Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

distanzierte Geneigtheit... Die ersten Gespräche über die geplan ten Ehevorbereitungskurse wurden aufge nommen, Referenten gesucht und heran gebildet und die organisatorischen Voraus setzungen geschaffen. Zudem galt es, ein bisheriges Prinzip der KJ - nämlich die Geschlechtertrennung - zu überwinden, denn es sollten in diesen Kursen (bis auf Ausnahmen) Burschen und Mädchen gleichermaßen teilnehmen! Der Geist weht, wo er will! Alle Pro bleme wurden rasch gelöst, viele Referen ten stellten sich ohne Honorar zur Verfü gung und das Interesse in den Pfarren übertraf alle Erwartungen. Das Mittei lungsblatt der KJ-Wien berichtet über eine Vielzahl von Kursen sowohl in der Stadt als auch in Landpfarren. Schließlich wurde das Wiener Modell von fast allen öster reichischen Diözesen übernommen und später Bestandteil der Bildungsarbeit der KJ. Angespornt von P. Scheidls Initiative und dem Erfolg der Ehevoibereitungskurse bildete die KJO mit Beschluß vom 24. 4. 1950 einen famüienpolitischen Un terausschuß mitden Aufgabengebieten: Beeinflussung der Öffentlichkeit Propagierung der Grundeinstel lung der christlichen Famüie in den eigenen Reüien Zusammenarbeit mit dem Fami lienwerk derKA Wenige Monate später formuliert die KA gemeinsam mit dem FamUienwerk der Erzdiözese Wien das "Familienpolitische Programm"(16.11.1950) Eine der wichtigsten Intitiativen zur Selbsthilfe ging von der Heibsltagung der Katholischen Aktion (1950) aus: die Errichtung des "Wiener Diözesanfondsfür Familienhilfe".Im Mitteüungsblatt derüWien wird dieser wie folgt vorgesteUt und begründet: "Erinnert Euch an die Herbstkundge bung der Katholischen Aktion. Eines der Hauplübel, das damals aufgezeigt wurde, ist die Hoffnungslosigkeit, in der sich heute junge Menschen befinden, die eine Familie gründen wollen. Denn nichts ist aussichtsloser, als heute als junger Mensch eine Wohnung zu bekommen. Auch wenn die Bautätigkeit der öffentlichen Hand ver doppelt werden könnte, so bleibt für uns Katholiken kein Platz,denn nur das Partei buch entscheidet über die Würdigkeit eines Bewerbers. Der Herr Erzbischof-Koüdjulor Dr. Jachyin hat damals das katholische Volk aufgenifen, durch eine Spende eines Stun^ dcnlohncs ciiicn Fonds zu gründen, aus dem junge Menschen ein zinsonloscs Dar^ lehcn erhallen sullcn, mit dem sie vor allem die Möglichkeit zu einer Anzahlung für ein Wohnungscigenluni erhalten. Er selbst, so sagte er damals,sei bereit, mit einem Monatsgehalt den Anfang zu machen. Nun ist es so weit. Der DiözesanFamüienfonds wurde gegründet und es liegt an uns, einen entsprechenden Beitrag zu leisten.... Nur wenn wir uns selbst helfen, wird uns geholfen sein!" Das letztlich sehr erfolgreiche Projekt wirkt bis in unsere Tage; es erlangte Mo dellcharakter für einige nachfolgende Fonds, die ebenfalls famüienfördemden Maßnahmen dienten. 1951 verfugte das Katholische Familienwerk Wien bereits über viele pfarrlichc Mitarbeiter,den sogenannten "Pfarr-Familienhelfem". Ein periodisch erscheinendes Rundschreiben sorgte für den intensiven Informationsfluß und die Verbreitung der famüienfordemder Maßnahmen. Der wohl eindrucksvollste Impuls zur Einmahnung dringend erforderlidier ge setzlicher Maßnahmen ging wohl vom Ge samtösterreichischen Katholikentag 1952 aus. Vorbereitet durch famUienpolitische Tagungen (1950/1951/1952) wurden For derungen der Katholiken an Staat und Öf fentlichkeit verabschiedet, die folgende Schwerpunkte beinhalteten: Famüienlastenausgleichsgesetz Reform des Eherechtes Beachtung des Eltemrechtes in der Schule(Kath. Privatschulen müssen erhal ten bleiben) Schutzdes ungeborenen Lebens Kampf gegen die Verächtlichma chung der Ehe und Famüie in der Öffent lichkeit(vor allen in den Massenmedien) Famüienfreundlicher Wohnbau Die intensive Beschäftigung mit all diesen Fragen und die Erkenntnis, In der Demokratie nur etwas durchsetixn zu kön nen, wenn eine große Organisation hinter allen Fordemngen steht, führten nicht nur zu verstärkten Kontakten aller diözesanen Famüienwerken,sondern forderte den Zu sammenschluß aller FamUien in Österreich, auch jener, die bisher noch abseits standen bzw. die engere pfanliche Bindung nicht anstrebten. Am 1.3.1953 beschloß die Arbeitsge meinschaft der KAÖ auf üirer Frühjahrs tagung in St. Florian- übrigens auf Antrag des Katholischen Famüienwerkes der Erzdiözese Wien - die Gründung des "Katholischen Familienverbandes Öster reichs". Die konstituierende Generalversamm lung des KFVÖ fand am 29 9. 1953 im SalvatorkoUeg in Wien 1 in Anwesenheit von Kardinal Dr. Innitzer statt In begei sternden Worten riefer alle Katholiken und in.sbesondere die Brautleute und Familien zum Bcltrilt auf; "Ich empfehle daher den Kf'VOj seine Ziele und Bemühungen be= sieiis und rufe alle Gläubigen zur För derung, zum Beiirin jn den KFV aufl" Wenig spater (17 .11. 1953) Pelzten sidl alle Bischöfe Österreichs für den KFVÖ ein, dessen Zielsetzung im Wiener Dlözesanblatt kurzskizziert wurde: "Der KFV soll sowohl durch Einzclmitgliedschaflen als auch durch den Beitritt katholischer Körperschaften fähig sein, dem Gesamtwohl der katholischen Famüie und Elternschaften machtvollen Ausdruck zu verleüien... Er wird sowohl die wirt schaftlichen und sozialen als auch die ei tern- und schulrechtlichen und die eheund famüienrechtlichen Fordemngen der katholischen Famüien verteidigen. Durch den KFVÖ wird die Arbeit der Kath. Aktion(auch des Famüienwerkes)in keiner Weise gestört,denn die Arbeit in den Gliederungen und Werken der KA wird in tensiv weitergeführt" Rasch koimte der KFVÖ die staatliche Gesetzgebung mitgestalten und vorantrei ben.Seit 1951 wurden zwar staatliche Kin derbeihilfen gewährt; das noch heute in seinen Gmndzügen wirksame "Famüien lastenausgleichsgesetz" wurde auf Betrei ben der Famüienverbände erst am 15. 12. 1954 beschlossen. Mit der Gründung des KFV und der nun verstärkt pastoralen Zielsetzung des Kath.Famüienwerkes erlebte P.Scheid!die Realisiemng seiner Vision: die Famüie als starkes Glied derKA anerkanntzu sehen! Auf ein nicht uninteressantes Faktum möge noch hingewiesen sein, obwohl es nur bmchstückhafl dokumentiert erscheint, jedoch in seiner letzten Konsequenz zur Büdung von Familiengnippen führte; Seit 1951 zählten die Ehevoibereitungskurse der KJ in der Erzdiözese Wien zu einem wesentlichen Bestandteü der BUdungsarbeit. Hierbei wurde nicht nur eine neue Sicht des Ehesakramentes, des partnerschafflichen Weges, der Verantwortung fiireinander und der Annahme der gott gewollten Geschlechtlichkeit vorgesteUt, vielmehr, während der Zeit des Kurses wurde die bisher strenge Trennung von Mädchen und Burschen-die ja der natur ständischen Idee der KA durchaus ent sprach- aufgehoben. Das sollte nicht ohne Folgen bleiben.... Wenige Jahre später bedrängte man in Sitzungen der KA die Fühmng der KJ, die statutenmäßige "ÜbersteUung" von Bur schen und Mädchen in die Männer- bzw. Frauenbewegung nicht zu behindem... In Wahrheit gab es an der Spitze kein Hin dernis; man sah sich nur mit den "Spätfolgen" der Ehevoibereitungskurse konfrontiert: die Basis lehnte die Trennung der bereits verheirateten Paare ab. Nicht umsonst unterstrich man in den Kursen den "gemeinsamen Weg"- weshalb soUten sie jetzt wieder getrennt agieren? Im Zwiespalt zwischen beschlossenem Statut und der Realität des Lebens wandte sich die Fühmng der KJ an den "religiösen Referenten" des Kath. Famüienwerkes - Paler Franz Krüsbacher SJ. Er wM"zii dieser Zell dein Rcferälisleiler P. Scheidl äl& Mit— artieiler zur Seile gestelii, P, Kröfibacher leitete neben seiner dißzcsancn Tätigkeit die aus der niariantschen Kongrcgalion hervorgegangene KANABewegung für Famüien. F,r kannte also die Problematik. Für ihn bedeutete der Wunsch der Basis, sich als Paar in kirchlichen Ge meinschaften entfalten zu können, ein durchaus legitimes Begehren. Als erstre benswertes Modell einer lebendigen Familiengmppe stellte er jenes der END (Equipes Notre Dame)vor. Von den Ziel23

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