Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

zu verweisen und zu einem sittlichen Leben anzuleiten. Für die Gebildeten muß man aber in die Tiefe gehen. Ihre Gesinnung ist umzugestalten, sie sollen fähig werden, die Heilige Schrift geistlich, nicht allein dem Buchstaben nach, im Lichte des neuen Glaubens zu lesen. Zeitlos gültig bleibt die Mahnung des heiligen Bischofs von Hippo an die Katecheten, die frohe Botschaft stets frohen Herzenszu verkündigen. Mit der Christianisierung der verschie denen germanischen Stamme steht die Ka techese vor einer neuen Situation. Die Masse der Bevölkerung folgt in ihrem Glaubensbekeimtnis jeweils einfach dem König, ohne vorangehende individuelle Unterweisung. Vom altchristlichen Katechumenat ist seit der allgemeinen Durchsetzung der Kindertaufe keine Rede mehr. In den verschiedenen "Renaissancen" des Mittelalters wird immer auch versucht, den religiösen Bildungsstand der Bevölke rung zu heben, wobei man sich dabei be gnügen muß, ein Minimum an Glaubens kenntnissen zu verlangen. So forderte das Konzil von Frankfurt im Jahr 794, jeder Christ solle wenigstens das Apostolische Glaubensbekenntnis kennen. Von Karl dem Großen wird in diesem Zusammenhang berichtet, er habe die Taufpaten auf ihre Kenntnis des Credo prüfen lassen. In dieser Zeit entstehen die ersten kurzen Zusam menstellungen des Glaubens in Frage und Antwort, teilweise schon in der Muttersprache. In der sogenannten Renaissance des 12. Jahrhunderts wiederholt Petrus Abälard die Fordemng, alle Christen müßten das Apostolische Glaubensbekenntnis und das Vaterunser - er verfaßt zu diesen eigene Kommentare- gemeinsam und auswendig beten können. Seine Zeitgenossen Hugo von Sl Viktor (+ 1142) und Bischof Honorius von Autun verfassen Texte, die gerade dazu bestimmt waren, auch leicht behalten 2M werden. Hugo von SL Viktor gliedert seine Darlegungen nach den sieben Hauptfehlem und den sieben Haupttugen den,die er in Verbindung setzt mit den sie ben Bitten des Vaterunsers und den sieben Gaben des Heiligen Geistes. Honorius von Autun verfaßte sein Elucidariim als Dialog zwischen einem Lehrer und seinem Schüler über die Grundwahrheiten des Glaubens. Das 13.Jahrhundert,jene Zeit,in der der hl. Thomas von Aquin seine großen Sum men der Theologie schrieb, brachte zum Thema"Katechismus" nichts Neues hervor. Gerade diese Zeit war aber durch die Pre digttätigkeit der aufkommenden Bettelor den hinsichtlich der religiösen Unterwei sung auch des einfachen Volkes besonders fhichtbar. Seit dem 14. Jahrhundert nimmt die Schriftlichkeit und der Bildungsstand all gemein zu. In dieser Zeit äußert sich der Kanzler Johannes Gerson (1363-1429) folgendermaßen: "Will man die Kirche re formieren, muß man mit den Kindern be ginnen"^. Zu diesem Zweck verfaßt er ein "ABC für das einfache Volk",das zu^eich in die Anfangsgründe des Imsens wie des Glaubens einführt. Geison verfaßt aber auch ein eigenes Buch für den Gebrauch der Pfarrer, in dem er die Zehn Gebote be handelt, einen ausführlichen Beichtspiegel bietet, wobei vor allem die Todsünden aus führlich erläutert werden und schließlich dasThema"ein guter Tod"bespricht. Trotz der vielen Ansätze im Spätmittelalter zur Reform der Kirche "an Haupt und Gliedern" nimmt die religiöse Unwis senheit des Volkes und vor allem auch des niederen Klerus zu. Hier liegen sicher auch viele Gründe für den späteren raschen Er folg der Reformatoren im 16. Jahrhundert. So klagt Luther in der Vonede zu seinem Kleinen Katechismus: "Hilf, lieber Gott, welchen Jammer habe ich gesehen: daß der gemeine Mann doch so gar nichts weiß von der christlichen Lehre, besonders auf den Dörfern; und(daß)leider viele Pfarrer recht ungeschickt und untüchtig sind, zu leh ren"^. Das 16. Jahrhundert kann,ruckblickend gesehen, als das Jahrhundert der Katechis men bezeichnet werden. Dir Erfolg und ihre rasche Verbreitung war nicht zuletzt durch die Erfindung des Buchdrucks durch Jo hannes Gutenberg(um 1450) erst möglich geworden. In dieser Zeit erhält das Wort "Katechismus" auch seine endgültige Be deutung als Bezeichnung für jenes Buch, das das Glaubenswissen enthält Zum ersten Mal wird das Wort in diesem Siim von Martin Luther 1519 in seiner Vorrede zur "Deutschen Messe" gebraucht. Luther ist es auch, der die ersten großen Katechismen verfaßt. Noch ganz in der mittelalterlichen Tradition stehend verfaßt Luther im April 1529 zunächst den "Großen Katechismus" für "christliche Hausväter" und im folgen den Monat den "Kleinen Katechismus" "für die gemeinen Pfarrherm und Prediger". In haltlich sind beide Katechismen nach den Zehn Geboten, dem Glaubensbekenntnis und dem Vaterunser gegliedert. Ausfüh rungen über die Taufe und das Altars sakrament bilden das Ende. Luther wendet sich also an die Hausväter, die Pfarrer und Prediger als Multiplikatoren der christ lichen Botschaft; einen eigenen Katechis mus für Kinder verfaßt Luther nicht. Mit Luthers Katechismen wird nun erstmals ein bestimmtes Buch offiziell zur Grundlage der religiösen Bildung gemacht. Im Gegensatz zu seinen sonstigen Schriften zeigt sich Luther in seinen Kate chismen sehr zurückhaltend. Er behandelL vor allem im Kleinen Katechismus, Kon troversfragen überhaupt nicht und will nur das Unveränderliche des christlichen Glau bens darstellen. So wirkt der Katechismus auch konfessionsbildend. Er trägt entschei dend dazu bei, "die Errichtung einer neuen Kirche bei denen [zu]zementieren,die bis her nur den Katholizismus reformieren wollten"^ Eine weitere Ausgestaltung erfahrt die Gattung "Katechismus" durch Johann Cal vin. 1541 schreibt er:"Wenn ihr ein dauer haftes Haus bauen wollt, das nicht sofort zusammenstürzt,dann sorgt dafür,daß eure Kinder in einen guten Katechismus einge führt werden,der ihnen kurz und ihrer Ju gend entsprechend zeigt, wo das wahre Christentum ist'"^. Die von Calvin ge brauchte Darbietung des Glauben.swissens in Frage- und Antwortforra wird dann vorbildlich für die meisten späteren Kate chismen,unabhängig von der Konfession. Für die reformierte Kirche wird schließ lich aber der sogenannte "Heidelberger Katechismus" (1563) die entscheidende Grundlage der Glaubensunterweisung. Auf katholischer Seite setzen sich schließlich-nach verschiedenen Vorarbei ten, zu denen auch der Wiener Bischof Friedrich Nausea(1541-1552)beitrug,zu nächst die Katechismen des hl. Petrus Canisius aus der Gesellschaft Jesu' durch. Trotz ihrer weiten Verbreitung und Ak zeptanz wird aber der Katechismus des Pe trus Canisius nicht als "der" katholische Katechismus eingeführt. Diese Stellung nimmt vielmehr der sogenannte "Catechismus ex decreto concilii Tridentini" ein: Schon in seiner ersten Sitzungs periode beschlossen die Konzilsväter in der Generalversammlung vom 5. April 1546, einen Katechismus in der Volkssprache und in Latein herauszugeben, der der Heiligen Schrift und den Vätern entnommen sein und nur das enthalten sollte, was den Glau ben betrifft. Das Projekt "Katechismus" wurde aber auf dem Konzil von Trient erst 1562 wieder aufgegriffen. Zunächst war daran gedacht, wesentliche Teile aus den Katechismen des Petrus Canisius zu über nehmen. Schließlich wurde aber entschie den,einen eigenen Katechismus zu verfas sen. Das entsprechende Redaktionskoraitee setzte sich aus Spaniern - diese sollten als die "sichersten im Glauben" das Credo be arbeiten - Franzosen und Professoren von Löwen zusammen. Da die Arbeiten am Katechismus bis zum Ende des Konzils (1563) nicht abgeschlossen werden konn ten, setzte Papst Pius IV. 1564 eine neue Kommission dafür ein; den Vorsitz führte dabei sein Neffe, der später heiliggespro chene Errf)ischof Karl Bonomäus von Mailand. Am 14. September 1566 veröf fentlichte Papst Pius V. schließlich den "Catechismus Romanus". Wie der Zusatz "ex decreto Concilii Tridentini" angibt, steht hinter diesem Werk die volle Autorität des Konzils von Trient. Der weitere Beisatz "ad parochos" bezeichnet schließlich die Adressaten: der Katechismus war nicht für den uiunittelbaren Gebrauch der Gläubigen sondern für die Pfarrer bestimmt. Auch dieser Katechismus enthält sich jeder Po lemik-seine Hauptverfasser stammten aus Ländern, die nicht von der Reformation in dem Maße, wie Deutschland betroffen worden waren- und stellt vielmehr positiv den Glauben der Kirche dar. In vier Teile gegliedert legt er in der Abfolge Apostoli sches Glaubensbekenntnis - Sakramente - Zehn Gebote - Vaterunser die ganze Heüslehre vor. Damit soUte tatsächlich das Ganze des Glaubens genügend dargestellt sein: "Nach der Erklärung dieser vier gleichsam allgemeinen Hauptstücke der Heiligen Schrift bleibt kaum noch etwas zum Verständnis dessen übrig, was einem Christen zu lernen nottut"® heißt es dazu im Vorwort. Dieser menschliche und christ liche Optimismus, der eine der Stärken des Katechismus ausmacht,ist nichtzuletzt eine Frucht des christlichen Humanismus aus dem Beginn des 16. Jahrhunderts. Diesem Einfluß ist auch die starke Heranziehung 54

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