Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

fen und im darauffolgenden Herbst fortge setzt. Jch möchte sagen",stellte Kardinal König später fest,„daß der Glanz und der Ruhm des Konzils mit dem Namen Jo hannes XXTTT verbunden sind, die Last und die Mühe aber hatte der demütige und überaus kluge tmd erfahrene Paul VI. zu tragen. Er hat sich in der Folge große Verdienste um Fortgang und Verlauf des Konzils erworben"". Er stand im Schatten seines Vorgän gers,dem die Liebe und die Bewunderung der ganzen Welt zuströmte; „er hatte das Konzil, nicht einberufen, aber er hat es, trotz mancher Widerstände, zu Ende geführt. ... Er hatte es auch als Mensch schwer. Er konnte nicht mit einem herz lichen Lachen Millionen Menschen begei stern. Er hat in scheuer Geste um die Liebe dieser Menschen geworben. Er hat nicht das umwerfende, mitreißende Wesen seines Vorgängers, aber er hat die Zähigkeit, die Ausdauer, den Willen, durclizuhalten;imd er hat auch die Stärke, die aus einer großen Demut kommt, zu rücktreten zu köimen, sich klein zu ma chen vor der Größe der Aufgaben. - Un bekümmertheit war ihm nicht gegeben. Kummer,Schmerz tmd Leid sprechen aus seinen Zügen, klingen nicht selten in seinen Worten. Und doch,das große Werk der Kirchenemeuerung, so stockend, so zögernd, so gehemmt und behindert sie uns manchmal scheinen mag,dieses Werk wäre zerfallen, weim nicht auf JohaimesPaul gefolgt wäre.- Was jetzt geschieht, geschieht nicht in großen Visionen, sondern in kleinen Schritten, manchmal zögernd unterbrochen. Die Richtung aber wird nicht geändert, das Ziel nicht aus dem Auge verloren"". So charakterisierte Kardinal König Paul VI. im Osservatore Romano,drei Wochen vor dessen Tod. Es ist also ohne Zweifel ein großes Vermächtnis, das wir Heutigen zu hüten haben. IV. Die Vorbereitung des Konzils Am 17. Mai 1959 begann die Commissio anlepraeparatoria mit ihrer Arbeit und sichtete in der Folge 2821, nach Aufforderung ihres Vorsitzenden Kardinal Tardinis eingelangte Vorschläge für das Beralungsprogramm des Konzils, sogenamite Postulate. Mit Datum vom 5. Juni 1960 setzte der Papst zehn vorbereitende Konunissionen, Commissiones praeparatoriae, ein. Neun davon waren sowohl organisatorisch, wie auch dem Tliema nach an bestehende römische Behörden angelehnt, deren Leiter zugleich Vorsitzende der entspre chenden Kommissionen wurden. Die zelmte Kommission, die sogenamite Zetitralkommission, mit 102 Mitgliedern und 29 Beratern,-ihr gehörten die Vorsitzen den der neun Vorbereitungskommissio nen, wie auch die Vorsitzenden der natio nalen und regionalen Bischofskonferenzen an(darunter auch der Wiener Kardinal)-, wurde am 16. Juni 1960 gebildet. Zu Ende des Jahres 1961 waren so 827 Leute mit der Vorbereitung des Konzils be schädigt. Aus den insgesamt 2821 eingebrachten Postulaten erarbeiteten die einzelnen Kommissionen insgesamt 69 „Schemata", zu deutsch Vorlagen, welche in der Folge der Zentralkommission zur Prüfung übergeben wurden. Die Anbindung der Vorbereitungsarbeit an die kurialen Behörden aber, die zum überwiegenden Teil dem Konzil reserviert gegenüber standen, sollte allerdings einige Probleme schaffen. Ein bedeutsamer, ja, entscheidender Akt, noch vor Konzilsbeginn, war daim die Gründung des ersten Sekretariates ,^ur Förderung der Einheit der Chris ten", kurz ,ßinheitssekretariat" genannt, unter der Leitung des in den Kardinals stand erhobenen Jesuiten Augustin Bea, im März 1960, offiziell bekanntgemacht nach Ostern. Hier wurde vom Papst ein deutliches Signal gesetzt. „Did he realise tliat he had just made the most important appointment of his pontificate?" fragt der Biograph Johamies XXin., Peter Hebblethwaite in seiner 1985 erschienenen ,T)ermitive Biography of Angelo Roncalli"". Der Papst lud mit diesem Schritt die nicht-römischen Kirchen, soweit es sachlich und kirchenrechtlich möglich war, ein, Gesprächspartner auf dem Konzil zu werden. Kardinal Bea suchte in der Folge an Universitäten und Seminaren der ganzen Welt Fachleute für ökumeni sche Fragen zusammen. Das neue Sekre tariat wurde bald zum „Einfallstor für die Fremden", die bislang aus den Vorberei tungskommissionen femgehalten worden waren, sehr zum Mißfallen gewisser Kreise rund um Kardinal Ottaviani. Der Kontakt mit den nicht-katholischen Kir chen entwickelte sich, nicht zuletzt als Folge der liebenswürdigen Persönlichkeit Kardinal Beas, derart, daß Nichtkatholiken im Einheitssekretariat bald ein und aus gingen. So übertreibt Hebbletliwaite wohl nicht, werm er meint,ohne Kardinal Bea hätte Papst Johamies XXEQ. nicht das Konzil bekommen, das er haben wollte: „Yet without Bea, it is milikely that Pope John would have got the Council he wanted"". V. Der Verlauf des Konzils - Ta gesablauf, Abstimmungen,Beobachter Das Konzil wurde von Anfang an als ein Weltereignis bewertet. Dies bewies nicht zuletzt die Anwesenheit von fast tausend Berichterstattern aus aller Welt, die, in ständigem Kontakt mit den Konzilsvätem, über alle Vorgänge auf dem Konzil berichteten. Durch diese Öffent lichkeit des Konzilsgeschehens wurde der Welt ein Beispiel gegeben für die Freiheit geistigen Ringens und das Emstnehmen geistiger Entscheidungen in einer Zeit, die allein besessen schien von materiellen und machtpolilischen Interessen. Die Welt hat, so schien es, dieses Beispiel begriffen. Zum Zeitpunkt der Ankündigung des Kojizils betrug die Zahl der stinunberechtigten Mitglieder etwa 2750. Dies bedeu tete vor allem, daß, zusammen mit iliren Begleitpersonen und Beratern, wälirend der Sessionen jeweils filr rund 10.000 Menschen in Rom Quartier besorgt werden mußte. Das Längsschiff von St. Peter war zur Konzilsaula umgebaut worden. Für die, vor allem bei den Plenarsitzungen, not wendige gute Kommunikation der Kon zilsväter untereinander sorgte eine, nach Ohrenzeugenberichten ausgezeichnet funk-tionierende, Lautsprecheranlage. Der menschlichen Kommunikation forderlich war auch die sogenannte ,3ar Jona", eine in.einem Nebenraum des rechten Seiten schiffes von St. Peter untergebrachte Erfrischungsecke, an der so manche Vor gänge des Konzils nicht unerheblich beeinflußt worden sein sollen. Am 6. August 1962 gab der Papst dem Konzil eine Geschäftsordnung, die aller dings mehrmals abgeändert wurde.-Kar dinal König,der esja persönlich miterlebt hat, faßt den ,AIltag" in der Konzilsaula knapp zusammen: ,JJer Tagesablauf des Konzils war genau geregelt. Die allgemei nen Koiizilssitzungen in der Aula von St. Peter begannen jeden Tag mit einem Got tesdienst in lateinischem oder einem der orientalischen Riten. In der Mitte der Konzilsaula lag die Heilige Scluifl, ein wertvoller Codex aus der Vatikanischen Bibliotliek. Der Generalsekretär des Kon zils, Pericle Felici, gab in elegantem Latein die Tagesordnung und die vorge merkten Wortmeldungen bekannt. Dar über hinaus bemühte er sich, auch mo derne Ausdrücke wie ,31ugzeug",,Auto" in korrektem Latein wiederzugeben. Ganz vorne im Mittelschiff hatte das Präsidium, zu Begiim bestehend aus 10 Kardinälen, seinen Platz; später nahmen vier Moderatoren die Wortmeldungen entgegen und leiteten die einzelnen Sit zungen. Die einzelnen Bischöfe wurden ausnahmslos als ,3atres" angesprochen. Anfänglich hatte es den Anschein, als wolle man versuchen, mit Latein als Konzilssprache zurechtzukommen. Eine Reihe von römischen Theologen wurden in lateinischer Stenograpliie ausgebildet, um mitschreiben zu körnten. Aber bald beherrschte die Technik die ganze Aula. Es wurden Sprechanlagen und Überset zerkabinen eingerichtet, Latein wurde in der Folge nicht mehr häufig verwendet, in der Regel hörte man Englisch, Franzö sisch, Spanisch,Deutsch oder gelegentlich auch eine andere Sprache. Die Redezeit des Einzelnen dauerte acht Minuten, wenn sie vorüber war, unterbrach der Vorsitzende unbarmherzig. Bei jeder „Congregatio generalis" ging es, wemi ein neues Tliema vorgelegt wurde, zunächst um die Generallinie des Themas, darm um die einzelnen Ab schnitte der Paragraphen, die durchdisku tiert wurden. Die von den Kommissionen vorbereiteten und vom Konzil ausgewähl ten Themen - am Schluß waren es 16 - wurden in den Vormittagssitzungen be handelt, diskutiert, durch die zuständige Konzilskommission revidiert und unter Umständen mehr als einmal neu vorge legt. Das Ziel der langen Verhandlungen mit vielen Verbesserungsvorschlägen - sie gingen manchmal in die Tausende - war es, eine Textfassung zu erreichen, die nicht nur von einer parlamentarischen 40

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