Beiträgezur Wiener Diözesangeschichte BEILAGE ZUM NNIENER DIOZESm BLNT 36. Jahrgang, Nr.3 Wien,1. Dezember 1995 Am 8. Dezember 1965. vor dreißig Jahren, beendete Papst Paul VI. das noch von seinem Vorgänger, Papst Johannes XXIII., einberufene Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) in feierlicher Weise auf dem Petersplatz in Rom. Diesem Jubiläum ist das vorliegende Heft der „Beiträge"gewidmet. In einem großen Überblick wird das Zweite Vatikanische Konzil, das von Papst Johannes XXIII. gleichsam als „neuer Osteiviotgen"der Kirche angekündigt wurde und von manchen Theologen in seiner Bedeutung in einem Atemzug mit dem „Apostelkonzil" genannt wird, in seinem Verlauf, seinen Dokumenten und Aussagen vorgestellt: dieser durchaus umfassende Abriß ist gleichsam als Handreichung ßir alle gedacht, die rasche und kompakte Information zu einem tatsächlich säkularen Ereignis suchen, das in Gegenwart - und Zukunft - das Leben der Kirche nachhaltig bestimmt und leitet. Dem nunmehr dreißigjähigen Weg der Erneuerung der Kirche in Osterreich im Geiste des Zweiten Vatikanums ist ein eigener Beitrag gewidmet. Ein knappes Streißichtführt schließlich zurück in die Erzdiözese Wien, unmittelbar vor der Eröffnung des Konzils. Das Zweite Vatikanische Konzil; Verlauf,Dokumente,Aussagen Von Annemarie Fcnzl Am Anfang standen Ungewißheit und Hofihung. - Der Präfekt der Glaubens kongregation, Joseph Ralzinger, damals tlieologisclier Berater des Kölner Kardi nals Frings, umsclireibt nach dem Ende der ersten Sitzungsperiode trelTend die Situation: „Wcim man zurückblickt und versucht, sich die Ereignisse der Reihe nach zu vergegenwärtigen, so muß man sagen: Am Anfang des Konziis stand ein gewisses Unbehagen,stand die Sorge,das Ganze möchte in eine Bestätigung vorge faßter Beschlüsse sich verkleinem und dadurch der notwendigen Erneuerung der Kirche melir schaden als nützen,indem es die HofTnimgen der vielen enttäuschte, sie mutlos machte, die Dynamik des Guten lälunte und all die vielen neuen Fragen, die die Zeit der Kirche stellte, wieder eiiunal melu"oder weniger beiseile schob. Und er setzt fort: ,JZweifellos, die Kommissionen hatten tüchtig gearbeitet. Aber ilir Fleiß hatte eigentlich etwas Bedrückendes an sich.70 Schemata waren aus der Vorbereitimgsarbeit herausge wachsen, die, wemi man sie zusaimnen gedruckt hätte, einen Folianten von über 2000 Seiten gefüllt mid so mehr als das Doppelte dessen dargestellt hätten, was alle bisherigen Konzilien der Kirchen geschichte zusammen hervorgebracht haben. Wie sollte man sich in diesem ungeheiuen Wust von Texten zurechtfin den? Wie sollte das Konzil daraus einen verständlichen und die Menschen von heute bewegenden Impuls herausdeslillieren? Mußte man nicht eher fürchten, das Konzil werde am Schluß eine Art Suj^rdogmatik verabschieden, die jeder weite ren Arbeit wie ein schwerer Mühlstein im Wege liegen würde? Dennoclr lag über der Ankunfl in Rom eine gewisse Hochstimmung, jenes geheinuiisvolle Gclülü des Anfangs,das den Menschen wie kaum ein anderes bewegt und beflügelt, gesteigert noch durch das Empfinden, Zeuge eines Ereignisses von großer geschichtlicher Tragweite zu sein. Die Vielfalt der Sprachen, die mehr noch als sonst die Stadl erfüllte, der Reichtum der Begegnungen, der sich anbahnte, die Erwartmig des Kommenden, das alles konnte einen Augenblick die geheime Sorge vergessen lassen, die man sozusa gen in seinem Reisegepäck mit zum Konzil getragen halte..."'. I. Der Tag der Eröffnung Der Tag der EröfTnung stärkte die Hoffnung. - „Die EröfTnungssitztmg des Konzils am 11. Oktober 1962 ließ an Eindnicksstärke alles hinter sich, was für den Konzilsgeschichtler erimierbar ist", so beschreibt es Otto Hennann Pesch in sei nem 1993 erschienenen lunfassenden Werk über das letzte Konzil: ,J2540 stimmberechtigte Mitglieder, in Bischofslracht aller Riten mit Milra bezie hungsweise der entsprechenden Kopfbe deckung,zogen in St, Peter ein"'. „Ich werdejenen 11. Oktober 1962 nie vergessen," so berichtet Kardinal König es noch Jaluzeluite danach inuner wieder: „Als damals relativ junger Erzbischof von Wien stieg ich inmitten von rund zweiein halbtausend Konzilsvätem über die Scala Regia hinunter zum Eingang der Peters kirche. Papst Johannes XXIU., der das Konzil einige Jahre zuvor angekündigt und einberufen hatte, wurde in die Pcterskirche hineingetragen imd stieg dann von seinem Tragsessel herunter, um in der Kirche zu Fuß bis zum Petrusgrab zu ge hen. Seine Eröffnungsansprache ist mir noch in lebhafter Erinnerung: Die Bi schöfe sollten sich nicht allein für das interessieren, was alt und vergangen sei, sondern, - und ich zitiere wörtlich: „freudig und furchtlos das verwirklichen, was die Gegenwart erfordert". Man solle dalier auch nicht immer auf die „Unglückspropheten" hören, die in unse rer Zeit nichts anderes zu sehen vennögen,als Unrecht mid Untergang. Das Hauptschiff der großen Peterskir che war mit den zu beiden Seiten aufgeInhalt: Das Zweite Vatikanische Konzil: Verlauf, Dokumente, Aussagen 30 Jahre Mitarbeit an einer konzilsgemäßen Erneuerung der Kirche Dem Konzil entgegen 37
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