kommt nicht mehr in Betracht". Das größte äußere Ereignis in der Jugendseel sorge im Jahr 1945 war der „Glaubenstag der Jugend". Ursprünglich sollte er vor dem zerstörten Dom stattfinden, dann wurde er in der Votivkirche abgehalten. Ca. 5000 Teilnehmer wurden gezählt. Die Jugend legte das Gelöbnis ab „das Kreuz wieder in unserer Heimat aufeurichten". Dieses Versprechen wurde symbolisch unterstrichen mit einer Sammlung für das neue Lettnerkreuz von St. Stephan. Am 3. November 1945 fand 1945 im Großen Konzerthaussaal, „der ganz mit Jugend gefüllt war" eine große Jugend kundgebung statt. Ihr Motto; ,3aut die Zeit mit Christus". Diese Veranstaltung war das erstes große Auftreten der katho lischen Jugend in außerkirchlichem Rah men. Für die Kinderseelsorge wurden eben falls neue Richtlinien erlassen; in diesen heißt es: ,J) Die Aufgabe der Kinderseelsorge bleibt religiöse Bildung und Erziehung in den von der Kirche und den Päpsten vorgeschriebenen Bahnen. n) Sie wird sich gnmdsätzlich im Rahmen der Pfarrgemeinde vollziehen." ... „4. „die wöchentliche pfarrliche Kinderseelsorge bleibt wie bisher ver pflichtend". ... .JDas Wiederaufleben von früheren Vereinsformen für die Kinder kommtnicht in Frage". Zur "freien Kirche in einem freien Staat". Die Kirche Österreichs zwischen Kriegsende und Staatsvertrag. Von Annemarie Fenzl Im April 1945, in den letzten Kriegs tagen, als St. Stephan zu brennen begann, war weithin über der ganzen Stadt der Schein des Feuers zu sehen. Auf die ohnehin bereits verängstigte und depri mierte Bevölkenmg Wiens wirkte diese Nachricht niederschmetternd. Der bren nende Dom schien das ganze Elend des totalen Zusammenbruchs überdeutlich zu symbolisieren. Aber buchstäblich vom nächsten Tag an wurde der zerstörte Dom auch zum Symbol des Neubeginns. Von Kardinal Irmitzer wird erzählt, daß er sich gleich am nächsten Tag aufden noch rauchenden Trümmern seiner Bischofskirche einge funden imd gesagt haben soll: ,J4a, daim werden wir ihn halt wieder aufbauen müssen"'. Und dann legte er selbst mit Hand an. Und so wie der Dom,das Zeichen der Kirche in diesem Lande,zwar wiederauf gebaut wurde, aber bis auf den heutigen Tag unaufhörlich erneuert werden muß, weil zu den Schäden des Krieges neue, damals nicht vorstellbare Wunden, aus schädlichen Umwelteinflüssen resultie rend, hinzukamen imd kommen, so ähn lich ist es mit dem Verhältnis der Kirche zu der Gesellschaß, in welche sie gewis sermaßen eingebettet ist: auch daran mußte und muß unaufhörlich gearbeitet werden, denn viele Altlasten wurden imd werden auch heute noch mitgeschleppt; und wenn auch vieles inzwischen „entsorgt" worden ist, so tauchten und tauchen - bis auf den heutigen Tag - im mer wieder neue Probleme auf, die aufge arbeitet tmd nach Möglichkeit gelöst werden müssen. Die ersten zehn Jahre nach dem Ende des schrecklichen Kriegesaber waren eine Zeit der Weichenstellung in Kirche und Gesellschafl. Vieles, was damals, aus der Not der Zeit heraus, gedacht, diskutiert und erkannt worden war, hat seine grund sätzliche Bedeutung bis in unsere Tage herauferhalten. Die Herrschaft des „Tausendjährigen" Reiches hatte in Österreich nur wenig mehr als sieben Jahre gedauert. Das Jahr 1945 brachte das Ende des Nationalsozia lismus und das Wiedererstehen Öster reichs. DasLand war allerdings nicht frei, bis zum Staatsvertrag am 15. Mai 1955 blieb es von den alliierten Mächten be setzt. Die Kirche im Lande, deren Stellung in Staat und Gesellschaft in der ersten Republik, bis zum Jahr 1938, durch eine enge Bindung an die politischen Macht haber gekennzeichnet war, versuchte nun, frei von staatlicher Bevormundung und weltanschaulicher Behinderung, wieder mit der ihr aufgetragenen Arbeit zu be ginnen. In ihrem Hirtenwort vom 21. Septem ber 1945' erklärten die österreichischen Bischöfe, nachdem sie zuvor an die Schwierigkeiten der vergangenen Jahre erinnert hatten: „Und nun gilt es, an den Wiederaufbau unseres österreichischen Vaterlandes zu schreiten. Zum Glück ist esja nicht gelungen, in den Österreichern die Liebe zu ihrer Heimat und ihrem Vaterland zu ersticken imd zu zerstören. Nein, wir lieben unsere wunderschöne Österreichische Landschaft, wir lieben österreichisches Wesen und Gemüt, wir lieben österreichische Art imd Kultur und tragen den Glauben in uns an ein neues, glücklicheres Österreich. Wir wissen aber auch genau, daß der Aufbau ohne Gott niemals gelingen wird. Darum erwarten wir von den Baumeistern des neuen Österreich, daß sie dem Herr gott das erste Hausrecht einräumen; darum verlangt die Kirche das überall so laut verkündete Recht der Glaubens- und Gewissensfreiheit. Je freier die Kirche arbeiten kann, um so besser wird es für das Volk sein. Wer die Kirche in der Freiheit ihrer Arbeit und Seelsorge hin dert, schadet in Wirklichkeit dem Volke selbst". Die geänderten Verhältnisse gestatte ten jedoch nicht, an die Positionen von, bzw. vor 1938 anzuknüpfen. Im erklärten Gegensatz zur Vorkriegszeit zog sich die Kirche zur Gänze aus der aktiven Ta gespolitik zurück, zu der sich die großen Parteien in einer Koalition zusammenfan den. „Gemäß can. 138 CIC darf kein Priester ein öffentliches Amt ohne Ordi nariatserlaubnis übernehmen. Es ist mein ausdrücklicher Auftrag, daß die Priester sich von der Übenmhme öffentlicher Ämter fernhalten, in politische Angele genheiten sich nicht einmengen und kei nerlei Empfehlungen für weltliche Stellen geben"'. So lautete die Weisung. Als Vorsitzender der Bischofskon ferenz prägte Kardinal Innitzer damals die Devise von einer „freien Kirche im neuen Staat". Diese „fi"eie Kirche im neuen Staat" war aber mit verschiedenen Pro blemen belastet*. Zunächst mitjenem von den damaligen nationalsozialistischen Machthabem in eindeutiger Schädigungsabsicht eingeführ ten und am 1. Mai 1939 in Kraft getrete nen Gesetz „Über die Einhebung von Kirchenbeiträgen im Lande Österreich", welches die Rechtsstellung der katholi schen Kirche im Lande beachtlich beein trächtigte, indem es diese praktisch zu einem privaten Verein herabminderte und darüber hinaus die bis daliin bestandene Verpflichtung des Staates zur Zahlung von Staatsleistungen an die Kirche auf hob. Weim auch die Rechnung der Natio nalsozialisten zunächst nicht aufging,•die Bevölkerung kam ihrer Beitragspflicht, wohl nicht zuletzt auch im Siime einer Solidarisierungsaktion gegen das zum großen Teil bereits gehaßte Regime voll nach - so begarmen die Zahlungen aber nach Kriegsende, im Sommer 1945, zu stocken. Die Katholiken glaubten mit dem Ende des NS-Staates auch das Ende des Kirchenbeitragsgesetzes gekommen. Der neue Staat sah das aber anders: das Rechtsüberleitungsgesetz, welches un tragbare Vorschriften aus der nun wieder österreichischen Rechtsordnung zu entfer nen hatte, brachte dem Kirchenbeitragsge setz Eingang in die österreichische Rechtsordnung. Im übrigen wäre es für die neuerstandene Republik nahezu un möglich gewesen, alle enteigneten Güter wi^er zurückzuerstatten; die Entschei dung, ein funktionierendes System zu belassen,lag daher mindestens ebenso im Interesse des Staates. Die Kirche, die mm selbst weiterhin auch für ihren Personalund Sachaufwand aus eigenen Mitteln aufkonunen wollte, behielt vorderhand die Einhebung der Kirchenbeiträge, wie von den Nationalsozialisten eingefülm,bei. Eine weitere, grundsätzliche Ausein andersetzung baimte sich um die Gültig keit des 1933 abgeschlossenen Konkorda tes an, welches von der Sozialistischen Partei, in Erinnerung an das Dollfiiß22
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