und damit geschichtliche Vorgänge gedeutet wurden. Wer die Predigt kontrollierte, saß hinter den Schalthebeln der Gesellschaft Der gemeinsame Klrchenraum bricht auf: die Reformation und der Buch druck Die Predigt vor der Reformation hatte eine große Spannweite,sie reicht "von den Universitätspredigten bis zu burlesken und schwankhaften Kanzelreden, von den Re form-,Büß-,Volks-, und Wanderpredig ten bis hin zu denen der Ablaßkrämer. Wichtig für die Geschichte der Predigt ist der aus der Messe losgelöste, selbständige Predigtgotlesdienst und die Begründung der Prädikaturen, ... auf die theologisch gebildete Männer .. zu einem reinen Pre digtdienst berufen werden,"^ aber es be gann sich ein neues Verbreitungsmedium zu melden. Die Gründe, die zur Reformation ge führt haben, sind vielfältiger Natur, aber wir können die Behauptung wagen,daß die Reformation ohne den Buchdruck nicht denkbar gewesen wäre. Erst die Verviel fältigung der Rede ohne Zensur der zumeist klösterlichen Kopierer ermöglicht einen neuen Zugang zur Öffentlichkeit^. Nicht nur die "Rede", sondern die "Schreibe", gewissermaßen die "gefrorene" Rede, er reicht nun den Menschen,und kann zirku lieren, ohne an eine Rednertribüne ge bunden zu sein. Die Reaktion Roms und der staatlichen Autoritäten ist bekannt. Die katholische Kirche sieht sich auf dem Trienter Konzil, das in mehreren Schüben von 1542-1564 stattfindet, genötigt, Standpunkte zu for mulieren und Reformen einzuleiten, die erst im Laufe der nächsten Jahrhunderte griffen. Es wird eine Zwangsehe geboren,in de nen jede der Kirchen apologetisch ihren Standpunkt in Differenz zur anderen ze mentierte: "Argumentierst Du mit der Bi bel, dann argumentiere ich mit der Tradi tion." In der katholischen Kirche wurde Bi bellesen zumindest etwas Unanständiges, wenn nicht sogar etwas Hochverdächtiges. Die Antwort auf die Reformation: die von Gott transformierte und überhöhte Materie in der Barockzeit Nachdem sich die politischen und gei stigen Blöcke konsolidiert hatten, begann die Zeit des Barock. Für die Kirchen hieß es, daß sich der Gedanke Erasmus' durchsetzte, "daß Ge lehrsamkeit sowie Bildung von Klerus und Laien nicht ein Teil,sondern die Gmndlage einer jeden Reform sein muß"^. Der gebildete Kleriker und der belehrte Laie treten in den Mittelpunkt. Diese Um gestaltung läuft über drei Medien:(1) das Jesuitentheater(2)über die Buchprodukti on(3)über die Predigt. Gleichzeitig werden von der Obrigkeit der Index der verbotenen Bücher schärfer kontrolliert, und die Osterbeichte und der Komraunionempfang eingeschärft. Im Kirchenbau wird das Gesamtkunstwerk entwickelt, das aus Architektur, Plastik und Malerei, Literatur und Musik und schließlich aus vollzogener Liturgie besteht. Vor allem die eucharistische Verehmng, die Wallfahrten mit Beichtkonkursen und die Vorbereitung auf den christlichen Tod bilden das innere Gerüst barocker Frömmigkeit. Die Predigttätigkeit wurde intensiviert und reichte von der regulären Pfanpredigt über Hofpredigten bis zur Volksmission. "Weil sich die Prediger mit den Lehren der Reformation auseinandersetzen mußten, dominierte nach dem Trienter Konzil.. die Kontroverse .. und die Polemik gegen an dere Konfessionen. Nachdem die eigene Position lehrhaft gefestigt war und zudem die Moral ein Indizfür den rechten Glauben schien, schoben sich im Laufe des 17. Jahrhunderts moralische Inhalte immer mehr in den Vordergmnd. Im Sinne des humanistisch-rhetorischen Prinzips "prodesse et delectare" (nutzen und er freuen) dienten Exempel und "Predigtmärlein" der Unterhaltung der Zu hörer und waren Vehikel für die jeweiligen Inhalte"^. Die Barockpredigt war geboren, die ih rerseits nun langsam zu einem Treffpunkt des gesellschaftlichen Lebens wurde. Man ging zur Predigt, die oft mehrere Stunden dauern konnte, zur Erbauung, um gesehen zu werden, um auch andere zu treffen, und auch um vielleicht einmal gutzu schlafen^'. 17./18 Jhdt.Die Z^it der Aufklärung: die Kirche wird Pädagogin des Staatsbür gers In dieser Zeit wird das Verhältnis von Kirche und Staat neu definiert und prakti ziert. Warzuvor ein Ineinander,bei dem die Kirche zumeist ein Eigenleben führen konnte, wird sie im aufgeklärten Staat zur Dienerin der Staatsraison und der Erzie hung. Keine Epoche der Geschichte hat so fest an die Erziehung geglaubt wie die Aufklärung. So wurde der Priester vom Verkünder ewiger, zeitloser Wahrheiten zum Volkserzieher in der "vernunftgemäßen" Unterweisung. Ziel für den Prediger besteht darin, den Verstand und den Willen der Zuhörer zu bessern. Relevant ist, "was sich als "nützlich" und "praktikabel" erweist, d.h. im konkreten menschlichen Leben verifiziert werden kann.Deshalb rücken Themen der Moral in den Vordergrund". Die Konsequenz, die sich daraus ergibt, ist "eine Verschulung kirchlichen Lebens"^. Der sog. "Schusterkomplott" in Wien zeigt aber, daß die Aufklärung staatlicherseits dann beendet wird, wenn die Men schen tatsächlich zu denken beginnen^. Das 19./bis Mitte 20. Jhdt: Wir halten zusammen: Entstehung des Katholi zismus Nach der französischen Revolution, die ein geistiges Erdbeben war, hatte Napoleon Europa erschüttert, das sich im Wiener Kongreß zu reorganisieren begann. Für die Kirche hatte das zumindest die eine Kon sequenz: die erste Hälfte des 19. Jhdts. "bringt mit der ökonomischen (Entpfründung) und politischen Entmach tung der Episkopen, der Zerschlagung der alten kirchlichen Zwischeninstanzen (Metropoliten, Archidiakone, Pröpste) ... [eine] Monopolisierung der Koordinations und Verwaltungsfunktion durch die römische Kurie"^, wobei diese Zerstörung der alten Feudalordnung "einen Klerus und Ordensstand im Sinne des tridentinischen Ideals ermöglicht"^^ Der let2le Schliff dieser kirchlichen Umgestaltung wurde von Pius IX. (1846-1878) gegeben, der das priesterliche Ideal vertieft in die Kirche eingraviert: klassische geistliche Übungen, Brevierpflicht, tägliche Meditation, Rosenkranz,regelmäßige Exerzitien, sowie sonstige Verhaltensnormen. Der Diözesanpriester wurde verstärkt raonachisiert und anglifiziert und trat in größere Di stanz zur Gesellschaft und der geistigen Kultur. Ab der Mitte des 19. Jhdts kommtes zur Bildung des Katholizismus,in der Ausbil dung eines sich scharf abgrenzenden Deutungssystems mit einer zentral veran kerten kirchlich-institutionellen Kontrolle, die das Deutungsmonopol hat. Damit verbunden ist eine möglichst umfassende Einbindung der katholischen Bevölkerungsteile mit einer scharfen Ab grenzung zu anderen Konfessionen, die für ein gewisses Wir-Gefühl sorgen^^. Dieser Katholizismus besaß eine große Geschlossenheit. "Die Deckung von offi zieller kirchlicher Norm und faktischem Verhalten der meisten katholischen Gläu bigen (und Geistlichen) war nie so stark wieim Zeitraum von 1850 bis 1950"^.Die Kirche bot damit in der angehenden Pluralisiemng eine Heimat und Burg. Die leitende Theologie war die Neuscholastik, die bis in die Pastoraltheologie hinein an gewendet wurde: das syllogistische De duktionsschema, das das Dogma als Aus gangspunkt nimmt, und von ihm aus die Handlungsanweisungen, denen zu folgen ist, deduziert^. Die Aufgabe der Milieu stabilisierung dürfen wir auch bei der Predigt orten. Über all die Jahrhunderte ist eines gleich geblieben; die Predigt erfolgte von der Kanzel aus und war letztlich innerhalb der Liturgie der tridentinischen Messe eine Einsprengung, die schon dadurch sichtbar wurde, daß der Prediger sich zur Predigt mehr oder weniger außerhalb des Presbyteriums aufden erhöhten Standort der Kanzel begibt und sich davor noch den Vesper mantel umhängt. Schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts meldete sich die liturgische Bewegung zu Wort, mit dem Versuch,den Gläubigen die Möglichkeit zu geben, statt des Rosen kranzes wenigstens die Messe still mitzubeten. Von den Jugendbewegungen der Dreißigeijahre Quickbom, Jungmänner verband und Stuimschar wurde der Ge danke aufgegriffen "die Messe zu beten" und nicht bloß "in der Messe zu beten", um sie zu einer wirklichen Gemeinschaftsfeier zu gestalten, wobei die Predigt und ihr Ort nicht weiter thematisiert wird^.Aber schon 1936 hatte Pius Parsch in St. Gertmd in Wien die drei liturgischen Brennpunkte installiert, die auch das Zweite Vatikanum aufgreifen wird; Arabo-Priestersitz-und natürlich Altar. Daszweite Vatikanische Konzil Im zweiten Vatikanum werden die Wei-
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