Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

griffeverbindung zu gebrauchen. Meist wird dabei sehr ausführlich auf die Ehe, aber nur relativ kurz auf die Familie einge gangen. Die Gründe hierfür sind vielfältig; Zum einen wird die Familie, insofern sie aus der Ehe hervorgeht, stets aus deren Blickwinkel betrachtet Dies hat zur Folge, daß die Familie, wenngleich mit der Ehe zwar unausweichlich verbunden, als eine doch auch eigenständige Personengemein schaft nicht ausreichend in den Blick kommt Zum anderen führten die traditio nell starken Interessen an der Sexualmoral, innerhalb der die herkömmliche Moraltheologie das Thema Ehe zumeist abgehandelt hat, und die Auszeichnung der Ehe als Sakrament dazu,daß die Ehe in der Geschichte der kirchlichen Lehre eine weitaus ausführlichere und differenziertere Behandlung erfahren hat als die Familie. Erst seit dem Pontiükat Johannes Pauls II. wird eine allmähliche Korrektur dieses Ungleichgewichtes sichtbar. In chronologischer Vorgehensweise sollen nachfolgend die wichtigsten kirch lichen Aussagen zur Familie dargestellt und deren Grundzüge und Entwicklungen deutlich werden. Pt^st Leo Xin.(1878-1903)betrach te die Familie bereits als unheilvoll er schüttert Den Grund dafür markiert er in der Entweihung der Heiligkeit der christ lichen Ehe,die Grundlage der Familie und der ganzen menschlichen Gesellschaft ist. Vor dem Hintergrund der fortschreitenden Einführung der Zivilehe und der Eheschei dung auch in katholischen Ländern,sieht er sich daher in seiner Eheenzyklika "Arcanum divinae sapientiae"(1880) ver anlaßt,der Entchristlichung der Ehe entge genzutreten, indem er sowohl ihren gött lichen Ursprung als auch ihren sakramenta len, unauflöslichen Charakter betont Be züglich der konkreten Ausformung der Ehegemeinschaft definiert er jene Fami lienordnung, die bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil tradiert werden sollte: Der Mann ist der Vorstand der Fa milie und (in Anlehnung an Eph 5, 22ff) das Haupt der Frau; die göttliche Liebe die beständige Lenkerin dieser Ordnung. Die Kinder haben ihren Eltern unterwürfigen Gehorsam zu leisten und sie zu ehren.Um gekehrt müssen die Eltern die Kinderzu ei nem frommen und tugendhaften Leben er ziehen. In der Sozialen:^klika "Rerura novarum" (1891) wird gegenüber den Ge fährdungen des sozialistischen Systems festgehalten,daß die Familie älter ist als der Staat und deshalb "unabhängig vom Staate ihre innewohnenden Rechte und Pflichten" (RN 9) besitzt. Zudem ist das Recht auf Privateigentum anzuerkennen, das dem Familienvater den nötigen I..ebensunterhalt für die Familie sichert. Insofern dem Staat aber größere Mittel als der Familiezur Ver fügung stehen, hat er bei in Not geratenen Familien Hilfeleistungen unter Wahrung ihrer natürlichen Rechte zu leisten (RN lOf). Das Apostolische Schreiben "Neminem fugit"(1892) unterstreicht zudem die hohe Bedeutung einer christlichen FamUienerziehung und stellt die Heilige Familie aus Nazareth als zu verehrendes und nachzu ahmendes Beispiel vorAugen. Papst Pius XI.(1922-1939) knöpft in seiner Eheenzyklika "Casti connubii" (1930)an die vor fünfeig Jahren erschie nene Enzyklika Leos XIII. an. Auch für ihn spiegelt sich die Krise der Gesellschaft in der Familie wider, denn "der Staat ist, was die Familien [...] ausihm machen"(CG 37). Die Krise der Familie gründet aber in der Mißachtung der Heiligkeit der Ehe. Bereits in seiner ersten Enzyklika "Ubi arcano" (1922) betont Pius ^., daß eine Gesun dung der Familie nur dann möglich ist, wenn sie sich auf das Sakrament der christ lichen Ehe stützt und die Heiligkeit der Familie von Nazareth atmet. In "Casti con nubii" werden daher ausführlich die Grundwahrheiten der christlichen Ehelehre thematisiert:Die Ehe ist von Gott eingesetzt und von Christus zum Sakrament erhoben worden. Sie ist deshalb "der menschlichen Freiheit vollständig entzogen, sodaß jeder, nachdem ereinmal die Ehe eingegangen ist, unter ihren von Gott stammenden Gesetzen und wesentlichen Eigenschaften steht"(CC 6). Diese umfassen (im Anschluß an die augustinischen Ehegüter) den primären Zweck der Ehe, Zeugung und Erziehung von Nachkommenschaft, die sekundären Zwecke, menschenwürdige Befriedigung des Geschlechtstriebs(= eheliche Keusch heit) und gegenseitige Unterstützung (= eheliche Liebe) sowie Monogamie und Unauflöslichkeit. Wie bei Leo XIII. wird die familiäre Unterordnung der Frau unter den Mann als ein "von Gott selbst erlassenes und bekräf tigtes Gmndgesetz" (CC 28) verstanden. Emanzipatorische Bestrebungen der Frau sind Ausdmck einer falschen Freiheit und stellen "eine Verderbnis des weiblichen Empfindens und der Mutterwürde, eine Umkehmng der Familienordnung"(CC76) dar. Die letzten Abschnitte von "Casti con nubii" enthalten die Forderung nach einem familiengerechten Lohn(CC 124), die ein Jahr später in der Sozialenzyklika "Quadragesimo anno" (1931) bekräftigt wird(QA 71),und erinnem an die Pflicht der Nächstenliebe und die Pflicht des Staa tes gegenüber Familien, denen das Not wendigste zur Bestreitung ihres Lebensun terhaltes fehlt(CC125f). In der Enzyklika "Divini illius magistri" (1929) betont Pius XI. das unveräu ßerliche Recht der Familien zur Kindeser ziehung, das der Staat zu schützen,zu för dern und durch die Schule zu vervoll kommnen hat. Dabei wird eine koedukative Erziehung für die christliche Erziehung als gefährlich angesehen und abgelehnt. Papst Pius Xn.(1939-1958)^ hat sich aufder Grundlage der Ehelehre seiner Vor gänger in diversen Ansprachen mehrfach zu Fragen der Familie geäußert. Vor dem Hintergrund familienzerstörender Kräfte in der Gesellschaft, die "der Familie die Ehr furcht vor dem Gesetz Gottes"(UG 1149) rauben, insistiert er darauf, daß eine Erneuemng der Gesellschaft nur über die Verchristlichung der Familie möglich wird. Notwendig ist deshalb die Weihe der Fa milie an das HerzJesu(UG 1153;1268ff)), wie das bereits Leo XIII. und Pius XI.fei erlich getan haben, sowie die Orientiemng am Leitbild der Heiligen Familie von Nazareth(UG 1203;1302 u.ö.). Besonders eindringlich unterstreicht Pius XII. die Bedeutung der Einhaltung der Familienordnung, denn "die rechte Überund Unterordnung in der Familie, die zu ihrer Einheit und zu ihrem Glück uner läßlich ist", ist "eine der größten Taten des Christentums"(UG 1162). Mit Verweis auf die entsprechenden Bibelstellen (z.B.: Gen 3,16;Eph 5,22ff;1 Kor 11,3. llf;1 Tim 2, 13Ö) ist der Mann das von Gott bestellte Haupt der Familie und der Frau. "In der Heiligkeit" sind zwar "beide Gatten in glei cher Weise und unmittelbar mit Christus verbunden durch die Gnade", doch "anders verhält es sich mit der Stellung in der Kir che und in der Familie"(UG 1157; vgl. 1347). Hier gilt die bei Paulus ersichtliche Lehre Christi, derzufolge aber "die Autori tät des Hauptes und die Untertänigkeit der Frau ohne jede Schmälerung durch die Kraft der Liebe verwandelt wird", sodaß "die feste Führung des Gatten und der füg same, ehrerbietige Gehorsam der Gattin zu selbstloser und großmütiger, gegenseitiger Hingabe gelangen können und müssen. [...] So beschaffen muß das Muster einer christ lichen Familie sein"(UG 1164). Diesem Muster entsprechend liegt die primäre Verantwortung des Mannes darin, durch Berufsarbeit den nötigen Lebens unterhalt der Familie zu sichern. Sodann wird ein liebevolles Verhalten zur Gattin und zu den Kindern, aufrnerksarae Aner kennung der Leistungen der Gattin als Hausfrau und tatkräftige Unterstützung in jenen Bereichen des Haushalts, die eher Sache des Mannes als der Frau sind, ein gefordert(UG 1183-1203). Die Frau hingegen "wirkt vor allem in der Familie und durch die Familie"(UG 4774). Als "Sonne der Familie(UG 12931296) sorgt sie für jene "Atmosphäre, die vom Wohlgemch Christi gewürzt ist"(UG 1496).Entsprechend ihrer natürlichen Auf gabe, Mutter zu sein, sind ihre Haupttätig keiten das Heim, das sie zur "Stätte frohen und stillen Zusammenlebens"(UG 1288) werden läßt und die Kinder, denen sie eine fromme ünd tugendhafte Erziehung angedeihen läßt. Insbesondere die kinderreiche Familie gilt als "Beweis eines gelebten christlichen Glaubens"(UG 4766) und als "Vertrauen in die göttliche Vorsehung" (UG 4769). Pius XII. setzt sich stets auch für die Verteidigung der Eigervechte der Familie (UG 2680-2692) und die "Schaffung von immer umfassenderen und günstigeren 18

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