Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

tigkeitsschwerpunkte des Erzbischöf lichen Bauamtes vorstellen. Das Gebiet der Erzdiözese Wien um faßt die Bimdeshauptstadt Wien und den östlichen Teil Niederösterreichs. In der größten Längenerstreckung mißt die Erzdiözese Wien vom nordwestlichen bis zum südöstlichen Ende ca. 120 km. Vor allem die zentrale - aber leider ver kehrsintensive - Lage der Bundeshaupt stadt Wien macht eine territoriale Aufteilung nach Betreuungsgebieten unumgänglich. Acht technische Außendicnstmilarbeiter (Baureferenten) betreuen in ihren Ge bieten sämtliche pfarrliche und diözesane Bauten. Zu unserer Unterstützung steht ims ein Sekretariat, eine Buclüialtimgsabteilung und ein technischer Innendienst zur Ver fügung. Die Buchhaltungsabteilung betreut die Bauabrechnung,da wir - nebst dem technischen Einsatz - nach wie vor die finanzielle Genelunigung und Abwicklimg fast sämtlicher Bauvorhaben in der Erzdiözese Wien durchführen. Der technische Innendienst befaßt sich haupt sächlich mit Bestandsaufnahmen der großteils historischen Objekte, mit Stu dien,sowie mit kleineren Bauplänen. Wenn man die verfügbaren Personal ressourcen mit Dienststellen älmlicher Aufgabenstellung im öffentlichen Dienst vergleicht, sieht man, daß der Personal stand des Erzbischöflichen Bauanites sehr sparsam ausgelegt ist. Dazu muß man berücksichtigen, daß die Eigentümer- (imd somit die Entscheidungsstruktur) bei der Meluzahl der kirchlichen Bauten über die Pfarren organisiert ist: Die Pfarren sind in aller Regel die Eigentümer ihrer Bauten und der Pfarrgemeinderat ist für die Baulasttragung verantwortlich. Die Funktion der diözesanen Dienststelle ist eine(vorwiegend)subsidiäre. Für das Erzbischöfiiche Bauamt bedeu tet dies, Tätigkeitsschwerpunkte zu setzen: - Erstellung der Finanzierungspläne für Bauvorhaben - Behördengenehmigungen - Ausschreibung und Werkverträge (Aufträge) - Erstellung der technischen Konzepte und Kontrolle derselben Die Pfarren setzen ilme Tätigkeits schwerpunkte - neben der gnmdsätzlichen Willensbildung bei Bauvorhaben - bei der Mithilfe für die Offerteinholung, bei wei ten Teilen der Bauaufsicht, sowie auch bei der Abrechnung kleinerer Bauten. In der jeweils richtigen Aufgabenleilimg lie gen auch viele gnmdsätzJiche Probleme, welche sich zusammenfassend mit der Frage cliarakterisieren lassen: Wo endet die Eigentümerverantwortimg und wo beginnt die Subsidiarität? In meiner Amtszeit wurde über dieses Thema viel diskutiert, es wurden auch ei nige Schriftsätze darüber verfaßt. Gelöst hat diese Probleme jedoch nur die Praxis: Überall dort, wo sich eine engagierte Pfarrgemeinde gefunden hat, das Baupro blem anzupacken, war die Durchführung erfolgreich, und das Ergebnis befriedi gend. Es ist mir bewußt, daß nicht jede Pfarre über einen ,3au"-Pfairgemeinderat verfügt. Es ist dann klar, daß auch einer Pfarre geholfen werden muß, wo die entsprechenden Fachkräfte fehlen. Ande rerseits muß schließlich auch bedacht werden, daß das Bauamt der Erzdiözese Wien - gemessen an den Aufgaben - klein ist, und die Kräfte gut einteilen muß. Selu oft haben wir an den Anfang fi nanzieller Überlegungen die Klärung der Frage gestellt: Ist sich die Pfarrgemeinde in ihrer großen Melirheit einig, dieses oder jenes Bauvorhaben in Angriff zu nehmen? Nicht selten habe ich einem Pfarrer, der seine Kirche schon längst renovieren lassen wollte, geraten, das Projekt zunächst einmal aufzuschieben und die Mehrheit der aktiven Katholiken für sein Projektzu gewinnen. Hinter Bau- und Baufinanzierungsproblcmen stecken in der Regel noch viel weitergehende Struktur-Fragen. In zwei Kirchenbauwellen, jeweils zu Ende des 18. und des 19. Jahrhunderts, wurde zuerst am flachen Land, zuletzt in der Stadt Wien eine große Zahl Kirchen zwecks seelsorglicher Betreuung errichtet. Heule - wo die verschiedensten Kultur träger der Kirche den Rang ablaufen, und sich auch die geographischen Schwer punkte der Siedlungsstruktur verlagert haben - stehen die bemerkenswerten Zeugen der Geschichte zwar heißgeliebt, aber nicht optimal genutzt, inmitten von entvölkerten Orten des Weinviertels oder Bezirksteilen Wiens mit vorwiegender Büronutzung. Die Bevölkenmg ist inzwischen in die Neusiedlungsgebiete an den Stadträndern umgesiedelt, wo wir - bona fide und mit dem gleichen Eifer wie damals- neue Kir chen errichten. Wir müssen sie auch er richten, denn unsere Aufgabe ist die Ver kündigung des Wortes Gottes unter den Menschen. Und dazu muß die Kirche dort stehen, wo die Menschen gerade wohnen. Die Erhaltung der alten, historischen Kir chen macht zunehmend Schwierigkeiten. Die Zalil der Bevölkenmg nimmt ab, und oft ist - bei allem Bemühen - ist ein wesentlicher Beitrag zur Erhaltung realistischerweise von den Leuten nicht zu erwarten. Die öffentlichen Subven tionsgeber „finanzieren" ilir Sparpaket mit Mitteln, wo sie glauben, sie am leichte sten erübrigen zu können: nämlich vom Budgetbereich Denkmalschulz und Denk malpflege. Übrig bleibt nur die diözesane Finanzquelle. Ich glaube, deren Situation mit einer kurzen Berechmmg erklären zu können. Die jährlichen Rechenschaftsberichte über den Kirchenbeitrag weisen eine ,3iläü2suimne" von etwas über öS 1.000.000.000," aus. Das Baubudget be trägt - je nach Finanzlage - ca. öS 150.000.000,"bis öS 200.000.000,- Alle anderen Kosten betreffen Zu schüsse an die Pfarren, Besoldungen und Gehälter. Es wird ziemlich plausibel sein, daß die Gehaltszahlungen laufend sind, und daher als mehr oder weniger kon stante Fixkosten zu betrachten sind. Das heißt, Schwankungen im Diözesanbudget wirken sich - zumindest kurzfristig - fast ausschließlich im Baubereich aus. Kalkuliert man eine -auf den ersten Blick gar nicht so horrende- Schwankung im gesamten Diözesanbudget in der Höhe von 5%,so errechnen sich diese Schwan kungen in absoluten Zahlen, zu öS 50.000.000,-. Wenn man diesen Betrag mit einem Durchschnittswert des Baubudgets von öS 175.000.000,— vergleicht, wird man ver stehen, daß der kirchliche Bauamtsleiter die Entwicklung der Kirchenbeitragsein gänge sehr sorgenvoll beobachtet. Ein letztes Problem, das uns aus schließlich in seiner Quantität zu schaffen macht, ist das Phänomen „Verrechtlichung" des Bauens. Grundsätzlich zu begrüßen ist es, wenn jeder Handgriff vorher in einem Leistungsverzeichnis niedergeschrieben wird, über jeden Vorgang am Bau Protokoll geführt wird, und auch Pfaixangehörigen, sowie Sub ventionsgeber ein Maximum an schrift licher Information und Dokumentation gegeben werden kann. Die Kehrseite liegt allerdings darin, daß die überall schwin denden Kräfte auch im Bereich Baumana gement zu Lasten des kirchlichen Bauamtes gehen. Nicht nur die knappen Finanzmittel, und die tendenziell sir^enden aktiven Mitarbeiter in den Pfarren, sondern auch die Beschränkung der Ta geslänge auf24 Stunden machen dem Ta tendrang jedes Bauamtsmitarbeiters, und dessen Leiter,zu schaffen. Nun wird man den Schreiber dieser Zeilen, der höchst ungern über Probleme schreibt,fragen, wie soll das weitergehen? Was wird die Zukunft bringen? Ich glaube, daß man die Lösung von Bauproblemen viel mehr aufteilen wird müssen; Die Kräfte der Pfarren müssen verstärkt eingebimden werden, die Willensbildung für Bauvorhaben, welche über die reine Substanzerhaltung hin ausgehen, muß in den Pfarren auch auf viel breiterer Basis stehen. Die Kirche insgesamt wird aber auch früher oder spä ter nur jene Gebäude erhalten können, welche auch genutzt werden. Ich vermute, daß man - unter aller Beachtung kultureller Verantwortung - das eine oder andere Gebäude aus der Hand wird geben müssen, wenn die lebendigen Steine fehlen und es nicht mehr stützen können. Dipl. Ing. Franz Ehrlich war von 1988 bis 1995 Leiter des erzbischöflichen Bauamtes. 33

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