Wie viele Gespräche mit sachkimdigen, die Lage von Kirche und Welt ebenso umfassend sehenden Beratern wird es wohl zum Reifen eines solchen unge wöhnlichen Entschlusses gebraucht ha ben? Wieviel Ringen und Drängen, wie viel Zaudern und Zögern, wieviel Hoffen und Bangen mögen sich in seinem, die Kirche seiner Heimatstadt und die ganze Diözese liebenden Herz bis zur kaum aushaltbaren Spannung vollzogen haben? An in diesem Zusammenhang ent spannte Gesichtszüge kann ich mich erinnern, als am 15. Juni 1972 ein von Genugtuung erfüllter Baubischof, umge ben von Architekt und Journalisten anläß lich einer offiziellen Präsentation,die zum größten Teil init den Mitteln aus der Aufbauanleihe errichtete Kirche ,Aüin heiligen Kreuz" in der Großfeldsiedlung im 21. Wiener Bezirk besucht hat. Rückblickend erst erkeime ich, wie wenig Erzbischof-Koadjutor Dr. Franz Jachym ein „Bau-Bischof, wie sehr er, dem Diözesanbischof stets zu Diensten, diözesaner ,3au-Meister" war. Denn das bewußte „Gewährenlassen" des Ordina rius ließ den Koadjutor pastoralc Visionen in die WirkHclikeit gebauter Objekte - wenn es nach seinem Willen gegangen ist - zeitgerecht umsetzen und überdies in folge der Kirchlichen Aufbauanleihe kostengünstiger finanzieren. Die Keimtnis von baulichen Vorhaben der zuständigen Stellen des Magistrats der Stadt Wien war schwer erfahrbar. Eine manchmal im kleinen Kreis humorvoll geschilderte Begebenheit soll dies unter streichen: Ein Pfarrer aus Simmering meldete anläßlich einer Vorsprache, daß in einer alte Ortskeme verbindenden Straße große Kanalrohre verlegt werden. Ein Signal für den Bischof. Hier schien sich eine für die Kirche von Wien noch nicht erkennbare städtebauliche Entwick lung, im Wiener Rathaus geplant, anzu bahnen. Leider gab es keine partnerschaftliche Kooperation zwischen Kirchenführung in Wien und Wiener Rathaus. Um also in solchen - wie der geschilderten -, von Üterraschung gekennzeichneten Situatio nen, die sich für kirchliche Planung und bauliche DurchfÜhnmg immer zum Nach teil ausgewirkt haben, einigermaßen richtig reagieren und, von soziologischen Grundlagen her gesehen, situationsgerecht agieren zu können, hat Koadjutor Dr. Jachym sich die Erkenntnisse der Sozial wissenschaften zu eigen gemacht, sie kirchlich adaptiert und als „Institut ftir kirchliche Sozialforschung"schon Anfang der fünfziger Jahre etabliert. Umfassende Studien, zumeist soziologischer Art, wie auch pastoralc Handreichungen und das jeweilige kirchliche Bauvorhaben näher analysierende Dossiers waren und sind die für pastoralc Planung bedeutsamen Werke dieses Institutes, dessen Gründer in Österreich der Wiener Koadjutor war. Diese beiden, auf seine Initiative zu rückgehenden, Institutionen der soziologi schen Empirie und keineswegs finanziel len Utopie vervollständigten das admitustralive Instrumentarium von Amt, Rat und Gremien. Erst damit waren durch des Erzbischofs umfassenden Überblick, weise Voraussicht und überlegenen Füh rungsstil alle jene Grundlagen und Hilfen geschaffen worden, den noch zu keiner Zeit der Kirche von Wien so enorm gro ßen Bauaufwand als pastorale Voraussetziuig für das Leben und Wirken der Kir che von Wien zu bewältigen. Kirchenneubau und Kirchenrenovierung, also kirchliche Bauen, könnte bei Pfarrern mehr als beim Bauamt der Diözese zum persönlichen Hobby, zum Verdrängen pastoralen Ungenügens oder gar zur Ersatzhandlung statt seelsorg lichem Tun werden. Daß Kirchenbau, dargestellt an seiner eigenen Pfarrkirche St. Erhard in Wien-Mauer, zum pastora len Programm werden kaim, hat Pfarrer Monsignore Franz Gessl in seinem Werk ,JCirchenneubau - Gemeindeneubau" (Wien 1946)beschrieben. Arbeitslast und Feslfeier - Kirchenbau als Teil bischöflichen Lebensinhalts Wie das Erbauen von Kirchen und kirchlichen Gebäuden auch zum bischöf lichen Lebensvollzug werden kann, möchte ich hier am Beispiel des Wiener Koadjutors darstellen: Wenn die Reihe schon offener Rech nungen aus Gnmderwerb, Planung, Bauslelleneinrichtung und wegen Ersparnis gründen vorzunehmender Akontierungen genug groß geworden war, hat sich na mens des Bauherrn der Koadjutor um das sogenannte „Grunddekrel" bemüht. In diesem, an die Kirche- oder Pfanrgemeinde gerichteten Schreiben hat er in historischer Gründlichkeit und sachlicher Akribie alle Kriterien und Faktoren zu sammengefaßt, die just dieses Vorhaben veranlassen: In vielen Fällen eine nicht mehr verwendbare Notkirche oder Kir chenbaracke, /tumeist errichtet von dem legendären Prälaten Gorbach*, oder aber ein neu erbauter Stadtteil, oder das Ungenügen des bisherigen Raumes werden darin als auslösendes Moment hingestellt, Planung und deren Begründung darge stellt, der besprochene Kirchentitel festge legt und der vorgesehene Finanzierungs plan ausgewiesen. Die Umsicht der je weiligen Baufirma und das örtliche Bemülien von Pfarrer und Gemeinde sollten so ausfallen, daß dieses wie jedes Bau vorhaben „rasch, solid und sparsam" durchgeführt werden sollte. Dieses stets nach einem korrigierten Konzept schließ lich in allen Ausdrücken und Satzzeichen makellose Original hat auf beiden Seiten Folgen: Beim „Baubischof ist es ein aktenkundiges Startzeichen des Baube ginnes; bei der Kirchen- oder Pfarrge meinde hat es Sicherheit nach immer langwierigen Verhandlungen imd Freude ausgelöst. Ich schätze, daß der in unserer Diözese für den Kirchenbau verantwort liche Bischofan die 150 Gnmddekrete,50 davon ftlr die Stadt und nmd 100(von den melir als 150 neuerbauten Objekten) für den Anteil in Niederösterrcich, unterfer tigt haben dürfte. Was das Grunddekret für Administra tion und Archivierung bedeutet, das ist die Grundsteinlegung als Fest auf der Baustelle. Immer wieder hat der Koadju tor für dieses oder aber auch für den Schlußpunkt, die Kirchweihe, angeregt: ,J^ragen S' doch Seine Eminenz,ob nicht der Herr Kardinal selber diese Feier halten möchte." An diesem Satz soll einmal mehr auf die große Loyalität des Koadjutors hingewiesen werden, der sich als Mitarbeiter des Diözesanbischof stets verstanden hat. Gleichgültig, welcher Bischof die Grundsteinlegung vorgenom men hatte, immer wieder war in den „lapis primarius" die kunstvoll geschrie bene Urkunde mit zeitentsprechenden Beigaben, verschlossen in einer Kupfer kapsel, einzumauern. Das manchmal schwierige Umschreiten des Fundaments und das Besprengen mit Weihwasser wollte nach altem Phänotyp die ,Inbesitz nahme des Fleckens für den unaussprech lich großen Gott" darstellen. Wachsen und Werden des Bauwerkes wurde an Ort und Stelle ebenso begleitet wie im Bauamt und vom ,3aübischof. Mehrmalige Besuche als Lokalaugen schein sollten den ,dIohen Herrn" vom Stephansplatz bei Baufirma, Maurern und Handwerkern sowie bei Gemeinde und Pfarrer als umsichtigen und sorgenvollen Bauherrn ausweisen. So konnten Pro bleme direkt besprochen und Pannen zu meist verhindert werden. Immer wieder habe ich bei Ausfahrten zu sogenannten ,JFunktionen", d. s. kirchliche Feste einer Gemeinde mit dem Bischof, bewundert, mit welcher Genauigkeit und Kombina tionsgabe der Bischof die laufenden Bau stellen in ihrer geographischen Lage und örtlichen Entwicklung gegenwärtig hatte, so daß bei manchen seiner überraschen den Besuche örtliche Augenzeugen sogar fehlten. Ich karm mich des Eindrucks nicht ganz erwehren, daß der Herr Erzbischof Weihe (Konsekration) oder Segnung (Benediktion) von Kirchen oder Kapellen überaus gern vorgenommen hat. Der bei einer solchen liturgischen Handlung frü her schwierige Ritus (ich möchte es hier nennen dürfen: voll von unverständlichen Handlungen und liturgischen Vorschrif ten) war meinen Vorgängern vorbehalten. Ich durfte schon nachkonziliar, bei verein fachten und leichter durchschaubaren zeichenliaften Handlungen assistieren!. Dabei gab es immer wieder beim Bischof Freude auslösendes Tun: das Pochen mit dem Stab an die Tür; das Salben der 12 Apostelkreuze an der Wand; das Ein schreiben des griechischen wie lateini schen Alphabets in den Sand; das Über tragen von (zu meiner Zeit nur mehr - verbürgt echten) Reliquien, verschlossen in silberner Kapsel; das Vermauern der selben im Altar unter hörbarem Klingen von Spachtel oder Kelle; das Anrufen aller Heiligen und zuvor das Entzünden der kreuzförmigen Dochte zum Verbren nen der Weihrauchkörner. Dabei waren, wie alle Handliuigen, so auch das Wa schen des Altars mit dem in Weihwasser getauchten Buchsbaumwedel und das kräftige Salben mit geweihtem Chrisam nicht nur zeichenhaftes Tun, sondern 29
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