Leider aber begann nach 150 Jahren des Wirkens ab etwa 1785 ein deutliches Nachlassen der strengen Ordensdisziplin, die man durch immer mehr Dispensen be seitigte bzw. einfach nicht mehr beachtete. Theorie und Praxis, also Ordensideal und Ordensalltag, klafften weit auseinander. Verständlich, daß dann kaum noch jemand in ein solches Kloster eintreten wollte! Si cher hat sich auch derjosefinische numerus fixus ausgewirkt, aber entscheidend war wohl, daß der Geist des Ordens praktisch aufgegeben wurde. Diese Geisteshallung war in all den erwähnten Niederlassungen nördlich der Alpen so! Ja und so sind die Unbeschuhten Augustiner um die Mitte des vorigen Jahrhunderts in unseren Breiten (im wörtlichsten Sinne des Wortes!)ausge storben. UnivDozDr Killian hat in seiner fleißi gen Arbeit über diese Kongregation auch viele erschütternde Beispiele fürjenes Auf geben der Ordenszucht aus dem ehemaligen Kloster erhoben. Es sind sicher historische Schmankerln;es sind Probleme, die uns Heutigen völlig fremd sind;es sind -und darum soll es in diesen Zeilen ja gehen!- erschütternde Dokumente dafür, wie eine Gemeinschaft des Gottgeweihten Lebens (wie man heute sagt) am Wegdispensieren der eigenen Or densaufgaben und -Spiritualitäten zerbricht. Es wäre zirka so, wie wenn ein Missions-, Schul- oder Krankenhausorden diese seine Zielsetzung aufgäbe! Es geht in diesen Zeilen nicht darum, Mitbrüder oder Kommunitäten vor 200 Jahren zu kritisieren. Vielleicht ßnde man in anderen Klöstern ähnliche Bespiele; unsere sind eben wissenschaftlich ediert. Abschließend sei ausdrücklich betont, daß die Unbeschuhten Augustiner(heutige Bezeichnung OAD) als Seelsorgsorden heule verdienstvoll in Italien, BrasUien und aufden Philippinen wirken. Mariabrunn ist seit der Klosteraufhe bung Weltpriesterpfarre; St. Augustin ist seit40 Jahren Kloster des Augustinerordens (OSA). In unseren Breitengraden ist es sicher ungesund,im Winter nur Sandalen zu tra gen. Um 1785 wurde um Dispens davon (dh. um die Bewilligung, Schuhe und Socken tragen zu dürfen) angesucht. Be achtenswert sind (nebst beigelegten ärm lichen Austen)die Begründungen,daß die anderen Klöster dies ja schon seit langem so tun und daß die Sandalenverordnung ja sowieso nicht unter Sünde verpflichte("daß wir ohne Schuhe und Strümpfe daherzugehen von unseren Constitutionen ohnehin unter keiner Sünde verbunden sind"). Femer wird von einem Ordens bruder in der Chronik ausdrücklich betont, daß er "seiner hl. Profession getreu ein barfiißiger Augustiner" blieb. Er "wandelte bis ans End barfuß den Weg der Wahrheit nach den Buchstaben der heil Satzungen". Fleischspeisen gab es nur selten(nur ca. an einem Drittel des Jahres, derm Advent, Fastenzeit und sonst vier Tage pro Woche waren fleischlos). Zweifelsohne sind in unseren Gegenden Fleisch und Wild bil liger als Fisch. Daß aber gerade dieses fi nanzielle Argument bei den ständigen Ansuchen um Bewilligung von Fleischspe isen genannt wird,scheint doch den wahren Beweggrund eher zu beschönigen. So hat der Provinzial doch in der Fastenzeit "auf dem Abend immer einer Fleischsuppe dispensieret". Die Chronik erwähnt aus drücklich,daß gerade ein alter und kranker Pater nicht bereit war, diese Dispens (dh. also eine Fleischsuppe) in Anspruch zu nehmen. Ein Novize wollte eintreten. Da der Bruder Koch für diesen und den Novi zenmeister nach den Ordensregeln Fasten speisen bereiten, also extra hätte kochen müssen, machte er große Schwierigkeiten! Nur an zwei Wochentagen war er dazu bereit. Auf einem Provinzkapilel wurde "zur Erhaltung der klösterlichen Zucht" u.a. darauf hingewiesen, daß das Lottospiel gegen das Gelübde der Armut verstoße,daß das Tragen von Zivilkleidung untersagt sei und daß das Chorgebet doch wenigsten zu den hohen Feiertagen zu verrichten sei. Als wieder ein Novize eintreten wollte, hat sich der Konvent dagen ausgesprochen !Offenherzig wird eingestanden; "weil das Novitziat unter dem Priorate des P Norbertian2 der innerlichen Einrichtung ganz 2«rstöret ist; weil keine Observanz mehr da ist; indem er selbst bey seinem hiesigen Aufenthalt die tägliche Be trachtung, die gewöhnlichen Ordensfasten, die Disciplin, die Tischlesung, das Silentium etc. aufgehoben hat". Erst die Drohung,den Kaiser persönlich einzuschalten und so die Aufnahme des Kandidaten zu erreichen,ermöglichte diese. Natürlich haben nur der Novizenmeister und dieser Kandidat die Fasten, Gebetszeiten etc gehalten. Verständlich, daß nach einem Auf nahmewunsch eines weiteren Kandidaten kein Pater bereit war, die Funktion des Novizenmeisterszu übernehmen. Es wurde dafür dann sogar ein Laienbruder vor geschlagen (und das im vorigen Jahr hundert !). Mit einem Laienbruder, Fr. Josephus a Desponsatione BVM, bürgerlicher Name Heinrich Sitzmann (1780-1849), gab es ständig Probleme, die sich auch außerhalb der Klostermauem ereigneten und daher ausführlich aktenkundig wurden;er hat sich "überweinet", viel Weinkonsum, dh. Alkoholiker; öfters wurde er betrunken in das Kloster gebracht (der "Polizeykommissar" ließ schriftlich an fragen); in Zivilkleidung schlich er sich nächtens aus dem Kloster (Nachschlüssel, raffinierter Geheimausgang); finanziert hat er sein Lasterleben u.a. durch illegalen Ta bakhandel (Anzeige der "k.k. Tabak-und Stempelgef^len Administration") sowie dadurch, daß er die an die Klosterküche gelieferten Lebensmittel verkaufte; noch viele andere Details sind bekannt. Erhalten sind ausführlichste Korrespondenzen (Prioren, Provinzialc, Ordinariat, Polizei, Tabakverwaltung, Landesregiemng), aus denen wir dies alles kennen; es gab aber keinerlei Konsequenzen durch die Vorge setzten! Ganz im Gegensatz dazu stehen die strengen Vorschriften der Konstitutionen, die Bußfasten und andere Strafen, ja sogar einen eigenen Klosterkerkcr (um nicht an staatliche Gefängnisse ausliefern zu müs sen) vorsahen. Von all dem war im oben geschüderten Fall wohl nichts mehr zu spüren. Wie oben erwähnt,sind die Klöster tat sächlich ausgestorben! Als nur mehr einige alte, kranke und für die PastoraJ nicht mehr einsetzbare Patres lebten, wurde Maria brunn 1829 und St. Augustin 1836 formell aufgehoben. Anmerkungen; ^)Killian Herbert,Geschichte der unbe schuhten Augustiner mit besonderer Be rücksichtigung der deutsch-böhmischen Provinz, Wien 1976; dort auch ausführli chere Darlegungen, Belege, Quellen, Lite ratur etc. ^)Wahrscheinlich F.Norbertus a S.An selme. KR Dr. Franz Weninger ist Pfarrer von Mariabrunn. Dr. Herbert Killian ist Universilälsdozent für Forstgeschichte an der Uni versitätfür Bodenkultur. Berichtigung: In seinem Beilrag Die Familie als erster Ort der Evangelisierung im letzten Heft der "Beiträge" hat der Autor Christoph Gstaltmeyr angegeben, in nur 0,4% der Jungschargruppen Österreichs gäbe es gemeinsames Beten. Tatsächlich muß aber diese Zahl, worauf die Bundesleitung der Katholischen Jung schar Österreichs mit Nachdruck hinweisen möchte,40Prozentlauten. Vorschau: Das Aprilheft der "Beiträge" wird dem Thema Ende und Neub^nn. Das Jahr 1945 in der Erzdiözese Wien gewidmet sein. Beiträge werden an die Redaktion er beten Wiener Diözesanblatt; Inhaber: Erzdiözese Wien (Alleininhaber). Herausgeber: Erzb. Ordinariat. Redaktion: Diözesanarchiv Wien (Dr. Johann Weißensteiner). Satz; Diözesanarchiv Wien. Alle; 1010 Wien, WoUzeUe 2. - Hersteller; Herold Druck- und Verlagsge.sellschaft m.b. H.,1032 Wien,Faradaygasse6. - Das"Wiener Dlöze.sanblatt" ist das offizielle Amtsblatt der Erzdiözese Wien. 40
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