Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

ges Kreuzgewölbe gehabt habe.Das Buch hält den Turm für einen späteren Einbau in das Chorquadrat®®). Ein Turm hat aber schon früher bestanden; denn 1647, 5. Juli, als die Gemeinde beim Landesherrn um Beleh nung mit dem Lehen „des alten Turmes" einkam, heißt es Weilers,, der alte Thum zu M., welchs nichts anderß als bloß ein altes Gemeur ohne ainzige Zugehörung". 2 Jahre vorher scheint die Wehranlage zum letzten mal ihrem Zweck, das Leben, Hab und Gut der Mark grafneusiedler zu schützen, aber ungenügend göiient zu haben; denn es heißt, die Schweden hätten den Lehenträger des Turmes (der statt der Gemeinde die Belehnung zu empfangen hatte) Jakob Salsser zu Tode geprügelt®®). Für neuzeitliche Waffen war der Turm eben nicht gebaut worden. Das erstemal erscheint die Wehranlage als „festes Haus in dem velde", als 1368 Simon von Teimendorf «nen Weingarten oberhalb davon vergibt®'). Im Passauischen Pfarrkirchen- und Kapellenverzeichnis aus dem 15. Jahrhundert erscheint nur die Pfarrkirche, nicht aber die Martinikapelle®*'). Ebenso kennt das Visitationsbuch von 1544 nur die Pfarrkirche®®). Selbe stand unter dem Patronate des Landesfürsten. Wie wir oben gehört haben, war auch die Wehranlage, der Turm, ein Lehen vom Landesfür sten und 1647 an die Gemeinde verliehen. Die Ge meinde hatte vom Turm kein Einkommen, kam aber für den feierlichen Gottesdienst in der Kapelle zu Martini auf. In der Kapelle war 1751 kein Altar nach alter Weise (mit einem auf der Vorderseite eingebau tem Reliquienkästchen), sondern man brachte aus der Pfarrkirche einen Altarstein mit®®). Der Gottesdienst war gut besucht, was sich auch im Opfergeld von diesem Tage zeigte: 1701 gingen 1 Gulden 21 Kreuzer ein, während zu Allerheiligen und Allerseelen das Opfergeld der Hauptkirche nur um 25, bzw. 23 Kreu zer mehr war®'). 1707 wird auch edn Betrag von 2 Gul den für abgelöste Kerzen in der Kapelle eingenommen. 1751 befindet der Dechant bei der Visitation des Deka nates Marchfeld, daß die Kapelle dezent gehalten sei und in ihr nur zu Martini ein feierlicher Gottes dienst stattfinde zur Danksagung dafür, daß zur Zeit eines Krieges mit den Ungarn das Volk in der Kapelle täglich der hlgn. Messe beiwohnte und so Rettung fand. Und er berichtet weiter, daß in der Feste soviel Unterkünfte seien als es im Dorf Häuser gebe. Die Kapelle habe keine Einkünfte und werde von der Gemeinde erhalten. Es finde sich auch weder eine päpstliche, noch eine bischöfliche Erlaubnis zur Feier der hlg. Messe darin vor. 1862 in der Nacht vom 30. auf den 31. Dezember, brannte die Windmühle nie der®®) und nur die alten xuizerstörbaren Mauern blie ben bis auf den heutigen Tag. Anmerkungen:') Jahrbuch f. Landeskunde XXI. u. XXII. Jg., Aufsätze Karl Bednar. — ®) Blätter d. Vereines f. Landeskunde v. N. ö. 1882, S. 93 (Nr. 104). — ®) Wolf H., Erläuterungen zum Histor. Atlas, II. Abt., 6. Teil, S. 330/31. — •») Ebd. — ®) Pfarrarchiv, Kirchenrechnungen. — ®) Wr. Diözesanarchiv, Visita tionen. ~ ') Ebd. Fasz. M. — ®) ®) '®) ")'2) i®) '4) '®) Wie 5. — '8) Wie 7. — ") Wie 7. — '«) Wie 6. — '®) Wie 5. — 2®) Pfarrgedenkbuch I. — ®') Wie 5, Fasz. Pfarrkirche. — ®®) Wie 20. — ®®) Wie 5, Fasz. Martinikirche. — ®') Darstellung d. Erzherzogtums österr. unter d. Enns, Viertel unter dem Manhartsberg IV. — 28) Dehio-Ginhart, Die Kunstdenkmäler von N. ö. — 2®) Wie 23. — 2') Topographie von N. ö. VT. — 2®) Schmieder P. matricula Passaviensis. — 2®) Wie 21. — ®®) Wie 6. — ®') Wie 5. — ®2) wie 27. 6. Der I. Weltkrieg 1914/18 im Gedenkbuch einer Gebirgspfarrei'^ Hier einmal ein Beispiel, ein Paradigma dafür, wie sich große Geschehnisse auch im kleinen, mm in einer Pfarrei widerspiegeln und wie sie, wenn echt und le bensnah geschildert, ihren Beitrag zum möglichst vol len Verständnis einer diözesangeschichtlichen Periode leisten können. Der Schriftwalter. „Als die Kunde vom schrecklichen Thronfolger mord Ende Juni 1914 unser Ohr traf, da erfüllte ge rechter Zorn über die Mörderbande unsere Seele. Dem folgte einige Wochen später eine unendliche Kriegs begeisterung. Dem Urhebervolk dieser himmelschrei enden Untat war der Krieg erklärt. In wenigen Stun den war auch unser stilles Gebirgstal alarmiert und die Kunde der Mobilisierung wurde noch in der Nacht von Haus zu Haus bis ins entlegenste N.-Tal getragen. Ich werde jene glühende Begeisterung nicht so leicht ver gessen, mit der unsere sonst nicht'so leicht aus der Fassung zu bringenden Bergsöhne am Marktplatz Ab schied von der Heimat nahmen". Nach der Schilderimg solcher Ausbrüche.. heißt es, „rollten die Wa gen mit den Kriegern fort. Sie grüßten und winkten zurück, viele kamen nimmer wieder! Als erster fiel" u. s. f. werden ganz persönliche erschütternde Schick sale angeführt... „Zahlreich wurde die Liste der Ge fallenen und in den Spitälern Verstorbenen, deren An denken das Volk mit Totenbildchen wie unten (sind eingeklebt) festzuhalten sucht." „War unsere Kirche bisher nicht direkt vom Kriege betroffen wie einst in den Türkenkriegen, so litt sie indirekt doch sehr darunter und zwar in allen ihren Teilen. Im J. 1916 traf der Blitz den Turm und ruinierte das Kirchendach. Da keine Zimmerleute zu bekommen waren, blieb das unschöne Gerüst bis zum Herbst 1918 stehen. Schwerer noch war die Ablieferung der Glocken zu ertragen. Im J. 1917 bestiegen Soldaten den Turm, ein Hämmern begann und bald überstürzte sich die große Glocke nach dem Hinausschieben aus dem Turmfenster und fiel unter lautem Aufschrei der zahl reich zusammengeströmten, sehr ungehaltenen Pfarr kinder zur Erde und grub sich darin ein... Alles lief aus den Häusern und weinte laut, als ein Ochsen wagen beide Glocken fortführte. Die zurückgebliebe nen Schwestern (Glocken) wimmerten zum Abschied. Bald wurde auch die dritte Glocke requiriert, so daß nur mehr das Zügenglöcklein übrigblieb. Es war herz zerreißend, als der Leiterwagen auch sie wegführte. Ich (der Pfarrer) blickte lange vom Hausackerrand nach und wischte mir die Tränen ab... Auch die bei den Filialkapellen mußten ihre Glöcklein hergeben. Die Bevölkerung nahm fast eine drohende Haltung ein und beschuldigte beinahe den ohnmächtig zusehen den Pfarrer, daß er sie herließ. Die Bewohner von N. wehrten sich, natürlich nutzlos, gegen die Abnahme. Man konnte nicht fassen, daß diese so friedliebenden Gott geweihten Gegenstände auf einmal zu Kanonen werden sollten. Auch konnte man sich lange nicht daran gewöhnen, daß das schrille, den Tod verkün dende Zügenglöcklein nun auf einmal die höchsten Pesttage einläuten sollte. Doch schließlich gewöhnt man alles. Die Kirchenuhr bekam die Kriegszeit insofern zu

RkJQdWJsaXNoZXIy NzM2NTQ=