Kaplan 1963 Von Franz Grabenwöger Meine Theologenzeit von 1958 bis 1963 fiel in die Vorbereitungszeit des Zweiten Vatikanischen Konzils. Rück blickend muß ich allerdings feststellen, daß es diesbezüglich in der Seminarzeit nicht viel Bemerkenswertes gab: Das Leben im Wiener Priesterseminar und auf der Universität ging seinen gewohnten Lauf! Ich habe meine Kalender mit persön lichen Auf^ichnimgen durchgesehen imd praktisch nichts entdeckt, was ims in dieser Zeit von den Sitzen gerissen hätte: Einkehr- und Besinnungstage, abendliche jjhinkte" des Spirituals oder auch Vorle sungen (im dogmatischem Traktat über die Kirche lag das Hauptgewicht auf Torquemada)! Mein Kalender aus dem Jahre 1963 hält allerdings fest, daß Kardinal König am 8. Juni d. J. im Seminar über das Konzil sprach. Bedingt durch die Unter brechung der Sitzungen durch den Tod Johannes des XXHI. Die„Allocutio fmalis" des Regens vom 28. Juni 1963 war aufgebaut auf drei Punkte: das geistliche Kleid, die Deka natsgemeinschaft und das Laienapostolat - sollten wir als junge Kapläne beachten und fördern. Im September 1963 trat ich meinen Kaplanposten in der Pfarre Ober-Aspang an. Ober weltbewegende Dekanatskonfe renzen fehlt mir jede Erimierung. Dafür ist mir in umso besserer Erimiening der erste Fastensonntag 1964( 16. Februar), als zum ersten Mal in der erneuerten Liturgie Lesung und Evangelium deutsch verkündet werden konnten: Beim soimtäglichen Frühstück im Pfarrhof herrschte tiefste Katerstimmung: vom Pfarrer über die Pfanhaushälterin und sogar bis zum Pfarrhund hinunter! Ein Priestereinkehrtag am 3. März 1964 in Wiener Neustadt ging ohne Er wähnung des Konzils über die Bühne. Mehr Interesse fand die Kirchenversamm lung und was man schon von ihr hörte, bei den Jugendlichen: Im ländlichen Fortbil dungswerk gab es am 8. März 1964 eine Informationsveranstaltung über das Konzil und die pfarrliche Jugendgruppe trotzte dem Pfarrer einen Volksaltar, allerdings aus eigenen Mitteln,ab. Von einer Runde von Kaplänen der Buckligen Welt kann ich mich an ähnliche Gespräche nicht erinnern. Pfarrlich tief greifende Kontroversen spielten sich ab bei meinem Widerstand gegen liturgische Funktionen, die nicht der Wahrheit der Zeichen entsprechen: etwa als Diakon beim Hochamt zu dienen, oder „drei spännige" Begräbnisse erster lüasse gegen Mehrzahlung in den Nachbarpfar ren mitzuveranstalten. Sehr gut ist mir noch in Erinnenmg die erste Urlaubskarte meines Chefs aus den Ferien 1964. „Tu ja nichts Neues einfüh ren, wir haben ohnedies schon genug zu tun". Diese väterliche Warnung sollte sich Jahr für Jahr \viederholen. Meine wichtigsten Informationen über die Konzilsereignisse bezog ich damals aus dem vierbändigen reichbebilderten Werk ,J)as Konzil"; ein Bild- und Text bericht von Mario von Galli und Bernhard Moosbrugger aus den Jahren 1963 bis 1966. Das kleine Konzilskompendium von Rahner und Vorgrimler, 2. Auflage 1966, erst bot mir Gelegenheit, mich langsam in die KonziJstexte einzulesen. Erst viel später bekam ich die Konzilsbändc des Lexikons für Theologie und Kirche in die Hände. Auf den fast 800 Seiten des kleinen Konzilskompendiums sind drei Stellen von mir besonders hervorgehoben: Kirchenkonstitulion 8: es scheint für den jungen Kaplan sehr trostvoll gewesen zu sein, daß die Kirche „stets der Reinigung bedürftig..., den Weg der Buße und Er neuerung" gehen müsse. Interessant für mich war auch die Anmerkung zu,jürche in der Welt" Nr. 43: daß vom Seelsorger nicht fixfertige Lösungen erwartet werden dürfen und im Priesterdokument Nr.4: die Verkündigimgsaufgabe des Priesters sei vordringlich. Rückschauend auf meine über dreißig jährige Dienstzeit als Priester komme ich immer mehr zur Ansicht, daß die Art und Weise, wie ich meinen priesterlichen Dienst auffasse, sehr stark beeinflußt wurde durch meine elfjährige Tätigkeit als Zeremoniär und Sekretär von Kardinal König. Und hier war es vor allem die Art und Weise, wie der Bischof bei den Visi tationen mit den Pfarrgemeinderäten „ehrfurchtsvoll" und behutsam umgegan gen ist. Ein roter Faden zieht sich durch meine Tätigkeit als Seelsorger: Es ist das Mit sorgen um geistliche Berufe durch acht Jahre hindurch im kleinen Seminar Sach senbrunn, durch sechs Jahre im Seminar Hollabrunn und durch über 10 Jahre Tä tigkeit im Canisiuswerk. Zweifelsohne ist auch meine nun be reits dreijährige Tätigkeit als Pfarrer geprägt vom vielzitierten „Geist" des Konzils: so etwa, weim ich mich freue über eine wachsende Zahl von ehrenamt lichen Mitarbeitern in der Pfarre,so etwa, wenn ich immer wieder bitte, daß Dienste übernommen werden: von Vorbetem,über die theologische Schulung, bis hin zum Wortgottesdienstleiter. Wenn ich eine große Ahnungslosigkeit bei Schülern feststellen muß, was die letzten 30 Jahre Kirchengeschichte be trifft, SO wundere ich mich selbst, daß ich als einer, der der Übergangsgeneration angehört, schon scheinbar selbstverständ lich im Fahrwasser und im Klima des Konzils leben und arbeiten kann. Msgr. Franz Grabenwöger(Weihejahr gang 1963), langjähriger Sekretär von Kardinal Dr. König, ist seit 1992Pfatrer von Krumbach. Erinnerungen an die erste Zeit nach dem Konzil Von Anton Beider Am 2. April 1964 wurde ich zum Prie ster geweiht. Mein erster Kaplanposlcn von April 1964 bis August 1966 war die Pfarre St.Josef-Sandleiten in Wien 16. Mein Pfarrer, Msgr. Karl Maurer, war ein sehr liturgiebewegter Maim, der den li turgischen Erneuerungen der ersten Nach konzilszeit sehr offen gegenüberstand - und die kleine Gemeinde der Treuen in der zumindest kirchliclmeutralen Pfarre voller Gemeindebauten war daher un kompliziert aufgeschlossen für(fast)alles, was da kam. Und es kam sehr viel. Das Lose-Blätter-System etwa für die Feier der Hl. Messe, das ein ausgeklügeltes Ordmmgssystem des Aufliebens und eine ausgesprochene Mappenkultur erforderte. Überall schössen in den Altarräumen Volksaltäre aus dem Boden - mehr oder weniger an den Stil der Kirche angepaßt. Für manche Pfarrer waren sie eine Art Buchablage, wo die liturgische Handbi bliothek, manchmal schamhaft hinter Blumentöpfen versteckt, ihren Platz fin den kormte. Der Weg bis in die Mitte der Siebziger Jahre war noch weit, wo ich dann-als Sekretär von Kardinal Königauch in die Dekanatskonferenzen eingela den wurde, um die Mitbrüder in die Ge heimnisse der ,/illgememen Einführung ins Meßbuch" einzuführen imd sie mit den Gnmdsätzen einer von Grund auf erneuerten Liturgie vertraut zu machen. Auch bei der Spendung der Sakramen te und Sakramentalien änderte sich alles. Der lange Weg voii den Studien- bis zu den endgültigen Ausgaben zeigte sich im Festwerden des Deckels. Als einziges Sakrament hat es das Bußsakrament bis heute nicht geschafft, rituell in einem steifen Deckel geborgen zu werden. So war ich damals ein ständig Lernender, wobei es sprachlich noch Steigerungsstu fen gab: lateinisch - deutsch - ökume nisch (etwa das Vaterunser). Besonders beeindruckt hat mich, als ich etwas bislang Verbotenes das erste Mal offiziell tun mußte: die Einsegnung einer Urne. Wie ich mit meinen Gebeten, mit denen ich sonst den Leichnam im Sarg bedachte, relativ hilflos vor dieser kleinen Metall vase stand...Der Reichtum des neuen Beerdigimgsrituale hat daim allen Even tualitäten ausreichend Rechnung getragen; war aber für viele Priester in der ersten Zeit auch viel zu reich, so wurde -zum Schrecken aller Liturgen - eine Wiener Kurzfassung angefertigt, in der sich fol gender markante Druckfehler befmdet: „Ich war nackt, und ilir habt mich be sucht..."(S.65-Mt25).
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