und sein solides theologisches Studium waren ihni wertvolles Rüstzeug für die Verkündigung. Im Schicksalqahr 1938 wurden die ka tholischen Jugendverbände aufgelöst und die kirchlichen Organisationen zerschlagen. Für die Seelsorge verblieben damals nur der Gottesdienst, die Predigt, der Beichtstuhl und der persönliche Kontakt. Das hat der Domprediger Dorr zusammen mitseinen Mitbrüdem bei SL Stephan eifrig g^flegt Die damals noch ziemlich neue Form der Betsingmesse kam in Schwung, kirchliche Feste wurden mit besonderer Feierlichkeit begangen. Gerne war Dorr d^ei auch der Mystagoge. So wurde der Zuhörerkreis des Dompredigers immer größer. Viele Menschen wählten ihn dann auch zum Beichtvater und Seelenfuhrer. Diese seelsorglichen Aktivitäten in der Domkirche erregten immer mehr das Miß fallen der nationalsozialistischen Machtha ber. Ohne jeden konkreten Grund wurde über den Domprediger Dorr, als dem gei stigen Motor, im Juni 1941 das "Ostmarkverbot" verhängt. Er wurde in die Universitätsstadt Tübingen verbannt. Diese Abschiebung aus der Heimat sollte bis 1946 dauern. Es war aber keine leere Zeitganz im Gegenteil. Er vertiefte seine theo logischen Studien, insbesondere bei Prof. Karl Adam,und erlangte 1942 das theolo gische Doktorat Er h^ auch gerne in der Seelsorge aus und war in ökumenischem Geist mit evangelischen Pastoren bestens befreundet Neben ernsten geistlichen Ge sprächen mit ihnen gab es daim auch gele gentlich erfrischenden Humor. Diesen ökumenischen Geist hat er sich auch wei terhin bewahrt,ja sogar vertieft Die letzten Jahre des Krieges und den Zusammenbruch erlebte Dr. Dorr im Schwarzwalddorf Weitingen und stand dem dortigen Pfarrer Karl Wagner als Seelsorger hilfreich zur Seite. Außerdem hielt er nach Kriegsende im Auftrag des Bischofs von Rottenburg Radioansprachen im Stuttgarter Rundfunk und hielt Priesterexerzitien in der Diözese Rottenburg. Nachdem sich die Verkehrssituation und die Sicherheits verhältnisse etwas gebessert hatten, kehrte Dr.Dorram 21.Mai 1946 nach Wien,nach St. Stephan, zurücL Aus Dankbarkeit für die glückliche Heimkehr legte Dr.Dorr sich fortan zu seinem Taufhamen noch den Na men des Erzengels Raphael,des biblischen Reisecngels, bei. Sogleich begann er einen großangelegten pastoralen Versuch.Er hielt nämlich in der Kirche Am Hof, wo nach der Brandkatastrophe im Dom der Pfarrgotlesdienst von St. Stephan gefeiert wurde, vom 12.-18. Juli 1946 öffentliche Exerzitien ab. Etwa 3000 Männer und Frauen haben an diesen Exerzitien teilge nommen. In dieser Zeit des leiblichen Hungers war auch der "Hunger nach geistlichem Brot" sehr groß. Deshalb wie derholte Dr. Dorr im November 1946 die öffentlichen Exerzitien ausschließlich für Männer. Als Frucht aus den öffentlichen Exerzitien erwuchs das "Wiener Orato rium", eine Brüderschaft nach kirchlichem Recht (an der Domkirche errichtet), deren Mitglieder durch Gebet,Bekenntnis,soziale und apostolische Tat andere für ein aktives. christliches Leben zu gewinnen suchten. In der Folge übernahm Dorr auch für den an seiner Bombensplitterverwundung vom 8. April 1945 schwer leidenden Dompfarrer Kanonikus Franz Geßl die anfallenden pfarrlichen Obliegenheiten und setzte umsichtig gewonnene Laienmitarbeiter für Caritas und Apostolat ein. Als Dompfarrer Geßl am 24. August 1948 starb, wurde Dr. Dorr am 15. Dezember 1948 zum Dompfarrer ernannt und am 2.Jänner 1949 im bereits zum Teil wiedereröffneten Stephansdom ins Pfarramt feierlich eingeführt Aufs Ganze gesehen war der Stephansdom doch noch eine Brandruine und es bedurfte noch überaus großer Geldmittel für die weitere Wiederherstel lung. Da betraute im Jahr 1950 Kardinal Dr. Theodor Innitzer den neuen Dompfar rer mit der Beschaffung der notwendigen Geldmittel. Dank seines hohen Bekanntheilsgradcs, seiner soliden Freund schaß mit prominenten Politikem sowie mit PereÖnlichkeiten aus Kultur und Wirtschaft, war Dorr der richtige Mann für diese große, schwierige Aufgabe. Durch seine Eloquenz und sein Verhandlungsgeschick gelang ihm da in kurzer Zeit erstaunlich viel. Das Kuratorium für die Erhaltung des Stephansdomes wurde geschaffen, die große Dachziegelaktion und andere Akti vitäten wurden gestartet, der schon beste hende Domerhaltungsverein intensiviert. Zahlreiche Reisen im In- und Ausland waren notwendig.Der Auftrag des Bischofs sowie die mündlichen und schriftlichen Empfehlungen der erwähnten Freunde öff neten ihm viele Türen und Herzen. Schon im April 1952 konnte der Dom zur Gänze für den Gottesdienst eröffnet werden. Vie les mußte aber noch geschaffen werden, wie die große Orgel, das elfstimmige Ge läute, die Bischofs- und die Doraherrengruft. In Anerkennung seines so ver dienstvollen Wirkens für den Dombau wurde Dompfarrer Dorr im Jahr 1953 in das Domkapitel aufgenommen und erhielt 1960 den Prälatentitel. Doch über allem Einsatz für den altehrwürdigen Dom war für Dompfaner Dorr das Herzensanliegen die lebendige Gemeinde bei Verkündigung, Liturgie und Spendung der Sakramente. Er hat dafür die wertvolle Einrichtung der zwei Beicht- und Aussprachezimmer geschaffen. Wertvoll vor allem für Gehbehinderte, für Schwerhörige, aber auch für den Dienst der Beichtpriester. Ebenso bedeutsam ist die Einrichtung der Eligiuskapellc für die stille Eucharistische Anbetung. Zunächst gedacht für die Abendstunden,jetzt aber ganztägig. Den entscheidenden Akzent seines prie sterlichen Wirkenssetzte Prälat Dorr aufdie Predigltäti^eit. Schon einer Kurzpredigt etwa bei einer Werktagsmesse widmete er entsprechende Sorgfalt in der Gedanken folge und der Prägnanz in der Formulie rung. Bei thematischen Zykluspredigten wählte er gerne Vergleiche aus der Natur und Begebenheiten aus der Menschenwelt, um so wie auf einer geistigen Leiter auf zusteigen zur Darlegung und Betrachtung der großen christlichen Glaubensge heimnisse,etwa der Allerheiligsten Dreifal tigkeit oder der Eucharistie. Besonders gelegen war ihm aber auch die Homilie zu den Lesungen an den Sonntagen und Hochfesten. Mit gediegener Exegese wur den die biblischen Texte gedeutet und die Folgerungen für das christliche Leben ge zogen. Trotz gelegentlichen kräftigen Er mahnungen lag ihm ein einseitiges, düste res Moralisieren fern.Immer blieb der Blick auf die alles überragende Barmherzigkeit Gottes offen. Die Zuhörer konnten das Empfinden haben, dieser Prediger versteht uns in unserem Menschsein. Besonders hervorzuheben sind da seine Silvesterpredigten, die, vom Rundfunk übertragen, eine Unzahl von Zuhörern er reichten. Nicht landläufige Rückschau über das verflossene Jahr, keine Polemik über den Zeitgeist. Dafür aber etwa das für die menschliche und christliche Existenz eindrucksvolle Thema: Die Vier Letzten Dinge. Das war eine großangelegte Kan zelrede, gedanklich und sprachlich mei sterhaft dargeboten. Da hat er sich geradezu bis an die Grenzen des Möglichen verausgabt. Jedenfalls ist es ein Glück, daß ein beträchtlicher Teil der Ansprachen, Predigten und Kanzelreden, die Pr^at Dorr gehalten hat, auf Tonband aufgenommen im Wiener DiÖzesanarchiv aufbewahrt wird. Seinem besonderen Charisma durchaus entsprechend war sein letztes priesterliches Wirken eine Predigt.Am 4. März 1964,am Vorabend seines so jähen Todes, hielt er noch bei der Abendmesse im Stephansdom die ergreifende Predigt über "die Liebesreue des hl. Petrus". Zum Glück ist uns diese Predigt auf Tonband erhalten. Plastisch schildert Dorr da die Situation, charakterisiert meisterhaft den Apostel Pe trus als Mann, als Sünder und als tief Be reuenden. Die Predigt gipfelt dann im be glückenden Hinweis auf die alles überra gende, verzeihende Barmherzigkeit des Erlösers. Am frühen Vormittag des 5. März 1964 fand man Prälat Dorr tot in seinem Schlafzimmer. Tiefste Betroffenheit ringsum. Die Pummerin trug die Trauer kunde weit hinaus. Schwarze Fahnen wur den gehißt und die nächsten drei Tage wurde der Verstorbene in der Curhauskapelle aufgebahrt. Viele Menschen aus nah und fern nahmen tief bewegt Abschied von dieser Priesterpersönlichkeit. Am Sonn tagabend trug man den Leichnam unter dem Geläute des Zügenglöckleins in den Dom.Dort ruhte er einen Tag lang am Fuß der Domkanzel und auch hier zogen viele Trauemde an der Bahre vorüber. Am Dienstag, dem 10. März, hielt der Senior der Curgeistlichkeit, Dorakurat Msgr. Josef Göbel die erste Einsegnung. Anschließend feierte der Dompropst,Prälat Josef Wagner, das Requiem, wobei der als Dompfarrer nachfolgende Msgr. Alois Penall mit schlichten mitbrüderlichen Worten den Nekrolog hielt. Kardinal Dr. Franz König zelebrierte das Libera und geleitete den Kondukt in die Domherrengruft. Dort sollte nun Prälat Dorr als erster seine letzte irdi sche Ruhestätte finden. Der gütige Gott schenke ihm den über reichen Lohn des Himmels!
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