Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Die Worte der Feinde Christi, geh. in Mariaam Gestade.-Wien 1829 Zwölf Stufenpsalmen. Fastenpredigten, geh.in d. Kapuzinerkirche in Wien.-Wien 1863 Für Literaturhlnweisc sowie eine voll ständige Bibliographie der Werke Veiths und der Literatur über Veith siehe Klemens Honek, Johann Emanuel Veith (17871876). Leben und Werk.- Wien 1984(= Zur Rhetorik Otto Mauers Von Werner Reiss Wiener Kath. Akademie. Arbeitskreis f. Kirchliche Zeit- u. Wiener Diözesangeschichte. Miscellanea. Dritte Reihe. Nr.31) Von 1954 biszu seinem Tod(3. Oktober 1973) war Otto Mauer Domprediger von St. Stephan.Er hat in dieserZeit in derihm eigenen Weise die JVlener Domkanzel ge prägt. Entsprechend soll im folgenden eine knappe Würdigung der Mauer eigenen Rhetorik erfolgen^. Die Stimme Otto Mauers - die Stimme des Dompredigers, Vortragenden, Diskutanten - diese Stimme, die in weitausho lenden Sätzen, in weitertreibenden Fragen, in der Beharrlichkeit der Abweisung den Zuhörern im Gedächtnis blieb - die Stim me Otto Mauers hat sich allen eingeprägt, die ihn erlebt haben. Sein Wort schlug seine Zuhörer in Bann, weil es halb Be wußtes und halb Gewußtes aufnahm, wei terentwickelte, einer Lösung zutrieb, die wieder nur Zwischenstation auf dem Weg der Erkenntnis sein konnte, nur halbwegs eine Ruhepause gelten ließ, weil sie selbst im Bann des Geheimnisses stand, dem sie diente-so wurde es empfunden und erlebt Otto Mauer war Priester, er diente seiner Kirche in vielfältigsten Funktionen. Als Prediger und Wegbereiter der modemen Kunstim Österreich der Nachkriegszeit be steht seine Geltung. Geltung bedeutet ge meinhin die Fraglosigkeit des Gemeinten, das Herzeigenkönnen eines Produkts.So ist Mauer schwer zu würdigen. Nicht die Fraglosigkeit seiner Meinung zu wichtigen Problemen des Glaubens und der Kunst beansprucht Geltung, sondern die FragWürdigkeit des zu Sagenden. Mauer war sich der Fragwürdigkeitjeder Rede und je der bildlichen Darstellung tief bewußt. Das Suchen nach dem immer besseren Aus druck ist kein Spiel der sprachlichen Kom petenz, sondern kommt auch aus dem Ge fühl der Insuffizienz vor dem Wort, das zwar Gestalt angenommen hat,dessen Ver stehen aber über jede angenommene und vorgestellte Gestalt hinausführt. In einer Rede^ sagt Mauer:"Der christliche Glaube kommt vom Hören; es ist das Wort, das ganz wesentlich die Geistigkeit und Spiri tualität des Christentums garantiert... Viel leicht ist die Bildhaftigkeit des Katholizis mus daran schuld ..., daß die Katholiken derartig ilUterat sind, und daß es eine Zeit gegeben hat, in der sie überhaupt keine nennenswerte Literatur hervorgebracht ha ben. Vielleicht nähern wir uns wieder einer solchen Zeit. (...) Die Theologie muß sich etwas umschichten. Bis jetzt hat sie die Welt an vorgefertigten Prinzipien dogmati scher Natur gemessen und hat sich - mei ner Ansicht nach - einer doppelten Sünde schuldig gemacht: Sie hat eistens das Ge schichtliche überhaupt abgewertet;zweitens hat sie das Faktisch Geschichtliche, das Kairotische, das eben jetzt sich Ereignende und Auftauchende und damit die jeweilige Novität, immer an vorgefaßten Maßstäben gemessen. Sie hat niemals verstanden, daß hier ein theologischer Topos vorhanden ist Anders noch bei Paulus:er hat die Theolo gie als Faktologie begriffen." Mauer ist selbst beredt genug, als daß er deutend interpretiert werden müßte. Aber diese Hinweise seien gestattet: Das Verhältnis von Wort und Bild ist nicht als Streit oder Übereinkunft zweier Disziplinen zu denken (obwohl ihm manchmal das "Prophetische" in den Be reich der bildenden Kunst abgewandert er scheint),sondern als eine-wenn auch ver schiedene Mittel benützende - Arbeit die Welt als gottgewollte und zu erlösende zu verstehen. Also Faktizilat in "Faktologie" zu überführen. Zweitens: So wenig es gelingt, die Be ziehung zwischen Wort und Bild festzule gen,so wenig kann im Bereich der Diszi plin Theologie das Wort diszipliniert wer den,es lebt in der Überholung,der Korrek tur, des Annehmens und Verwerfens von Vergleichen, es lebt in der Approximation an das Gemeinte. Drittens ergibt sich daraus der Primat der Entdeckung gegenüber der Vermitt lung. Popularisierende Vermittlung will den Hörer an das zuvor Gedachte, Ausformu lierte heranführen - es wird beredt in der Sprache des Rezipienten aufbereitet. Natür lich kommt diese Vermittlungsarbeit bei Mauer auch vor. Der eigentliche Impuls seiner Rede war dies aber nicht. Er läßt die Zuhörer vielmehr teilnehmen an dem, was es zu entdecken gilt - gerade die naive Freude der Hörer, aus der "humanistischen Bildung" Bekanntes in neuen Zusammen hängen vorkommen zu sehen und so in die "neue Theologie" eingeführt zu werden, darfdarüber nicht hinwegtäuschen. Mauer kann sich an ein Publikum wen den, das orientierungshungrig und aufge brochen ihm folgt - eben nicht, um die Konsolidierung der Wiitschaftswunderjahre theologisch nachzuvollziehen und zu ver brämen, sondern im Gegenteil "Welt" als bedrohende und chancengebende Lebens form in die Theologie hereinzulassen, ihr eine Stimmezu geben.Dasfür mancheZu hörer erschreckende Zulassen des Zweifels ist nicht nur ein rhetorisches Mittel, das atemlos macht, da die Möglichkeit einer Widerlegung immer riskanter wird - es ist ein Zulassen der Weltgestalt, die ein apolo getisches Vereinnahmen unmöglich macht und letzten Endes nach einem Neuentwurf der Gestalt der Kirche verlangt. Als Beispiel ein Ausschnitt aus der Stephanus-Predigt im Wiener Stephansdom (26. Dezember 1968). Mauer fragt,was wir mitStephanus gemeinsam haben: "Wie derPharisäerim Gleichnis,der alle Gesetze minutiös einhält und fragt: Was kann Gott mir tun?So will der Mensch sich unfragbar machen, will er sich vor dem Zorn Gottes panzern. Aber Jesus hat das Herz der Menschen zerknirscht Sein Ruf ist gewesen: "Herangekommen ist die Herrschaft Gottes. Kehrt um!Bekehrt euch! Tut Buße!" Diese Gmnderschütterung des menschlichen Herzens, das SichAusliefem, das jeden neuen prophetischen Ruf ausübt, das Aufbrechen mitten in der Nacht, das Wissen,daß Gott Neues gebie ten kann, daß man ihm immer zu Diensten stehen muß und daß er niemals der be kannte Gott ist, niemals der beschreibbare Gott, niemals der Gott, den man intel lektuell durch dogmatische Formeln, durch liturgische Formen oder sonst irgendein äußeres Gesetz in die Hand bekommen kann. So ein Mensch ist Stephanus gewesen, und deshalb hat er nicht Bestand gefunden. So wie Jesus. Warum war er der Priester schaft,den Rabbinern so zuwider? Wenn er doch vom Volk so heiß geliebt wurde,dem er zugerufen hat: "Selig die Armen, selig die Sanften, ihrer ist das Himmelreich!" Meine Freunde, es ist sehr einfach: Sie wollten sich abschirmen gegen den F.inbmch des unkontrollierbaren Gottes, des absolut unverfugbaren Gottes, den sie in ihre Gesetze gesperrt hatten. Und so ein "Einbrecher" war Stephanus. Deshalb mußte er sterben, weil er Israel widerstan den hat! Nun, meine Freunde, wenn wir das heute feiern, so könnte eine christliche Feier eines Märtyrers niemals sozusagen die Errichtung eines Monumentes sein. Jesus sagte einmal zu den Pharisäern: "Ich weiß, warum ihr euren Vorfahren,den Propheten, so herrliche Grabdenkmäler baut, ich weiß warum: deshalb, weil sie seinerzeit umge bracht wurden und ihr sie heute genauso umbringen würdet, und ihr froh seid, daß sie eingesargt sind, daß sie monumentalisiert sind, daß sie nicht mehr herauskön nen-"So sagt er,so greift er sie an! Aber eines, das haben wir mit ihm ge meinsam: den Tod haben wir mit ihm ge meinsam. Aber vor dem Tod, meine Freunde, das Martyrium! Märtyrer, martys ist griechisch und heißtja nichts anderes ^s Zeuge. Gewiß ist das das letzte Zeugnis, das man ablegen kann, daß man sich um des Glaubens willigen schädigen läßt, aus der Gesellschaft exkommunizieren läßt, daß man sich einsperren läßt, deportieren läßt, daß man seiner Güter, seines Besitzes ent ledigt wird,seine Kleider los wird,daß man Emigrant wird und daß man vielleicht in irgendeinem Sibirien endet,in irgendeinem Konzentrationslager, in irgendeiner 15

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