Auch diese Änderungen wurden von P. Parsch begründet. Er verglich die Liturgie mit einem ,Jieiligem Spiel". In dieser „Spielanleitimg" finden sich bereits kon krete Fordenmgen an die Arclütektur, es werden die Architekten persönlich ange sprochen, „Ist die Liturgie ein heiliges Spiel aller Gläubigen, dann obliegen dem Seeleorger und Architekten wieder neue Aufgaben. DerPfarrer muß sein Volkßlr diese Rolle erziehen.( .) Unser christliches Volk muß erst zur aktiven Teilnahme erzogen werden. Es muß eine Sängerschola gebil det werden, die den liturgischen Gesang versieht; der hetitige Kirchenchor ist ßir diese Aufgabe meist nicht zu gebrauchen. Dann werden aber auch gewisse Umstel lungen notwendig sein. Die Sänger wer den von ihrer Empore herabsteigen und vor den Altar treten müssen; sie sind in diesem heiligen Spiel die ausgezeichneten Mitspieler. Sie haben die Aufgabe, das Volk im Gesang anzuführen. Der bishe rige Sängerchor will nur hohe Kunst pßegen, er will das Volk nicht mitsingen lassen. Die neue Schola,(......), wird dieses Ehrenamt vor dem Altar mit Würde aus üben. Die nächste Folge wird sein, daß die Orgel von der Empore herab zum Altar wandern muß. Auch die Wortverkilndigung wird mit dem heiligen Opfer verbunden werden. Die Predigt hat sich im Latifder Zeit vom Altar immer mehr entfenit. Sie ist aber doch ein Teil der Meßlitingie. Erst wurde sie von der Kathedra des Bischofs gehal ten, später kam der Ambo an die Kanzel len des Altares, endlich witrde die Kanzel im Kirchenschiff, meist hoch oben, errichtet. Nun kehrt die neue Kirchen kunst wieder zum Ambo zurück, der mit dem Altar verbunden ist; oft errichtet sie sogarzwei Ambonen,für die Lesung oder den Lektor undßir diePredigt. So muß also dem Gemeinderaum der Kirche eine ganz neue Beachtung ge schenkt und er muß in enge Verbindung mitdem Altargebracht werden. Und nun noch ein Letztes. Wie derLeib verschiedene Glieder hat und diese auch am Leib harmonisch angeordnet sind, so soll auch der Kirchenraum ßlr die Gläu bigen eine entsprechende Gliederung aufweisen. Ich werde (. .) zeigen, wie die alte Kirche die Stände stufenweise im Gotteshaus eingeteilt hat. Da ist das Atrium der Ort der Katechumenen und Büßer, der Gläubigenmum ßir die Voll christen, derPriesterraumßir den Klerus; in der Mitte zwischen beiden der Opfer raum; vor dem Altar der Raum für Sän ger. Am Eingang war die Taufkapelle. Im Atrium steht das Weihwasserbecken; da können auch die Beichtstühle stehen. Im Schiffder Kirche sind Stühleßir Männer, ßir Frauen. Eigene Kinderbänke sollten vorne sein. Der Klerus hat seinen Platz hinter dem Altar. Der Altar aber ist die Mitte als der Mittel- und Höhepunkt des ganzen Raumes. Wir sehen, die liturgische Besinnung zieht eine ganze Umwälzung der Kirchen kunst, sowohl des Baues als auch der Inneneinrichttmg nach sich "2". Nun galt es. Formen zu fmden,die der liturgischen Bewegung und ihren Vorstel lungen entsprachen. Auf welcher Grat wanderung sich die Architekten hier befanden, zeigt die einzige Vorschrift des damals gültigen Codex des Kanonischen Rechtes", die sich aufdie moderne Archi tektur bezog; Sie forderte, daß „bei der Errichtung oder Wiederherstellung von Kirchen die aus der christlichen Tradition überkommenen Formen beobachtet wer den". Nach dem Verständnis der liturgischen Bewegung galt, daß die Liturgie den Bau bestimmt. Auf den ersten Blick kein Widersprach. Nimmt man jedoch das neue Verständnis der Liturgie mit der oben angeführten Akzentverschiebung und überlegt,daß die „aus der kirchlichen Tra dition überkommenen Formen" aufeinem anderen Liturgieverständnis beruhten, zeigt sich, welches Spannungsverhältnis auf Lösung durch den Architekten war tete. Eines der Grunderfordemisse an den Architekten war und ist daher nicht nur, daß er weiß, wie die Maße einer Kirchen bank auszusehen haben um darin bequem sitzen zu können,daß er weiß,auf welche Art er eine Stütze schlanker machen oder venneiden kann, d.h. daß er die techni schen Notwendigkeiten kennt, sondern auch, daß er das liturgische Handeln in der Kirche genau kennt und erlebt hat, besser noch, daß er die Hintergründe und die Fundamente, auf denen die ,üieue" Liturgie aufbaut, kennt. Dieses Wissen, diese Erfahrung kann er dann in Form umsetzen, eingeengt durch diverse Vor schriften". 1936 wurde Architekt Kramreiter,nach einem Architekturwettbewerb, mit der Aufgabe des Neubaus der Pfarrkirche Floridsdorfbetraut. Nun war die Möglichkeit gekommen,in einem Neubau einer Groß stadtkirche die Ideen von Pius Parsch zu verwirklichen". 4. PfarrkircheFloridsdoif Robert Kramreiter(1905-65)errichtete von 1936 bis 1938 die Floridsdorfer Pfarrkirche,die dem Hl, Josefgeweiht ist. Wie hat er nun diese Ideen bzw. Forde rungen umgesetzt? Der Architekt wählte das System der stützenlosen Basilika, der Längsträgerkir che, die Hans Hericommer" als einer der führenden Kirchenarchitekten in Deutsch land um 1930 entwickelt hatte. So ent sprach er dem Grandsatz, daß der Altar Mittelpunkt des Geschehens zu sein hat, d.h.(funktional gesehen) von jedem Platz in der Kirche einsichtig sein sollte. Die^ Längsträger übemalimen nun die Aufga ben der Stützen (Säulen/Pfeiler) und der die Stützen überspannenden Bögen. Die stützenfreie Anbindung der Seitenschiffe, ennöglicht durch den Längsträger, bringt die sieht- und fühlbare Einheit von Altar raum, Hauptschiff und Seitenschiffen. Dieser allgemein guten Sichtbarkeit, aber auch der Idee „Schauspiel = Bühne", ist der um sieben Stufen angehobene Altarraum zuzuordnen. Ein angenehmer, kostensparender NebenefTekt war,daß die Unterkirche nicht in den Bereich des Grundwassers kam. Den damaligen Vorschriften entspre chend, war eine Aufstellung des Altares versus populum nicht möglich. Es wurde der Altar an der Altarwand angebaut, um aber „Opfer-prozessionen" um den Altar durchführen zu können",plante der Archi tekt einen Umgang, begehbar durch zwei, links und rechts vom Altar in die Altar wand eingeschnitten liegende Torbögen. Ganz nach den Forderungen von Parsch ist die Orgel von dem bisher dafür üblichen Aufstellungsort, der Empore über dem Haupteingang", in den Altar raum vorgewandert, vis-ä-vis von dem Platz, der für die Schola vorgesehen war. Der Platz der Schola, auf der Evangelien seite in Verlängerung des Seitenschiffes, auf gleicher Höhe des Altares gelegen, war sowohl von der Orgel, als auch vom Altar und vom Volk gut einsichtig. Der heutige Zustand ist aufeinen 1985 durch geführten Umbau zurückzuführen. Dieser Umbau hatte auch zur Folge, daß die Lichtwirkung drastisch verändert wurde. Die von Parech geforderte „Steigerung des Lichtes zum Altarraum"'^ ist zumin dest für dieses SeitenschifT nicht mehr vorhanden. Die Belichtung des Altarraumes erfolgt nach den Vorstellungen von Parsch. Das Licht,ßutet durch besonders große (......) Fenster", und zwar so, daß „der direkte Lichteinfallfür die Gläubigen nicht sicht bar und die Lichtwirkung im Raum sehr stimmungsvoll ist"^'. Der Fordenmg Parschs nach einem nur der Liturgie gewidmeten Raum konnte Kramreiter, aus welchen Gründen immer, nicht nachkommen. Er faßte aber die ,J4ebenräume" der Kirche, bzw. die der individuellen Frömmigkeit und den be sonderen Bedürfnissen der Seelsorge gewidmeten Orte,im rechten Seitenschiff zusammen und nahm sie dadurch ein wenig aus dem ,J..iturgieraum" heraus. Hier finden sich die „eingebauten" Beichtstühle, der Marienaltar, die Ge brauchseingänge und die Taufkapelle. Auch die Taufkapelle zeigt, wie Kram reiter die Ideen von Parsch, dort wo es möglich war,verwirklicht hat. Die Taufkapelle kann durch einen Ne beneingang betreten werden, ohne daß „der ungetauße Christ den heiligen Raum betritt. Von der Taufkapelle besteht eine direkte Verbindung mit dem Kirchenraum (der getaufte Christ wird nach der Taufe unmittelbar in die Kirche geführt) Die weiteren Ausführungen von Pius Parsch bez. Taufkapelle werden ebenfalls 1;1 von Kramreiter in Floridsdorf umgesetzt; ,f)ie Taufkapelle ist im Sinn eines Baptisteriums ausgebaut,formal besonders betont und schön ausgestattet. Der Taufbnmnen selbst liegt in diesem um einige Stufen vertiefl"^". Nicht unmittelbar mit der Liturgie zu sammenhängend, aber doch der christo zentrischen Idee entspringend, ktlmmert sich Parsch auch um das äußere Erschei nungsbild des Sakralbaus. Hier gehen seine Vorstellungen allerdings nicht soweit ins Detail wie bei den Forderungen 35
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