Liturgie und Kirchenbau Pius Parsch und Robert Kramreitcr: Pioniere des neuen Kirchenbaus, dai^estelit am Beispiel der FJoridsdorfer Pfarrkirche. Von Johannes Kraus 1. „Vater-Unser-Garage" „Vater-Unser-Garage" ist ein, zumin dest in Wien, recht tekannter Ausdruck. Mit diesem „Titel" benannte der Volks mund die ersten im „style fonclionell" erbauten Kirchen. In einem 1957 erschienenen Aufsatz von Professor Rudolf Bachleitner", in dem die Floridsdcrfer Kirche als BeisjDiel angefilhrt ist, wird neben dem Ausdruck „garages a priere" auch der Vorwurf aus der Bevölkerung zitiert, daß ,J<Circhen nicht mehr Gebäude, sondern vielmehr beinahe technische Konstruktionen seien, daß Beton die Form diktiere". Nach Fertigstellung des Baus 1938 wurde die Floridsdorfer Kirche von der nalionalsozialisischen Propaganda unter „entartete Kunst" geftlhrt'. Ein anonymer Kritiker sandle gegen Ende der Baufiihrung der Pfarre folgende Zeilen; „Dürfte ein Bahnhofsein.(Große Einfahrtshalie, erst durch die Kreuze auf merksam geworden, daß eine Kirche gemeint ist.) Fassade für ein Portal zu groß,(protzig) Zweck derFassade unklar, was sie bedeutet. Erinnert an ein Feuerwehriibungs(turm)geröst.-Unmotivierte Phrase.(Ausgebranntes Warenhaus? - Ausstellungshalle? -Fabrik? (erinnert an die Cementfabrik in Kaltenleulgeben).) Was führt zu solchen Urteilen? Was hat sich am Kirchenbau geändert? Um das nachvollziehen zu können, bzw. die diesem Sakralbau innewohnen den Gedanken oder Ideen zu verstehen, ist es für den Besucher notwendig, 1. die Praxis der Liturgie und auch die geistige Dimension zu verstehen'. 2. die Geschichte des Stils zu kennen. 3. stilgeschichtliche Aspekte zu erken nen. Wie der Titel schon zeigt, werde ich hier nur auf den ersten Aspekt genauer eingehen. Bezüglich der beiden anderen Aspekte, die für das tiefere Verständnis des formalen Erscheinungsbildes der Kirche wichtig sind, sei hier nur soviel angemerkt, daß Kramreiter zwar aus dem Inventar der bekannten Formen schöpfte, aber neue Prinzipien der Kombination der Elemente entwickelte hat. 2. Das„Neue"in derLiturgie Die geistige Grundlage für das neue Anfordeningsprofil an die Architektur, nicht nur bezüglich der Grundrißlösung, Hegt in der „liturgischen Bewegung", Einer der Trflger dieser Bewegung im deutschen Sprachraum war Pius Parsch. 1934, beim 25-Jahr-Jubiläum der österreichischen Gesellschaft ftlr christ liche Kunst, konnte Kardinal Innitzer, Erzbischof von Wien, proklamieren; „Die Zeit der historischen Stile ist endgültig vorbei. Das Erwachen und die Entwick lung der liturgischen Bewegung, so intensiv gefördert von Canonikus Pius Parsch von Klostemeuburg, hatte zum Ergebnis, den postoralen Etfordemissen eine neue Richtung und den Architekten und Künstlent einen frischen geistigen Impulszu geben Dies war eine bedeutende Anerken nimg der Arbeit von Pius Parsch, lange bevor das n. Vatikanische Konzil die Impulse und Ideen der „biblisch-liturgischen-Emeuenmg" umsetzte und ver bindlich machte -in manchen Teilen auch weiter ausbaute, bzw. leicht veränderte. Es ist aber auch ein Hinweis darauf, daß die Repräsentanten der kath, Kirche die Wende von den historischen Bauweisen' zu einem neuen Kunstwollen vollzogen hatten'. Die „Volksliturgische Bewegung", so erklärte Parsch, betrachte die Liturgie vom Standpunkt des Laien aus und stu diere seine Rolle im Gottesdienst. Sie komme auf diesem Wege zu dem „überragenden Grundsatz der aktiven Teilnahme" und suche nach Möglichkeit, das Volk in die Liturgiefeier einzubeziehen'. 1950 hielt er vor der Versammlung des ersten deutschen liturgischen Kon gresses in Frankfurt am Main einen Vor trag, in dem er die Ziele seiner Lebensar beit nannte. Eines davon;,f)em einfachen Volke den Kult der Kirche nahebringen und ihm besonders die aktive Teilnahme an der Liturgie möglich machen Dieser Zielsetzimg ging er auf verschiedenen Wegen nach. Es seien hier nur ein paar Beispiele herausgegrifTen. Er leitete eine "Volksbibelbewegung" ein; er hielt Bibelstunden; er gründete die liturgische Gemeinde St. Gertrud in Klostemeuburg, in der er die Theorie in die Praxis um setzte, und befaßte sich schließlich mit der Umgebung, der baulichen Umgebung, der Liturgie, überlegte, welche baulichen Voraussetzungen für eine christliche Ge meinde notwendig sind. Im gemeinsam mit Robert Kramreiter verfaßten Buch" entwickelte Parsch seine Visionen zu den Ideen der liturgischen Emeuerungsbewegung,zum Teil mit explizit ausgedrückten Forderungen an Architekten. Seine Ideen reichten von einer "Idealanlage einer liturgischen Gottcssiedlung" über die Vorstellung eines "christozentrischen Langbaus",eines "liturgischen Rundbaus" und Ideen für Notkirchen bis hin zu Kir chenvergrößerungen". Allen angefülirten Ideen ist aber eines gemeinsam; Der Altar ist der Angelpunkt des Geschehens! Die Gläubigen und der Priester bilden eine Einlieft um den Altar - eine Kurzfassung der Christozentrischen Idee. Das war eine bedeutende Akzentver schiebung und daraus ergaben sich sowohl für die Liturgie als auch für die Architek tur ganz neue Anforderungen, Anforde rungen, die im Mittelalter zugunsten anderer Ideen aufgegeben bzw. in ihrer Wertigkeit umgedreht wurden. Im Laufe der Kirchengeschichte gelangten immer mehr periphere Seiten in den Vorder grund. P. Parsch schrieb dazu; Erst Tabernakel, dann Kommunionbank und zuletzt Altar; die alte Kirche reihte umge kehrt: erst Altar, dann Speise und zum Schluß Außjewahrung und Anbetung"'\ Pius Parsch forderte; - Der Messe wieder ihre zentrale StelImig im Kultus und im Frömmigkeitsleben zu geben, sie wieder zum Gemein schaftsopfer zu machen. („Die Vormesse wird wieder Wortgottesdienst werden. Die vielen Privatmessen zu gleicher Zeit werden wieder einer großen Gemein schaftsmesse weichen, bei der die Priester einer Kirche konzelebrieren dürfen"'^. - Die Kommunion ziu Opferspeise ma chen.(Die von Pius X, entfachte eucharistische Bewegung ,Jiatte die Kommimion noch zu sehr losgelöst vom Hl. Opfer betrachtet,,."", es wird außerhalb des Messe kommuniziert). - der eucharistische Kult möge ersetzt werden durch tätige Nächstenliebe imd gleichzeitige eschatologische Ausrichtung der Frömmigkeit", Aus diesen Punkten ergaben sich nun die Anforderungen für den Architekten. 3. Forderungen an die Architektur Das Zentrum jeder gläubigen Ge meinde ist die Kirche. Das ist der Ort, wo sich die Christen versammeln, Messe feiern, Sakramente empfangen. Nun ist Kirche nicht nur Gebäude sondern auch Symbol. „Sie stellt die mystische Verbin dung Christi mit seiner Kirche dar"". Damit ist Christus das Zentrum der Kir che, der beherrschende Mittelpunkt. Da Christus im Meßopfer gegenwärtig ist, ergibt sich zwangsläufig, daß der Altar (als Opferaltar, nicht als Bildwand und Aufbau) der Mittelpunkt" der Kirche (Kirche hier nicht nur als Gebäude, sondern auch als Gemeinschaft der Gläu bigen verstanden) ist. Da nun die Ge meinschaft der Gläubigen auf Christus hingeordnet ist, verlangte P, Parsch, daß ,ßer Altar von seiner Vereinsamung an der Apsiswand in die Kirche gerückt werde. DerAltarsoll dem Volke zugekehrt sein, d.h. der Priester soll dem Volk nicht den Rücken kehren, sondern ihm zuge wandt das Opfer feiem^^. Das verlangt aktive Teilnahme des Volkes an der Messe"'^. Alles „störende Beiwerk" wie z.B. Nebenaltäre (sie werden nicht mehr gebraucht, da keine Privatmessen mehr gelesen werden sollen) oder Andachtsbil der, die vom eigentlichen Geschehen ablenken, werden aus der Kirche ver bannt. Die „aktive Teilnahme" am Meßge schehen verlangt aber auch weitere organisatorische Veränderungen im Kir chenbau,die sich im Erscheinimgsbild des Innenraumes wiederspiegeln. 34
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