Ostemacht aufdie Nacht von Karsamstag zum Ostersoimtag verlegte - aber mit dem ausdrücklichen Hinweis, daß die Ostemachtfeier mit Atisnahme des Taufversprechens in lateinischer Sprache erfolgen müsse. Immerhin war damit ein Anachronismus beendet. Als Ministrant erlebte ich die Ostemachtfeier am Kar samstag in der Frühe von 6 bis ca. 9.00 Uhr. Anwesend waren etwa 8 bis 20 Per sonen. Am Ende wurde das Lied ,T)er Heiland ist erstanden" mit Halleluja ge sungen und dann war das Heilige Grab im Mittelpunkt des ganzen Tages bis zur Auferstehungsfeier am Abend. Seit die Ostemachtfeier am Karsamstag am Abend stattfindet, haben wir dreihundert bis vierhundert Kirchenbesucher, obwohl zwischenzeitlich der Drang nach den Wochenendhäusern sehr stark angestiegen ist. Pius Parsch halte die von Pius XU. zeitlich richtig gelegte Liturgiefeier im mer wieder verbotenerweise in der Nacht vorweggenommen. Aber sowohl Kardinal Piffl(der vor seiner Ernennung ztun Erzbischof von Wien Propst des Stiftes Klostemeuburg war)als auch Kardinal Imiitzer stellten sich schützend vor Pius Parsch, der immer wegen der Ostemacht feier in Rom angezeigt worden war. Pius Parsch war nach der Auflüsimg des Stiftes Klostemeuburg 1941 durch die Nationalsozialisten in meine Heimatpfarre Floridsdorf übersiedelt. Hier war er nicht ,dieimatlos", denn Klerus und die Ge meinde waren glücklich, ilm in der Pfarre zu haben. Als sein ständiger Lektor hatte ich viele Kontakte mit ilun. Zur Frage der Muttersprache sagte er einmal zu mir: „Solange man in Rom nicht bereit ist, die Muttersprache zu erlauben, ist es egal ob man die Messe in lateinischer oder chi nesischer Sprache feiert, denn das Gros des Kirchenvolkes verstellt weder die eine noch die andere Sprache." Dank dieser „Vorarbeiten" der Volksliturgischen Bewegung, vor dem Zweiten Weltkrieg selir stark getragen von katliolischen Jugendbewegmigen, insbesondere vom Bund Neuland und im Krieg und nach dem Krieg von der Katholischen Jugend und jungen Erwachsenen, war die Liturgiereform naliezu problemlos von den Katholiken angenommen worden. Pius Parsch (1884-1954) hat die Neu regelung der Ostemachtfeier noch erlebt, die Reform am Konzil nicht mehr. Von ihm gilt; „Gott braucht zuweilen Men schen, die dem Tag vorauslaufen, um ihn anzumelden. Aber sie müssen sterben, bevor der Tag kommt." Sehr wichtig waren mir und sicher den meisten Katholiken die beiden Erklärun gen über die Religionsfreiheit (Dignitatis humanae) und die Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchrist lichen Religionen (Nostra aetate). Diese beiden Erklärungen sind ein Meilenstein im Denken der Kirche zur Religionsfrei heit und in ihrem Verhältnis zu den nicht christlichen Religionen. Die WienerDiözesansynode 1969-I97I Die Erzdiözese Wien war nicht sein „üppig" im Abhalten von Diözesansynoden; 1858 berief der Wiener Erzbischof, Kardinal Rauscher, eine Provinzialsynode mit Zustimmung Roms ein zum Zwecke einer kirchlichen Emeuemng. Teilneluner waren neben den Bischöfen auch die Äbte und Pröpste der Klöster, einige Theolo gieprofessoren, die Sekretäre und noch 12

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