Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Eigenleben. Sie treffen sich außer der Zeit, laden einander ein, machen einen Ausflug mit den Kindern. Viele assistieren bei den Sonntagsmessen, helfen bei Agapen, gestalten Messen und machen den Kir chenschmuck. Von Anfang an reden sie einander mit "Du" an, auch mich. Wir gehen nicht streng nach der Herkunft, wir haben auch Evangelische und Juden. Ich lege Wert darauf,daß die Gruppen auch einzelne,also Singles, aufiiehmen, Witwen und Geschie dene. Jede Gruppe besteht aus 10 bis 13 Leuten,manchesind größer. Dr. Franz Janisch ist Pfarrer von Hinterbrühl und der Pfarrer Südstadt. Die Familie als erster Ort der Evangelisierung Von Christoph Gstaltmeyr Der Mensch durchschreitet viele Wege in seinem Leben."Unter diesen zahlreichen Wegen ist die Familie der erste und der wichtigste ; ein Weg von dem kein Mensch sich lossagen karm. In der Tat kommt er normalerweise iimerhalb einer Familiezur Welt, weshalb man sagen kann, daß er ihr seine Existenz als Mensch ver dankt.... Selbst wetm er sich (später,Anm.) für das Alleinbleiben entscheidet, bleibt die Familie als jene fundamentale Gemein schaft, in der das gesamte Netz seiner sozialen Beziehungen, von den unmittel barsten und naheliegenden bis hin zu den entferntesten, verwurzelt ist, so etwas wie sein existentieller Horizont Sprechen wir etwa nicht von der 'Menschheitsfamüie', wenn wir auf die Gesamtheit der auf der Welt lebenden Menschen Bezug neh men?"^ Diese Erfahrung jedes Menschen und das Wissen der Kirche, daß in Jesus Christus "das Wort Fleisch geworden ist", hat die Kirche formlich angetrieben, das von der UNO initiierte Jahr der Familie "mitFreudezu begrüßen"^. Was istFamilie und wasdieEvangeli sierung? Bei beiden will ich in diesem Artikel von kirchlichen Dokumenten ausgehen. "Ein Mann und eine Frau, die miteinander verheiratet sind, bilden mit ihren Kindem eine Familie"\Christliche Familie ist aber noch mehr."Die christliche Familie ist eine Gemeinschaft von Personen, ein Zeichen und Abbild der Gemeinschaft des Vaters und des Sohnes im Heiligen Geist. In der Zeugung und Erziehung von Kindern spie gelt sich das Schöpfungswerk des Vaters wider. Die Familie ist berufen, am Gebet und am Opfer Christi teilzunehmen. Das tagliche G^et und die Lesung des Wortes Gottes stärken in ihr die Liebe. Die christ liche Familie wirkt evangelisierend und missionarisch'"'. Mit dem Begriff der Evangelisiemng hat sich sehr ausführlich Papst Paul VI. in "Evangelii nuntiandi" auseinandergesetzt Er weist auf die Vielschichtigkeit dieses Begriffes hin, auf die Gefahren der Ein engung. "Das Ziel der Evangelisierung ist die innere Umwandlung"^. Es geht also darum,die göttliche Kraft der Botschaftzu verkünden,zu leben und das konkrete Le ben und jeweilige Milieu umzuwandeln®. Es ist hier auch durchwegs angebracht, einem weit verbreiteten Mißverständnis klar entgegenzutreten. Der Begriff der "Inkulturation" wird oft interpretiert, als Einbringen von Elementen aus fremden Kulturen in das christliche Leben. Dabei ist es vielmehr umgekehrt:"Es gilt-und zwar nicht nur dekorativ wie durch einen ober flächlichen Anstrich, sondern mit vitaler Kraft in der Tiefe und bis zu ihren Wurzeln - die Kultur und die Kulturen des Men schen im vollen und umfassenden Siim, den diese Begriffe in Gaudium et spes ha ben, zu evangelisieren, wobei man immer von der Person ausgeht und dann stets zu den Beziehungen der Personen unterein ander und mit Gott fortschreitet"^. Es steht also an erster Stelle ein tiefes Emstnehmen der bisherigen Geschichte jedes einzelnen Menschen,jeder Kultur. Dieses Leben wird erhellt im Lichte des Evangeliums.(Die In kulturation darfaber auch nicht verwechselt werden, mit der Einpflanzung der west lichen oder irgendeiner anderen ideologisch inspirierten Zivilisation.) Jüdische und christliche Ehe als Vor aussetzungßrZivilisation Judentum und Christentum sind keine Ideologien (politische Theorien), sondern von Gott geschenkte Offenbarung. Durch Offenbarung lernt der Mensch, wie verant wortlicher Umgang mit der Sexualität weltverändernd werden kann. "Als durch die Offenbarung eröffoet wurde, daß jede sexuelle Aktivität durch die Ehe geregelt werden soll, hat das die Welt verändert.Das Verbot des vorehelichen Geschlechtsver kehrs durch die Tora ermöglichte erst die Entstehung der abendländischen Zivilisa tion. Die Gesellschaften, die der Sexualität keine Grenzen gesetzt haben,waren in ihrer Entwicklung behindert. Die folgende Herr schaft der abendländischen Welt karm weitgehend der sexuellen Revolution zuge schrieben werden, die vom Judentum ein geleitet und später vom Christentum vorangetrieben worden ist®. In "Humanae vitae" wird die be sondere Eigenart der christlichen ehelichen Liebe sehr deutlich dargestellt. Christliche eheliche Liebe: ist vollmenschliche Liebe sie geht aufs Ganze sie ist treu und ausschließlich (gegenüber dem Partner) ist fruchtbar(d.h. sie weist über die Ehe hinaus)'. In diesem Sinne trifft Mann und Frau eine große Verantwortung im Umgang mit der gottgewollten Fähigkeit zur Zeugen schaft. Das letzte Wort darf ruhig in seiner tiefen Doppeldeutigkeit verstanden werden. So zeugen zwar Eltern einerseits ihr Kind, anderseits aber gilt auch:"Der Erzieher ist eine im geistigen Sinne 'zeugende' Per son"*®. Die erste Evangelisierung die durch die christliche Familie heute erfolgt, ist die Be reitschaft zu verantwortlicher Elternschaft. Auch dieser Punkt bedarf einer Klarstel lung, weil darüber sehr viele Irrtümer ver breitet sind, und zwar nicht nur außerhalb sondern vielmehr noch innerhalb der Kirche. Verantwortliche Elternschaft bedeutet: Kenntnis der biologischen Vorgänge Beachtung der mit ihnen zu sammenhängenden Funktionen Beherrschung von Trieb und Leidenschaft durch Vernunft und Willen (und wie gehen wir heute mit Trieben und Leidenschaften um ? Ordnen wir sie unserem Willen und unserer Vernunft unter, oder versuchen wir sie ständig zu psychologisleren, erklären, begründen, ja sogar gutzuheißen,...? Anm.des Autors) "In Hinblick schließlich auf die gesundheitliche, wirtschaftliche, seelische und soziale Situation..., daß man entweder, nach klug abwägender Überlegung, sich hochherzig zu einem größeren Kinderreichtum entschließt, oder bei ernsten Gründen und unter Beobachtung des Sittengesetzes zur Entscheidung kommt,zeitweise oder dauernd auf weitere Kinderzu verzichten"** die Pflichten gegenüber Gott, sich selbst, gegenüber ihrer Familie und der menschlichen Gesellschaft anerkennen (in Wahrung der rechten Güter- und Wertordnung)*^. Kurz gesagt finden wir in Judentum und Christentum grundgelcgt, was auch heute noch - manchmal nur mehr um gangssprachlich - den "zivilisierten Men26

RkJQdWJsaXNoZXIy NzM2NTQ=