Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

bleibt. Aber niemand darf versuchen, das Konzil nach „Steinbmchmethode" für seine ,Jconservativen" oder ,;progressivcn" Ideen zu ge- und mißbrauchen. Es ist immer vom .Ganzen auszugehen und jene „geisterfüllte Mitte"(K. Rahner) zu wählen, die man als den „Geist des Konzils" benennen darf. KR Dechanl Dr. Gustav Pirich (Weihe jahrgang 1965) ist seit 1989 Pfarrer von Hollabrunn Ringen um den Weg des Konzils Von FranzReiter Zimäclist würde ich die Wirioingsgcschichte des Konzils in meinem persönlichen pastoralen Leben in mehren Pliasen sehen: Zeit begeisterten Aufbruchs, sclirittweise Verwirklichimg, Konflikt um die Auslegung des Konzils. Zunächst die Zeit des begeisterten, eher unkritischen Aufbruchs. Bereits das ganze Studium waren wirja mit dem teils dramati schen Ringen um die Konzilstexte konfron tiert. Gerade der Abscliluß des Konzils mit dem Abscliluß des Studiums verband sich zu einer überaus großen Erwartung ,geradezu ,dleilsmessianität". Ich hatte das Glück, in einer selir stark geprägt gläubigen Gemeinde zu wirken. Das hohe Ansehen,das durch das Konzil verstärkt wurde, kam so meinen ersten Kaplansjaliren selir zugute. Allerdings erfuhr ich damals einerseits eine starke ,ßremsung" des konziliaren Schwungs, andererseitszogen bereits die ersten Schatten eines säkularistisch mißverstandenen Kon zils herauf. Flügelkämpfe im Priesterkreis des Dekanates kündigten sich an. Selir konkret war die Verwirklichung im Bereich der Liturgie positiv zu spüren. Mühsames Bemühen um die Verwirk lichung des Konzils Eine zweite Pliase erfulir ich mit meiner Übersiedlung in seelsorglich schwierige, eher femstehende Pfarren, zunächst noch teilweise im ländlichen,dann im suburbanen Arbeiteimilieu. Außer den genannten liturgi schen Erneuerungen und der Bemüliung um die Bibel liatte liier nur eine selir kleine Gruppe von Laien das Konzil wahrgenom men,ohne Zweifel war dies uns als Priestern auch zu wenig gelungen. Gerade in der zweitgenannten Pfarre, wo ich als junger Pfarrer praktisch vor dem ,J^ichts" stand, liatte das Konzil noch überliaupt nichtge^- fen, hinzukam, daß der ,ßonus" der konzi liaren Rezeption längst vorbei und die ,diumanae vitae"-Debalte die positive Vor gabe längst verschluckt hatte. Eine sehr mühsame und kleinweise Bemühung um Verwirklichung des Konzils war hier not wendig, wiederum zunäclist die Liturgie. Durch das Aufkommen der Pfarrgemeinderäte wurde auch die Laienaktivität stärker verwirklicht, ein Brückensclilag von Kirche in der Welt konnte in der eingefleischt ab ständigen Gemeinde im Laufe von Jahren in Ansätzen immer wieder erreicht werden. Zum großen Teil handelte es sich um eine „versorgte"Gemeinde. Allerdings-es war in den späten Siebzi ger- und beginnenden Achtzigerjalireii - zeigten sich im Pfarralltag selir konkret schwere" Flügelkonflikde", die mit dem Verständnis des Konzils zusaninienhingeii und zu einer Reilie sclimcrzlicher Konfron tationen fülirtcn, die mich sclüießlich zur Aufgabe dieser Pfarrstelle bewogen. Was daiui einige Jahre später in der Breite der Diözese, sicher auch der Welt kirche, geschali, hatte sich hier im Klei nen bereits abgezeiclinet: Einerseits eine stärkere Orientierung am herkömmlichen Kirchenbild, andererseits ein starker Reformeifer, der auch bislang wesentliche Punkte wie Priesterbild, Zölibat, Ausle gung der cliristlichen Moral betraf. Sehr konkret erirmere ich mich hier an ein ständiges ,dlin- und Hergerissensein", einen „Serpentinenweg"zwischen Reform und Säkularismus als Aufgeben des m.E. Unaufgebbaren. Die Situation fiel zu sammen mit einem personal bedingen Überaktivismus, der zu innerer Leere führte, die durch die Begegnung mit neuen spirituellen Bewegungen halbwegs aufgefangen wurde. Dieses Ringen um den Weg des Kon zils ist auch mit meiner Übersiedlung in eine größere Pfarre weiter deutlich ge worden: Einerseits zeigten sich Liturgie, Ökumenismus, Wort Gottes, Bedeutung des Laien sehr stark ausgeprägt, anderer seits schien mir die starke gemeinde kirchliche Struktur zu sehr in sich selbst befangen und wenig missionarisch-apo stolisch für das große Umfeld offen zu sein, sodaß auch hier ein Konflikt unausweiclüich war, um die Gemeinde auf das Umfeld hin aufmerksam zu machen. Immer stärker ist auch eine Auflösungs tendenz der „Christlichen Selbstverständliclikeiten" gerade in der Kemschichte sptlrbar (Soiuilagsgottesdienst, Ehe ohne Trauschein...), das Erleben eines zunächst stillen, in letzter Zeit auch dramatischen Auszugs aus der Kirche anläßlich der letzten bekaimten diözesanen Erscheinun gen. Die Mühe, die pfarrliche Kemschichte zu motivieren, der großen Randscliichte Dienste zu leisten und insbesondere in Literatur und Weiterbildung auf dem Laufenden zu bleiben scheint offensicht lich zu einer immer größeren Überfordenmgzu führen. Vergessen sei nicht ein durch all die Jalire konstanter Leuchtpunkt, Orientienmgs- und Kraftpunkt in der Verv-irklichung des Konzils: Unser hochverehrter Herr Kardinal Dr. Franz König, der stets motivierend, klärend, wegweisend bis zum heutigen Tag die wesentlichen Anliegen des Konzils wachhält und die verschiedenen auseinanderstrebenden Kräfte zu einigen vermochte. GR Dr. Franz Reiter. Weihejahrgang 1965, ist seit 1986Pfarrer von Gloggnitz. Religionsunterricht und Gemeindeaufbau nach dem Konzil Von Johann Font Gerne komme ich der Auflbrdcnmg nach, kurz über die Prägung und Bestim mung meines Lebens und Wirkens durch das Zweite Vatikanum zu berichten. Die vorgegebene Kürae zwingt mich zur Darstellimg in Streiflichtem. Von 1960 bis 1965 studierte ich Theologie in Benediktbeuern. Hohe Erwartungen beflügelten uns Studenten. Ungewißheit und Hoffnung prägten die bereitwilligen Gespräche mit unseren damals durchwegs jungen und fortschritt lichen Professoren. Nüchtemlieit und Sachlichkeit wurden angezeigt von unserem geschätzten Dogmatiker und Patristiker. Mit ihnen diskutierten wir vor allem über die Problematik der sichtbar werdenden Weltkirche, die Ökumene und die Liturgie. Die Liebe und Güte Johannes XXin. kamen mit jugendlichem Elan und aus einem vertrauensvollen Herzen. Dieser Mann fand von Anfang weg den Zugang zur weitersclireitenden Welt. Sein überraschender EingritT in die Liturgie regte zu Taten an. Leider bremste der damals zuständige Bischof von Augsburg zu sehr. Der Tod Johannes XXIU.imd die Wahl Paul VI. brachten Sorge. Groß war die Freude - das Konzil geht weiter! - und besonders beeindruckend der rechtliche Schlußstrich durch die Verlautbarung über die gegenseitige Zurücknalinie der Bulle, die das Schisma von 1054 ausgelöst hatte. Als Neupriester zurück in Österreich durclilief ich in vier Diözesen im Reli gionsunterricht an den verschiedensten SchuUy{>en .TTusl und Lust" mit den Mögliclikeiten, die sich aus dem Aufbmch nach dem Konzil ergaben. Die Anpassung des Religionsunterrichtes an die Erfor dernisse der Gegenwart verlangte neue Wege.Der neue Weg mit Laienkatecheten animierte diese, mit Anleihen aus oft nur vage reflektierten Erziehungszielen zu experimentieren. Die Methode wurde vielfach den Inlialten übergeordnet und aufZiele wurde gänzlich vergessen. Diese Laiisierung in der Kirche, die Rol lenunsicherheit der Priester und in letzter Zeit auch der Laien gibt mir auch heute noch Anlaß zum Nachdenken und sollte inuner wieder bedacht werden - gerade im Hinblick aufeines der wichtigsten und prägendslen Ergebnisse des Konzils: Kirche ist Gemeinschaft aller Getauften, keine „Zwei-Klassen-Kirchc". Und ebenso die Besimiung auf die Rangord-

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