Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

bauten Sitzreihen für die Bischöfe filr die nächsten Jahre zur Konzilsaula umgebaut worden. Unvergeßlich bleibt mir d^ mir hier zum ersten Mal deutlich gewordene Bild einer weltumspannenden Kirche. In den Silzimgen selbst und vor allem in den Gesprächen in den Pausen konnte man Bischöfe verschiedener Hautfarbe, Rasse und Sprache miteinander in lebhaftem Gespräche sehen. Eine vitale und lebendige Kirche war das! In der Mitte der Peterskirche, das heißt, der Konzilsaula, befand sich auf einem eigens daflir vorbereiteten Tisch eine kostbare Ausgabe der Heiligen Schrift, aus den ersten christlichen Jahr hunderten, aus der Vatikanischen Biblio thek. Dieses Buch und die Meßfeier am Beginn einer jeden Hauptsitzung in ver schiedenen Riten waren die deutlichen Hinweise auf das Fundament auch dieses Konzils, auf Christus und seine Botschaft an alle Völker!"' n.Konzilien als Leuchtturme Was versteht man unter einem öku menischen Konzil? Zum Unterschied von nationalen oder regionalen Konzilien in der Kirche werden zu einem Allgemeinen, ökumenischen Konzil-„Ökumenisch" im Sinne der griechischen Ökumene: „allgemein, weltweit" - alle regierenden Bischöfe der ganzen Welt eingeladen, um unter dem Vorsitz des Bischofs von Rom, dem Papst, wichtige Fragen ftlr die Ge samtkirche zu beraten. Beschlüsse zu fassen, Gesetze zu verabschieden. Ein Öklunenisches Konzil besitzt, so wie der Papst, höchste Gewalt über die ganze Kirche. Ein Ökumenisches Konzil steht also neben dem Papst, aber nicht über dem Papst. Das Zweite Vatikanische Konzil (Lumen gentium, nr. 22) bestimmt die Aufgaben eines Allgemeinen Ökumeni schen Konzils folgendennaßen: „Das Kollegium der Bischöfe, das Jenem der Apostel im Lehr- und Hirtenamt nach folgt,ja, in welchem die Körperschaft der Apostel immerfort weiterbesteht, ist getneinsain mit ilirem Haupte, dem Bi schof von Rom,-und niemals olme dieses Haupt,- gleichfalls Träger der höchsten und vollen Gewalt über die ganze Kir che". In der Geschichte der Kirche waren Konzilien immer gewissemiaßen Leucht türme für das wandernde Gottesvolk. Bis zur Gegenwart zählt die katlioli.sche Kir che, das letzte Konzil miteingeschlossen, 21 Allgemeine oder Ökumenische Konzi lien, abgesehen von der weitaus größeren Zahl regionaler, kleinerer Kirchenversanunlungcn. Sie alle weisen gemeinsame Grundzüge, aber, durch unterschiedliche Anlässe von außen oder innen, verschiedene „Profile" auf. Von ihnen gingen in der Regel Impulse aus, die weit in die Zukunft reichten, wurden Prozesse eingeleitet, die lange nachwirkten. Fünf Typen von Konzilien wurden im Laufe der Zeil unterschieden'; a. Die ersten acht ökumenischen Konzilien der frühen Zeit, die als Reichs synoden vom Kaiser einberufen wurden. Ihre Beschlüsse wurden als Reichsgesetze verkündet. Als Beispiel sei hier erwähnt das Konzil von Nicäa (325), welches Klarheit schuf in der Auseinandersetzung mit Arius. b. Die Päpstlichen Generalkonzilien, die, olme Teilnahme der Ostkirche, aber mit nicht stimmberechtigter Teilnalune von Vertretern der weltlichen Macht, durch den Papst einberufen wurden. Sie beginnen mit dem Ersten Laterankonzil des Jahres 1123 und repräsentieren das Corpus Christianum, die eine, westliche Christenheit. c. Die beiden sogenaiuiten Reform konzilien, von Konstanz(1414-1418) und Basel (1431-1445), als Frucht des Konziliarismus und des großen Abendländi schen Schismas. Das Hauptanliegen des Konzils von Konstanz, dtuch den König einberufen, war denn auch vor allem die Beseitigung des Schismas. Der Grundidee der Rcformkonzilien, die ilire Vollmacht als unmittelbar von Gott her gegeben sahen, als ständige, regelmäßig lagende Eiiuichtung mit Kontrollfunktion gegenüber dem Papst komiten die Päpste, die dem Konzil von Konstanz ilüe wiedergewoimene Macht verdankten, nichts abgewiimen. So war zum Beispiel das Fünfte Laterankonzil,zur Zeit des jiuigen Luther (1512-1517), wieder ein päpst liches Generalkonzil wie im Mittelalter. d. Aufdem 1545, nach langem Zögern und unter vielseitigem Druck, vor allem auch von Seilen des Kaisers, vom Papst einberufenen Konzil von Tricnt (15451563) ging es, neben notwendigen Refor men der Gegenwart, vor allem aber um Orientierung ftlr die Zukunft der gespalte nen Cluistenlieit. Dieses Konzil hatte erst mals fast schon Form und Verfaluensweise eines heutigen Konzils. e. Das Erste Vatikanum (1869/70), ,mach Form und Thema gleichsam ein Papstkonzil in Potenz"', mit welchem die kirchenrechtlich festgelegte Superiorität des Papstes über das Konzil auch faktisch erreicht wurde, hatte unter anderem, gegen beträchtlichen Widerstand eines Teiles der Konzilsväter, den Jurisdik tionsprimat des Papstes und seine „Unfehlbarkeit" defmiert (Pastor aeternus,27. 4. 1870). Es wurde am 20. Okto ber 1870 vom Papst auf unbestiimnte Zeit verlagt. Und doch, im Rückblick von heule, hat diese Kläning des Primates des Bischofs von Rom, trotz mancher damit verbundener Schwierigkeiten, mitgehol fen, „den Übergang von einer europäi schen Kirche zu einer Weltkirche" vorzu bereiten. Man war sich damals nicht bewußt, daß ein Übergewicht konziliarer Vorstellungen als alleiniger Garant der Einlieit in einer Weltkirche immer weni ger ausreichen werde. Man konnte sich andererseits aber auch zu wenig bewußt sein, daß die Definition des päpstlichen Primates allein - ohne Verbindimg mit dem Kollegium der Bischöfe - als Garant der Einlieit in einer Weltkirche, mitein gebunden in den Prozeß der einswerden den Welt - auf immer größere Schwie rigkeiten stoßen werde. So ist-unabhängig von Zeitumständen -die bleibende Bedeutung der Konzilien vor allem in ihrem steten Ringen um die Einheit des Glaubens zu sehen, um ange sichts möglicher Vielfalt in menschlicher, kultureller und historisch überlieferter Hinsicht die Botschaft des Evangeliums der jeweiligen Zeit verständlich zu ma chen. Aus einer solchen Sicht hat auch das Zweite Vatikanum(1962-65)seine beson dere Bedeutung fiir die Zukunft der Kir che: Die zur Weltkirche herangewachsene christliche Glaubensgemeinschaft hat die Defensivhaltung des 19. Jahrhunderts mit dem „Syllabus" überwunden. Sie hat sich dem Dialog geöffnet, wissend um „Freude imd Hoffnung,Trauer und Angst der Men schen von heute"(Gaudium et Spes, nr. 1 und 92)'. III. Die Päpste des Konzils: Johan nes XXIII. und Paul VI. Am 9. Oktober 1958 war Pius XU. ge storben. Das darauf folgende Konklave hatte zunächst keinen Favoriten. Erst all mählich bildete sich die Stimmeiuneluheit ftlr den gelernten Kirchenliistoriker und Patriarchen von Venedig, Angelo Roncalli, heraus. Ein größerer Gegensalz zu dessen Vorgänger Pius Xll. ließ sich kaum denken. Ein bekannter Würdenträger der rus sisch-orthodoxen Kirche, Nikodim, der Metropolit von Leningrad imd Nowgorod, der zu Lebzeiten Johaiuies XXIH. das kirchliche Außenamt des Moskauer Patri archates leitete und der in dieser Eigen schaft die treibende Kraft für die damals überraschende Aiuiähenmg zwischen der russisch-ortliodoxen und der katholischen Kirche war, hat 1978 eine umfassende Biographie dieses großen „Übergangs papstes" verfaßt. ,dDie ersten Fotografien des Neugewälilten zeigten einen wohlbe leibten Mann mit einem guten, freimdlichen Gesicht, einen Bauern seiner Her kunft nach", so besclireibt er ihn in seinem Vorwort, - „einen Mami, der überzeugt war,„daß die Kirche künftighin nur dami Erfolg haben würde, weim sie den Prinzipien der Liebe und Güte treu bleibe...". 'Die Welt bewegt sich' erklärte der damals bereits 77jährige Johaimes XXUl.- so berichtet Nikodim - und 'es ist notwendig, mit jugendlichem und ver trauensvollem Herzen den richtigen Zugang zu ilu"zu finden und nicht die Zeit mit Gegenüberstellungen zu verschwen den. Ich ziehe es vor, mit dem, der geht, Scluitt zu halten, statt mich abzusondern und es zuzulassen, daß man an mir vor beigeht.'- Manche glaubten vielleicht, er sei gutmütig und ohne besondere Begabung. Sie wurden schnell eines besseren belehrt. Johamies XXIH. durch schaute erstaunlich klarsichtig Wesen und Geisteshaltimg der jeweiligen Ge sprächspartner, er vermied lediglich nach Möglichkeit jede Selbstherrliclikeit, welche - nach seinen eigenen Worten - „die Walirheit in einer starren, äußerlichen Disziplin erstickt, die Aktivität heimnt, weitsichtige Meinungen nicht zuläßt und Unbeugsandceit mit Hals starrigkeit verwechselt". Eines seiner Re38

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