Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

war noch in allen Pfarren und Kirchen der Erzdiözese Wien der folgende Hirtenbrief, den Kardinal König zum Konzil verfaßt hatte'', verlesen worden: Meine lieben Gläubigen! In diesen Tagen richten sich die Blicke der ganzen Welt nach Rom, wo nach fast dreijähriger Vorbereitung am Festtag der Mutterschaft Mariens, d. i. am 11. Okto ber d. J., das 2. Vatikanische Konzil feierlich eröffnet werden soll. Mehr als 2000 Würdenträger der Kirche folgen dem Ruf unseres Heiligen Vaters, Papst Jo hannes XXm.,und begeben sich, begleitet von den Gebeten, Hofihungen und Wün schen des gläubigen Volkes, in die Haupt stadt der Christenheit, Auch die Bischöfe Österreichs sind eben im Begriff, die Reise nach Rom anzutreten. Es ist mir daher ein Bedürfhis,in dieser historischen Stunde noch einmal ein kurzes Wort an die Katholiken der Wiener Erzdiözese zu richten, 1. iVas will das Konzil? Mit großer Freude köimen wir feststel len, daß die Bedeutung, die ein allgemei nes Konzil in unserer Zeit für die Kirche wie für die Welt hat, allenthalben immer besser erkaimt wird. Die besondere Struk tur unserer zur Einheit drängenden Welt, das Wissen um die gemeinsame Bedro hung der Menschheit und die Weltoffen heit der katholischen Kirche schaffen für die Wirksamkeit der Botschaft Jesu Chri sti heute ganz neue Voraussetzungen. Wir dürfen es dem lebendigen Atem des Hei ligen Geistes, der die Kirche lenkt, zu schreiben, daß der Hl. Vater gerade jetzt eine solche - auch in der langen Ge schichte der Kirche - seltene Kirchenver sammlung einberufen hat. Ihre Zielset zungen haben sich in der Zeit der Vorbe reitung bereits deutlich gezeigt: a)Zunächst wird das Konzil eine große Besinnung auf ihre Grundlage und ihre Sendung sein. Das ist ja die wichtigste Voraussetzung für jede Wirksamkeil nach außen, daß die Kirche innerlich gefestigt und in voller Überein.stirrunung mit dem Wollen ihres göttlichen Stifters ist, der sie als seine reine und makellose Braut sehen möchte. Diese Selbstbesinnung soll dazu beitragen, die Glieder des mystischen Leibes Christi immer enger und lebens voller mit iluem Haupt zu verbinden. Sie soll aber auch die iiuiere Einheit der Christen untereinander stärken und eine gute Grundlage für das Gespräch mit den getrcmiten Brüdern schaffen, b) Weiters bedeutet das Konzil eine Konfrontienmg der Kirche mit der heuti gen Welt. Wohl gibt es an der Offenba rung, deren Hüterin und Verkünderin die katholische Kirche ist, nichts zu ändern und nichts zu deuten. Wir können uns nur bemühen, die Glaubensinhalte immer besser zu verstehen und die Forderungen, die sich daraus ergeben, auf die jeweili gen Zeit- und Lebensverhältnisse anzu wenden. Auch gilt es, die zeitbedingten Mittel und Methoden des Wirkens in der Welt den neuen Notwendigkeiten und Möglichkeiten so anzupassen, daß der zeitlose Auftrag der Kirche am besten erfüllt werden kann. c) Nicht zuletzt wird das Konzil eine gewaltige Friedenskundgebung sein. Nach den Worten unseres Hl. Vaters will die Kirche erneut den Ruf nach dem Frieden erheben, der bewaffnete Konflikte aus schließt, der aber auch im Herzen eines jeden Menschen seine Wurzel und Ga rantie haben muß. Denn alle Friedensbe mühungen müssen scheitern, wenn das Verhalten von Mensch zu Mensch und von Volk zu Volk nicht von den grundle genden Geboten der Brüderlichkeit und Liebe bestimmt wird. 2. Was erwarten die Bischöfe von den Gläubigen? Da wir uns also der Bedeutung des Konzils und der Verantwortung der Konzilsvätcr bewußt sind, seien nun den Kaüioliken der Wiener Erzdiözese einige Bitten vorgelegt, deren Erfüllung wesent lich zum Gelingen des Konzils beitragen kann, a)Die Gläubigen sind zum innigen und behairlichen Gebetßir das Konzil aufge rufen. Dabei denke ich nicht nur an be sondere Gebete bei allen öffentlichen Gottesdiensten, sondern erwarte auch von den Familien, Gemeinschaften und Ein zelpersonen, daß sie ihre gewolmten Gebete und frommen Übungen auf diese Meinung verrichten. Auch die tägliche Arbeit, die Widerwärtigkeiten des Lebens, die Beschwerden einer Krankheit mögen ftlr dieses Anliegen aufgeopfert werden. Freigewählte Bußwerke - wie der Ver zicht auf Aiuiehmliclikeilen und Vergnü gungen - werden das Gebet wirksam unterstützen. b)Ein wichtiger Beitrag zum Gelingen des Konzils wird femer das ehrliche Bemühen aller Katholiken um ein christ liches Leben sein. Wir wollen uns der Gnade, die Gott der Welt und der Kirche zu schenken bereit ist, würdig erweisen und ihr durch unseren guten Willen ent gegenkommen, Darum wollen wir schon jetzt unser Leben wieder neu an den Geboten Gottes und der Kirche ausrichten und wollen auch Gott geben, was Ihm gebülirt. Die Bischöfe legen den Katholi ken am Vorabend des Konzils besonders die Heiligung des Sonntags, die Übung der cluistlichen Nächstenliebe und die Pflege des christlichen Geistes in den Familien ans Heiz. c)Nicht zuletzt erwarten alle Bischöfe in der kommenden Zeit von den Katholi ken eine echte kirchliche Gesinnung. Nicht Neugier und Sensationslust, son dern innere Anteilnahme sollen uns be stimmen, den Fortgang des Konzils in Presse,Funk und Femsehen mit Interesse zu verfolgen. Darüber hinaus mögen sich alle Gläubigen schon jetzt für die Ver wirklichung der Konzilsbeschlüsse bereit machen. Es wird darum gehen,auch diese unsere moderne Welt, in das Erlösungs werk Christi einzubeziehen, und ihr den Weg zum Heile freizumachen. Wenn diese Aufgabe der Heiligung der Welt Erfolg haben soll, dann muß ein jeder dabei mittun und täglich neu bei sich imd in seinem Einflußbereich begiimcn. Weim ich mich gerade am Rosenkranzfest an die Katlioliken der Wiener Erz diözese wende, dann sei an den Anlaß eriimert, der zur Einführung dieses Festes geführt hat. Immer wenn es um große Entscheidungen ging, wandte sich die Kirche an Maria, die „Siegerin in allen Schlachten Gottes", Mögen sich die Gläubigen besonders im Monat Oktober dessen wieder bewußt werden, daß ihr recht gepflegtes Rosenkranzgebet auch jener Schlacht Gottes, die durch das Konzil geschlagen wird,einen siegreichen Ausgang verleihen wird: Wie die Apostel mit Maria eimnütig im Gebet verharrten, so wollen auch wir uns in vertiefter Ge meinschaft um die Gottesmutter scharen und das Kommen des Hl. Geistes erfle hen, der durch das Konzil das Antlitz der Erde erneuern möge, Wien,am 7, Oktober 1962. Anmerkungen: ')Der Seelsorger 30(1959/1960)17. ') Wort und Wahrheit (im folgenden WuW) 14(1959)241-244. ') WuW 15 (1960) 245-262; 325-346; 405422. *)WuW 16(1961) 169-190, ")WuW 16(1991)Heft 10(Sonderheft), ')WuW 16(1961)577-581,hier S, 578, ')Ebd.S, 585f. ')Ebd,S.600-602. ')Ebd.8,619-621, ")Ebd.S.623f. ")Ebd.S.628f, ")Ebd, S.641-643. ")Ebd.S,646-648. ")WDBI 1961,S.66f. ")WDBI 1962,S.55f. ")Erwin Hesse, Um das kommende Konzil, in: Wiener Diözesankalender 1962,S,71-73. ")WDB11962,S,32f. ")Ebd,S.22. ")Mitteilungsblatt d. ED Wien 1962, Nr. 9, S.6;Nr. 10,S, 1. ")Ebd.Nr, 10,S. 10. ")WDBI 1962,Beilage. Wiener Diözesanblalt: Inliaber: Erzdiözese Wien (Alleiiiiiihaber), Herausgeber: Erzb. Ordinariat. Redaktion: Diözesanarcliiv Wien (Dr. Johaim Weißensteiner), Satz: Diözesanarchiv Wien, Alle: 1010 Wien, Wollzeile 2. - Hersteller: Herold Druck- und Verlagsgc.sellschaft m. b, H,, 1030 Wien,Faradaygasse 6. - Das „Wiener Diözesanblalt" ist das offizielle Amtsblatt der Erzdiözese Wien, 56

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