Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Wenn die Korrespondenz der belagerten Stadt mit dem Kaiser demnächst veröffent licht vorliegt, wird sich der Vorwurf über prüfen lassen. Verwundert und empört wird die Wienerjedenfalls der Inhalt einiger kai serlicher Schreiben haben, da Friedrich ganz ungerührt Anweisungen über für ihn bei der Burgzu tätigende Bauarbeiten gibt®. König Matthias gelang es unschwer, die Wiener für sich zu gewinnen. Sein prunk voller Einzug in Wien und später in Wiener Neustadt war jeweils von einem großen Lebensmitteltransport begleitet und bot zugleich durch das feierliche Gepränge ein Schauspiel, das ihnen der Kaiser nie berei tet hatte'. Auch Maximilian war vom Ungamkö nig beeindruckt. Er hatte nicht nur eine große Bewundemng für seinen Schwieger vater Karl den Kühnen, sondern offenbar auch für Matthias Corvinus, weil sie eben so ganz andere auftraten als sein Vater. Er wäre zu einem Friedensschluß mit Ungam bereit gewesen, nicht so freilich der Kaiser, der damals auch schon überzeugt gewesen sein soll, daß Matthias nicht mehrlange le ben würde. Ein Bericht über die Verhand lungen mit Ungarn 1489/90 schildert den alten Kaiser in ganz bezeichnender Weise. Matthias hatte Propst Georg von Schönberg zu ihm gesandt mit dem Bemerken, der Verhandler wäre ja wohl bekannt, doch konnte gerade dieser Kleriker nur unange nehme Erinnerungen bei Friedrich wecken, da er Baumkirchere Mann gewesen war. Friedrich ließ ihn zunächst einmal gar nicht vor. Nachdem sich der Propst den Zutritt zum Kaiser erzwungen hatte, soll er, bzw. sein Auftraggeber, mit einer Parabel abge speist worden sein. Matthias beklage sich über Überfälle des kaiserlichen Haupt manns von Güns, dabei sei ihm sozusagen nur eine Gans genommen worden,während dem Kaiser durch die Ungam ein Ochse weggeführt worden sei^°. Die Zeit liebte natürlich solche Geschichten, doch ist es bezeichnend,daß sie immer wieder dem al ten Kaiser in den Mund gelegt werden. Ein besondere hübsches Beispiel findet sich bei Philippe de Commynes, der berichtet, Friedrich habe König Ludwig XI. von Frankreich, der ihm eine Teilung des bur gundischen Reiches zwischen ihnen vor schlagen ließ, die Geschichte von den Bur schen ausrichten la.ssen, die die Haut des noch nicht gefangenen Bären verkauften, denn Karl der Kühne war damals noch am Leben. Der alte Kaiser genoß also weithin den Ruf, klug, wenn nicht verschlagen zu sein. Am österreichischen Hofwaren offenbar nach dem Tod Friedrichs III. eine ganze Reihe von Anekdoten über ihn im Umlauf. Besondere die Werke Cuspinians überlie fern einige recht bezeichnende Geschichten, die ihn als lebensklugen Menschen zeigen. Daß ihm dazu Verschwendung verhaßt war, soll er im Jahr 1450 bewiesen haben. Damals geriet der Wein sauer und untrink bar, worauf Friedrich anordnete, ihn nicht wegzuschütten,sondern für den Mörtel zur Fundamentiemng des Nordturms von St. Stephan zu verwenden, weil das besondere Haltbarkeit garantiert". Bei Grünpeck wer den dem alten Kaiser geradezu übersinnli che Kräfte zugeschrieben und seine Beschäftigung mit Astrologie und Ähnli chem hochgespielt, was aber auch auf des Verfassers diesbezügliche Interessen zu rückgehen mag und Maximilian, der das Manuskript durchsah, zu einigen Strei chungen veranlaßte. Die beiden letztge nannten Autoren bereichern bis heute die Qiarakteristik Friedrichs in den Ge schichtswerken, wobei Grünpeck vielleicht mit größerer Vorsicht zu benützen wäre. Maximilians eigene Werke sind nicht besondere aussagekräftig für den Vater, ja sie verfälschen gelegentlich sein Bild. Da sie ganz auf die Verherrlichung Ma.ximilians hin konzipiert sind,darfder "alte Weiskunig" keine wirkliche Individualität ha ben. Wenn er sich mit Stemdeuterei be schäftigt, so nur um die große Zukunft des Sohns weissagen zu können,und er regiert, damit der Sohn bei ihm die Staatsgeschäfte lernen kann. Das umfangreichste österreichische Ge schichtswerk,das bis zum Ende der Regiemngszeit Friedrichs III. reicht,stammt vom bereits erwähnten Unrest. Es ist besondere wegen zahlreicher sonst nicht bezeugter Einzelheiten zu den Ereignissen wertvoll, die offenbar aus sogenannten Zeitungen und sonstigen Primärquellcn geschöpft sind. Unrest ist grundsätzlich kaisertreu, aber durchaus nicht unkritisch Friedrich gegenüber,dem auch er im Zusammenhang mit bestimmten Ereignissen vorwirft, zu langsam zu handeln oder aus Geiz.Die sel tenen grundsätzlichen Äußemngen zur Person Friedrichs sind aber positiv, wie wenn er anläßlich der Todesnachricht seine Frömmigkeit lobt oder zu Begiim seiner Geschichte schreibt: Friäreich wart von jugent weiß und klueg und der geschrifft gar wolgelert... Werm Unrest weiß und klueg sagt, un terscheidet er zwischen der traditionellen "Weisheit" des Mittelalters, die Religiöses und Ethisches einschloß, und einer rein in tellektuellen weltlichen Klugheit, die als Vorstellung erst nach 1400 aufkommt^^. Bei der Interpretation der zeitgenössischen Äußerungen zur Person Friedrichs III. müssen wir auf die damaligen Wortbedeu tungen und zugleich auf ein doch von unserem abweichendes Bild des Menschen Rücksicht nehmen. Wir haben es dabei mit traditionell mittelalterlichen Geschichts werken zu tun, die dem Verständnis ganz offensichtlich Schwierigkeiten entgegen setzen, aber durchaus auch schon mit Tex ten, wie etwa den Briefen des jungen Aeneas Silvio Piccolomini, die ganz unmit telbar zu unssprechen. Als geradezu modern und fein psychologisierend empfinden wir z.B. die Berichte Johann Reuchlins vom Frankfurter Reichs tag 1486. Dieser Reichstag war ein klarer Erfolg für den Kaiser, demgemäß erhalten wir ein unerwartet freundliches Bild von ihm. Reuchlin beobachtete die menschli chen Details am Rande, wie es dem Kaiser wohl tat, wenn der Sohn ihm die Ehre gab. Er fand Friedrich sogar zu gelegentlichen Scherzen aufgelegt und geradezu leutselig. Die offizielle humanistische Ge schichtsschreibung verlangt einige Ver trautheit mit den klassischen Konventionen, etwa daß die Reden Erfindung des Autors sind und nicht als wörtliche Wiedergabe tatsächlich gehaltener Reden aufgefaßt werden können. Bei Aeneas Silvio etwa hält Friedrich des öfteren Reden, obwohl wir wissen, daß er überhaupt wenig sprach und seine Reden halten ließ. Auch Antonio Bonfini, der Hofhistoriograph von König Matthias, liebt dieses Stilmittel. Seine Geschichte enthält zudem eine lange Passage, in der er König Matthias und den Kaiser im großen rhethorischen Stil einander gegenüber stellt. Der Gegensatz der beiden so verschiedenen Herrscher ließ sich unschwer dramatisieren: der Kriegsheld gegen den Unkriegerischen, der Tatmensch gegen den Trägen, der Großzügige gegen den kleinlich Geizigen, doch läßt Bonfini wenigstens Friedrichs Mäßigkeit der Lebensfühmng und seine Frömmigkeit als lobenswerte Eigenschaften gelten. Friedrich III. beschäftigte keine Hofliistoriographen. Immerhin regte er die Kai serchronik Ebendorfers an, wenn er sie dann auch zu weitschweifig fand. In seinen ersten Jahren als König war Ebendorfer sein wichtigster Ratgeber,doch kam es bald zur Entfremdung zwischen ihnen, die sich in äußerst kritischen Bemerkungen über Friedrich in den später geschriebenen Tei len der Kaiserchronik niederschlug. Als Teilnehmer des Basler Konzils war Eben dorfer einmal ein Kritiker von Friedrichs Kirchenpolitik, aber die schärfsten Äuße rungen gegen ihn machte er als österreichi scher Patriot. Nach dem von ihm unendlich beklagten Tod des Ladislaus Posthumus galten seine Sympathien noch eher Fried richs ehrgeizigem Bmder Albrecht als die sem. Bei der Schildemng der wirren Zeiten des "österreichischen Faustrechts" und der durch die Münzverschlechterung bedingten wirtschaftlichen Not beschuldigt er Fried rich der Ungerührtheit gegenüber den Lei den der Bevölkerung,ein auch von anderen erhobener Vorwurf,der wohl zu Recht be steht. Man kann natürlich auf die Ausbrü che von Haß hinweisen, die Friedrich von Seiten der Österreicher erlebte, als er die vormundschaftliche Regierung für Ladis laus übernahm, womit das gegenseitige Verhältnis von Anfang an vergiftet war. Damals wurde Friedrich zu seinem Nachteil mit Ladislaus Vater Albrecht II. (V.) ver glichen, von dem er sich für die Zeitge nossen schon dadurch bedenklich unter schied,daß er die Juden schützte. Friedrichs Judenfreundlichkeit ist einer der häufigsten Vorwürfe gegen ihn während seiner ganzen Regierungszeit. Die Ablehnung kleidete sich auch in die traditionelle Klage über die bedenklichen Ratgeber des Herrschers.Zunächst waren es die steirischen Räte Friedrichs, die den Zorn der Österreicher erregten, später seine Söldnerführer. Das selbstherrliche Aufbe ten von Baumkircher und seinen Kollegen, die im Besitz von kaiserlichen Verechreibungen und Münzprivilegien die Bevölkerang ausplünderten, schadeten der Popula rität ihres Herrn. Da die Stände ihn nicht au-srcichend unterstützten,war Friedrich III. immer mehr auf Söldnerfiihrer angewiesen, um die Aufstände, bzw. seinen Bruder 51

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