Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Religionsunterricht und Katechismus im institut der Engiischen Fräulein Von Henriette Peters Als der Unterrichtfür Knaben undjunge Männer schon längst gefestigt war und durch ein Universitätsstudium abgeschlos sen werden konnte, stand das Unterrichts wesen für Mädchen nicht einmal in den Kinderschuhen. Die gesellschaftliche Ord nung auf unserem Kontinent war patri archalisch. Mädchen und Frauen war die untergeordnete Arbeit in Haus und Hofzu gedacht Für sie gab es nur zwei Lebens richtungen: die Ehe oder das Kloster. Un verheiratete Frauen außerhalb der Klostermauem waren nicht gerne gesehen. Sogar an den Fürstenhöfen war das so. In den Städten war ihr Schicksal um einiges leich ter als am Land. Dort gab es ein Geschäfts leben mit einigen, wenn auch wenigen Aufstiegsmöglichkeiten. Die Mitarbeit in den Läden, die Aufsicht bei der aufkeimenden Hausindustrie, wie Weben, Nähen oder Klöppeln. Für die Hilfe bei der Verrechnung der Einnahmen und Ausga ben mußte das Mädchen, die Frau zumin dest lesen, schreiben und rechnen können. Daher kam es, daß es in den Handelsländem im Westen und im Norden Europas bedeutend mehr Frauen gab, die in den Gmndfächem halbwegs ausgebildet wor den waren. Schulen gab es kaum für sie und wenn, dann nur in den beschaulichen Orden-andere gab es nicht!- in denen sie die vielleicht schönste Zeit ihres Lebens hinter dem Gitter verbrachten. Diese Schu len waren dem Adel oder dem reichen Bür gertum vorbehalten. Anders wurde es zur Zeit der Reforma tion. Die Protestanten wurden angehalten, die Bibel zu lesen. Das galt für Mann und Frau. In dieser Zeit entstanden auch im katholischen Bereich kleine Schulen, deren Leitung in den Händen einiger- meist rei cher - Bürgerinnen lag, die ihr Privatver mögen für diesen schönen Zweck zur Ver fügung stellten. In Flandern und Nord frankreich entstanden ordensähnliche Ge meinschaften, etwa die Filles de SainteAgnäs,und nicht zu vergessen die Beginen. Vor allem die letzten übten einen großen Einfluß auf die Bildung und den sozialen Status der Frau aus. Himtu kam die kirchliche Entwicklung in England, die oftmals übersehen wird. Es darf als bekannt vorausgesetzt werden, daß König Heinrich VIII., der anfanglich ein begabter Mann war, sein Land aus dem Verband der römisch-katholischen Kirche herausriß (1532) und eine Nationalkirche für England einführte. Seitdem gab es in seinem Land den Krypto-Katholizismus, die "Penal-Times" und den Auszug tausender Katholiken, die ein Leben in der Verbannung dem Zwang der Regierung vorzogen. In England verblieben dennoch Gruppen von tapferen Frauen, die sich des Schicksals der bedrängten Katholiken an nahmen. Ein wenig bekanntes Beispiel ist das Wirken der Spanierin Luisa de Carvajal, die ein marianisches Institut gründete. dassich in England aber nicht halten konn te. Die Polizei war überall. Ein ähnliches Los traf eine andere Gründung,die vorder hand noch keinen Namen hatte. Sie war ei ne kleine Gruppe von Frauen,die sich 1609 unter der Leitung der Mary Ward in Lon don zusammenschloß und - vielleicht als Folge der Unterdrückung des Institutes der Luisa de Carvajal-nach Flandern auswan derte. In der kleinen südflandrischen Stadt Saint-Omer,dem Mittelpunkt für englische Flüchtlinge, ließen sie sich nieder, und widmeten sich dort anfänglich der aus England bekannten Aufgabe: Besuch und Unterstützung englischer Familien. Aber schon bald sahen sie die Notwendigkeit ei ner Unterrichtsstälte für englische Mädchen und gründeten 1610 ihre erste Schule. Wir wissen sehr wenig über diese Anstalt. Sie war dreiklassig und vordergründig dem Religionsunterricht gewidmet. 1615 betreuten die "Englischen Fräulein",wie sie bald von der Bevölkemng genannt wurden, bereits dreißig Zöglinge und gewiß eine größere Anzahl von Mädchen aus englischen Flüchtlingsfamüien, die in Saint-Omer Zuflucht gefunden hatten. Das Institut breitete sich schnell aus. In Lüttich, Köln, und Trier entstanden Niederlassun gen, ebenso in Rom,Perugia und Neapel, einige Jahre später in München, Wien und Preßburg. Den Kampf Mary Wards um die Bestä tigung ihres klausurfreien Institutes durch die Kirche müssen wir hier übergehen. In der Universitätsbibliothek Budapest befindet sich eine für die Tätigkeit der Englischen Fräulein in Preßburg kostbare Quelle: Ein Lehrplan für ihre Schule. Es ist anzunehmen,daß dieser Plan auch in ihren friiheren Gründungen die Grundlage für ihre Unterrichtstätigkeit bildete. Die Schule wurde vierklassig geftihrt und auch in ihr stand der Religionsunterricht an erster Stelle. In der ersten Klasse wurde eine Grundlage' gebildet: Die Gebete eines katholischen Mädchens:Das Morgen- und Abendgebet, die Tischgebete und Gebete vor und nach der Arbeit, der Rosenkranz, die Meßfeier, die Einführung zur Beichte und die Pflege von Kirchengesängen. In derzweiten Klasse wurde das Erlernte wiederholt und dann ein wenig darin wei tergegangen. Das Meßopfer wurde einge hender behandelt,ebenso die vertiefte Vor bereitung auf den Sakramentenempfang sowie der Anfang des Katechismusunter richtes. Auch die dritte Klasse bot wiederum ei ne Wiederholung und Vertiefung des be reits erlernten Stoffes. Man las jetzt auch bereits einfache geistliche Bücher, vielleicht Heiligenleben oder Heiligenlegenden. Der Katechismusunterricht wurde weitergeführt und in der vierten Klasse abgeschlossen. Das Wissen um das Marianische Brevier, um die Heüigenverehrung, die Teilnahme am Meßopfer und der Sakramentenemp fang war in diesem Religionsunterricht der letzten Klasse eingebunden. Man unter nahm kürzere Wallfahrten und lernte als Freifach Latein, um die Messe besser ver stehen zu köimen. An Samstagen wurde den Schüleriimen die Meßfeier des darauf folgenden Sonntags erklärt, in der Sonn tagsschule waren sie beim öffentlichen Ka techismusunterricht,der vielmals durch Je suiten gegeben wurde,anwesend. Gewiß, es war eine barocke Frömmig keit, die geboten wurde,aber sie paßte zum überladenen Lebensstiljener Zeit. Bemerkenswert sind die vielen Wieder holungen des Lernstoffes. Eines darf dabei nicht übersehen werden:Beim Anfangsun terricht hatten die Lehreriimen Analphabe ten vor sich,noch dazu Mädchen verschie denen Alters, denn Schulpflicht gab es da mals nicht. Dazu kam, daß die Mädchen manchmal daheim bleiben mußten,um dort zu helfen. Das kam vor allem in Weinbau gebieten zur Zeit der Lese vor, und die Englischen Fräulein beklagten sich darüber. Immerhin ist beachtlich, daß die Ge samterziehung der Mädchen durch den Religionsunterricht geprägt wurde. Ehr furcht vor Gott, den Eltern und hochgestellten Persönlichkeiten (!) ge genüber,die Gewissenserforschung und die Bekämpfung der eigenen Fehler wurden ihnen ebenfalls beigebracht. Viel Wert wurde auf das mündliche Gebet gelegt. In einem kleinen Buch aus dem frühen 18. Jahrhundert sind dieses Gebete enthalten: "Zu Morgens,wann sie erwachen unnd auß dem Beth steigen. Nach dem Ankleyden und Waschen.Der Engel deß Hern. Gebett nach der Meß. Stund-Gebett", und viele andere. Die Schulen und mit ihnen die katholi sche Erziehung der Mädchen außerhalb des Elternhauses blühten schnell auf. In Wien nahmen 1629 weit über 400 Schülerinnen am Unterricht teil, in Preßburg gingen noch im Gründungsjahr 1628 siebzig Schülerin nen der Englischen Fräulein in der Mar kusprozession. Am 13. Jänner 1631 wurde das Institut durch Papst Urban VIII. aufgehoben. Die klausurfreie, ignatianisch ausgerichtete Le bensweise und die ^ostolische Arbeit in England waren nach dem damaligen Kirchenrecht.für Frauen verboten. Die kleine ren Niederlassungen, auch in Wien und Preßburg, überlebten den Schlag nicht. Die verbliebenen ehemaligen Mitglieder wur den nach München bemfen, wo sie, unter dem Schutz des Kurfürsten Maximilian I., als weltliche Lehrerinnen weiter unterrich ten konnten. Trotz der überaus scharfen Bulle "Pastoralis Romani Ponlificis" durf ten die Englischen Fräulein auch in Rom ihre Tätigkeit weiter ausüben. So überlebte das Institut die lange Durststrecke bis zu seiner Bestätigung im Jahr 1749. Trotz mangehider kirchlicher Bestäti gung breitete sich das Institut rasch aus. 61

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