Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

< telalter keine bedeutende Predigerpersön lichkeit aus der Cur von St. Stephan be kannt.Die Weltgeistlichen standen in dieser Zeit bezüglich des Predigens eindeutig im Schatten der neuen Bettelorden, besonders der Dominikaner, die als Ordo Praedicatorum ihren Ordensnamen tatsächlich von ih rer Haupttätigkeit ableiten. Mit der Errichtung eines Bistums in Wien(1469)änderten sich die Verhältnisse hinsichtlich der Predigten zu St. Stephan zunächst kaum,erhielt Wien doch erst 1513 mit Georg von Slatkonia seinen ersten tat sächlichen Residentialbischof. Erst die Bi schöfe Fabri (1530-1541) und Friedrich Nausea(1541-1552)erkannten die Wich tigkeit gerade der Predigt in der Zeit der Glaubensspaltung und waren selbst uner müdlich aufder WienerDomkanzel tätig'. Daß es aber sonst mit den homiletischen Fähigkeiten der Priester an der Stephans kirche nicht besonders gut bestellt war, zeigt deutlich das - stark vom hl. Pelms Canisius geprägte - Reformdekret König Ferdinands I. für St.Stephan vom 1. Jänner 15542. Darin heißt es: "Und wiewoll die Achter3 das Predig Ambt bey Sant Stefan bisher per vices verricht haben, so erwegen wier doch,daszu versehung dieser ansehn lichen Canczel Hochgelerter und berüembter Predicanten, dergleichen aber unnder den Achtem schwärlich zu finden sein möchte, höchlich voimötten: Demnach ordnen und erwöllen wier, das hinfurter bei Sant Stefan alle Suntag und Fest, vor und nach Mittag deßgleichen Im Advent an den Mittwochen und Freitag und in der Fasten täglich frue geprediget und zu soUichen zwen geschickhten Thuemb-Predicanten guter Lehr und Lebens, auch der heiligen Schrift sover und wan sy anders zu bekhumben Doctores angenumben und gehal ten werden,deren ainer die Suntägigen frue und der Annder die Suntagig Abendt Pre dig und feiertägliche fme Predigen mit Christenlicher auslegung, Postülimng und ausziehung hailsamber Leren aus den Evangelien und Episteln jedes Tags und Fests verrichten und dahin die Advent und Fasten Predigen unnder inen selbst auch nach ungeverlicher Gleichhait austailen sollen. Damit nun geschickhte Predicanten dest eher zu bekhomben seien und an verkhündtung des hailsamben wordt Gottes bey so vill volkhs und großen Kierchmenig nit Mangl erscheinen,so wollen wir für uns und unsere Erben hiemit gnedigelich bewilligt haben,den ainem Thuemb Prädicanten aufzenemen auch mit Ainem Canonicat zu versehen und Ime daneben zu Järlicher Besoldung ainhundert Gulden raichen zu lassen und soll der Ander Thuemb Predicant von ainem Bischöfe und den Collegiaten unsers fuistlichcn Collegii sambtlich angenumben und von unserm CoUegio auch mit ain Canonicat verschen und Ime von ainem Bischof gleichfals ain hundert gülden zu besoldung Järlich zu zwaien Fristen geraicht werden". Das Dekret enthält auch eine eigene Anweisung bezüglich der Zeit der sonntäg lichen Nachmittagspredigten:"Wier ordnen auch,das die Abendt Predigen an den Sontagen und Feste, so bisher erst nach der Complet verricht worden, hinfüro allezeit vor der Vesper, nemblich um Zwen Um gehalten(werden)solle, damit dem gemai nen Volkh bey dem darauf volgenden Gottsdienst der Vesper und Complet zu verharren ursach gegeben und das Volkh von andem uimüzen Sachen destomehr ab gehalten werde".Dem Bischof wird freilich zugestanden gegebenenfalls auch selbst - was in dieser Zeit keineswegs selbstver ständlich war-zu predigen:"Ob dann ain Bischove Je zu Zeiten selbs Predigen und ainen oder den Andem Thuemb Prediger übertragen wolle,das soll und wiert Ime als dem obristen Priester seinem Ambt willen und gefallen nachzuthuen nit allein billich vorzuhalten sonder auch gegen Gott und seinen undergegebenen Schäflein loblich und ruemblich sein". Nur für den Fall der Verhinderung der eigentlichen Domprediger waren Predigten durch die Mitglieder der Cur vorgesehen: "Ob aber bemelte Zwen Predicanten Ires Abgangs oder Schwachheit halben Ir zu Zcitten nit predigen möchten,sollen sich In sollicher fürfallender Noth der Chormaister und Achter zum Predig Ambt gebrauchen und die Canzl nit unversehen lassen"^ Der hohe Stellenwert,den König Ferdi nand I. den Predigten zumaß,zeigt schließ lich auch folgende Bestimmung: "...Wir wollen auch, das in Sandt Stephans Thuemb Kirchen an den Suntagen oder Festen under der Fme Predig khein Meß gehalten, sonder vor oder nach derselben verricht werden"^. Die hohen Erwartungen, die König Ferdinand I. und Petrus Canisius an das Reformdekret geknüpft haben mochten, erfüllten sich nicht: Nur von 1560 bis 1562 versah mit Martin Eisengrein^ tatsächlich ein Wiener Domherr und promovierter Theologe die Domkanzel. Dagegen ist schon in den von Bischof Anton Bms von Müglitz am 16. April 1559 erlassenen Curstatuten^ wieder nur davon die Rede, daß die Kuraten nach der Ordnung predi gen sollten und nur dann,wenn sie verhin dert oder nicht dazu imstande wären,einen Vertreter suchen sollten. Dieselben Be stimmungen finden sich auch in den Curstatuten von 1624®. Spätestens seit 1608 versahen Patres des Jesuitenordens- in ununterbrochener Rei henfolge bis 1773-die Domkanzel von St. Stephan'. Ihr Verhältnis zu den Curpriestem wird in den Statuten nie behandelt. Erst mit dem beginnenden Reformkatholizismus und der auch von Bischöfen mitgetragenen katholischen Aufklämng wandten die Wiener Erzbischöfe Kollonitz und Migazzi der Domkanzelin den Cursta tuten wieder besonderes Augenmerk zu.So traf Kardinal Kollonitz in seiner Curordnung vom 2. Jänner 1741'° bezüglich der Predigten in der Domkirche folgende Be stimmungen: Der im Rang auf den Chor meister folgende Kurat soll an den Feierta gen predigen. Der dritte Kurat soll an den Sonntagen in der Domkirche die katecheti schen Predigten halten. Die übrigen drei Kuraten sollen,jahrweise abwechselnd, die nachmittägigen Predigten - diese wurde gleichzeitig von 2 Uhr auf4 Uhr verlegt - halten. Als Höchstdauer einer Predigt wur den dabei45 Minuten festgesetzt Wie ein Visitationsbericht vom 18.De zember 1758 zeigt", war diese Ordnung auch damals noch in Kraft. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Frühpredigt um6Uhr gehalten. Um 8 Uhr wurde wieder ge predigt,am Nachmittag folgte aufdie Lita nei eine halbstündige Exhorlation. Dazu kam an allen Marienfesten eine nachmittä gige Predigt. Der Inhalt der Predigten wird 1758 fol gendermaßen umschrieben:"In allen diesen predigen wird das Volck auf das beste un terrichtet, was immer zur erkanntnuß deren Kirchengebräuchen, ausweissung deren glaubensgeheimnussen,und abstellung de ren Sünden, auch nachfolgender einpflantzung deren lügenden nützlich, antreibend und verhülfilich seyn kaim". Die von Kardinal Miga2zi(1757-1803) am 1.November 1764 erlassenen Curstatuten'2 betonen die Wichtigkeit des Predigt amtes noch stärker so bestimmte der Kar dinal, die Kuraten sollten die letzten drei Tage vor ihrer Predigt von allen sonstigen Seelsorgeaufgaben befreit sein. Diese Auf wertung der Predigttätigkeit der Mitglieder der Cur läßt durchaus auf eine gewisse Konkurrenz zu den von der Gesellschaft Jesu gestellten Dompredigem schließen. Die Förderung der Predigten der Kuraten durch die Ei^ischöfe zeigte tatsächlich Er folg: so wird der Cur- und Chormeister Johann Michael Schnell,der die Cur bei der 50-Jahr-Feier der Übertragung des Gnadenbildes Maria Poes im Jahr 1747 vertrat, als berühmter Prediger geschildert'3. Nach der Aufhebung des Jesuitenordens (1773) versahen die Exjesuiten Josef Schneller und Philipp Purtscher die Dom kanzel zu St. Stephan. Nach dem Tod Schnellers (3. Februar 1802) stellte die erzbischöfliche Cur den Antrag,auf"ewige 21eiten" zwei Domprediger aus dem Religionsfonds zu dotieren. Dieser Antrag wurde mit Hofdekret vom 12. Dezember 1804 tatsächlich genehmigt. Als Dotation wurden das an der 1781 abgebrannten Maria Magdalena-Kirche auf dem Stephansfreithof bestandene Benefizium und das Otto-Hairao-Benefizium an der Salvatorkirche, die zugunsten des Religionsfonds eingezogen worden waren, beslimmt'^ Als Gehalt waren jeweils 500 (später;420)Gulden vorgesehen.In diesem Zusammenhang wurde auch "des priester lichen Anstandes wegen" verfügt, daß die Domprediger "in dem erzbischöflichen Kurgebäude zu wohnen haben, und in der Gemeinde der Curgeistlichkeit zu verpfle gen seyn werden". Das Emennungsrecht sprach der Kaiser nicht der Cur, sondem dem jeweiligen Erzbischofzu. Dieser sollte auch dafür sorgen,daß ein durch Alter oder sonstige Umstände untauglich gewordener Doraprediger "als Curat bey St. Stephan eine ehrenvolle Ruhe und gleiche Verpflegung mit den übrigen verdienten Mitgliedern der Curpriestcrschaft zu genie.ssen...hat". Dem Rang nach folgten die Domprediger gleich auf die Kuraten und waren von allen "übrigen Kurverrichtuiigen"losgezählt. Am 22. Juni 1835 erließ Erzbischof

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