Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

an der Individualität wieder in den Vorder grund stellte, hat sich Enea auch in der Biogr^hik versucht Zwischen etwa 1440 und 1450 hat er De viris illustribus, eine allerdings unvollendet gebliebene Samm lung von Kur2i)iographien,verfaßt. Zuletzt sei noch auf Piccolominis Me moiren, die Commentarii, hingewiesen, die er erst zu Ende 1463 abgeschlossen hat In diesem seinem letzten Werk gibt der Ver fasser, der wie kein Zweiter über die Zu sammenhänge und Verflechtungen der Po litik informiert war, eine Darstellung ge samteuropäischer Zeitgeschichte, die in der Fülle ihrer detailreichen Schilderungen und Beschreibungen in der damaligen Zeit ein zigartig war. Der dritte Geistliche im Dienst Fried richs III., von dem die Rede sein soll, ist Johaimes Hinderbach^. Er stammte aus Rauschenberg bei Kassel in Hessen, wo er im Jahre 1418 geboren wurde. Zu seinen Verwandten mütterlicherseits zählten der berühmte Theologe und Reorganisator der Wiener Universität Heinrich Herabuche von Langenstein und der Mediziner Her mann Lelle von Treysa,der sich gleichfalls hervorragende Verdienste um die Wiener Hochschule erworben hatte. Von größerer Bedeutung für Johannes' bildungsmäßigen und politischen Werdegang war aber sein Onkel Dietmar Hinderbach, ein Mediziner ersten Ranges, welcher der Universität Wien als Rektor dreimal vorstand. Im Alter von 16 Jahren kam Johannes Hinderbach an die Universität Wien,wo er im Wintersemester 1434 unter dem Rek torat seines Onkels Dietmar sein Studium an der Artistenfakultät begann. 1436 er lange er den akademischen Grad eines baccalaureus und 1438 den eines magister artium. In diesem Jahr wechselte er an die juridische Fakultät, wo er bis 1441 stu dierte. Er schloß sein Jusstudium jedoch nicht in Wien, sondern in Padua ab. Hier erlangte er 1452 im Beisein Friedrichs III., der sich eben auf seiner ersten Romfahrt befand, und anderer hochgestellter Per sönlichkeiten den Grad eines doctor decretomm. Friedrichs Anwesenheit bei dieser Doktorpromotion war nicht zufällig. Er wollte damit einen Mann ehren, der als Sekretär und Kanzleibeamter schon längere Zeit in diplomatischen Missionen für ihn tätig gewesen war. So war Johannes Hin— derbach um die Jahreswende 1448/49 in königlichem Auftrag gemeinsam mit sei nem Verwandten Härtung von Kappel in Mailand, wo die nach dem Tod Heizog Filippo Maria Viscontis gefährdeten Reichsrechte wieder wahrgenommen wer den sollten. Diese Mission blieb aber eben so wiezwei weitere erfolglos.Daß man den jungen und doch noch unerfahrenen Jo hannes Hinderbach mit einer derartig heik len Aufgabe betraute, wird wohl auf den großen Einfluß, den seine Verwandten Dietmar Hindeibach und Härtung von Kappel bei Hofe besaßen, zurückzuführen sein, nicht aber auf Enea Silvio, mit dem erst ein freundschaftliches Verhältnis ent stand, als sich Johannes bereits in gehobe ner Position befand. Bald nach seiner Rückkehr aus Mailand erhielt Hinderbach 1449 die reich dotierte Pfane Mödling,der er bis zum Jahre 1465 vorstand. In Mödling tritt er, ähnlich wie Ebendorfer im benachbarten Perchtoldsdorf, als energischer Wahrer seiner pfarrli chen Rechte auf. So erwirkte er von Papst Pius II. am 17. Jänner 1460^ eine Bulle, in welcher der Abt des Dreifaltigkeitsklosters zu Wiener Neustadt beauftragt wird, dem Pfarrer notfalls mit dem Mittel der Ex kommunikation beizustehen, falls sich die Mödlinger Grundholden der Pfarre weiter hin weigern würden,die Zehnten von Neu brüchen zu leisten. Auch die von dem be rühmten Prediger Giovanni da Capestrano angeregte Ansiedlung von Franziskaner mönchen in Maria Enzersdorf hat Hinder bach zu verhindern versucht, da er eine Schmälemng seiner Einkünfte befürchtete. Es gelang ihm letzlich aber nicht, damit durchzudringen, sodaß das Kloster 1472 baulich fertiggestellt werden konnte^. Im Jahre 1453 erlangte Hinderbach eine Domherrenstelle in Passau, der zwei Jahre später ein Kanonikat und die Propstei in Trient folgten.Zudem war der Jurist Dom herr zu Regensburg und hatte auch das Benefizium des St. Martinsaltares zu St. Stephan in Wien üme,das er jedoch bereits 1456 an Heinrich Freiburg von Treysa ab trat. Da man Hinderbachs diplomatLsche Fä higkeiten bei Hofe besonders schätze, wurde der mittlerweile zum secretarius Caesaris avancierte Hesse 1451 gemeinsam mit Graf Michael von Maidburg beauftragt, den Romzug Friedrichs III. in Venedig an zukündigen und die Reaktion daraufzu er kunden. Nach der 1452 zu Padua erfolgten Doktorpromotion verblieb er im Gefolge des Herrschers und war sowohl bei dessen Verehelichung mit Eleonore von Portugal als auch bei dessen Kaiserkrönung in Rom anwesend. Hmderbach, der die Kaiserin nach Österreich begleitet zu haben scheint, konnte bei diesem Italienaufenthalt gute Kontakte zu Eleonore knüpfen, was für seine weitere Karriere von großer Wichtig keit sein sollte. Als 1458 Enea Silvio Piccolomini als Papst Pius II. siegreich aus dem Konklave hervorging, wurde der hessische Jurist ge meinsam mit anderen von Kaiser Friedrich III. mit der Mission beauftragt, dem ehe maligen kaiserlichen Geheimsekretär in seinem Namen die Obödienzzu leisten. Mit der Aufgabe, vor dem neuen Papst eine Ansprache zu halten, wurde Hinderbach betraut®. Der Redner rühmt darin die Verdienste Piccolominis um Kunst und Wissenschaft, vergleicht ihn mit Cicero, Seneca und Vergil und hebt die weite Ver breitung von dessen Schrifttum in ganz Deutschland hervor. Mochte Hinderbach auch an die Wahl seines einstigen Wegge fährten Hoffiiungen auf eine große kirchli che Karriere geknüpft haben, so erfüllten sich diese nicht. Pius II. hat den Hessen nicht gefordert, sodaß dieser sich rück blickend beklagt, der Papst sei ihm pamm gratiis et beneficus gegenübergestanden. Während der Wiener Revolte von 1462, in deren Verlauf die kaiserliche Familie in der Hofburg belagert wurde, war Hinder bach die gefahrvolle Aufgabe zugefallen, zwischen dem Hofund den Aufständischen zu vermitteln. In diesen dramatischen Ta gen ging der Jurist eines Teiles seines Be sitzes sowie der meisten seiner Bücher verlustig, wie er 1466 in einem Brief an Kaiserin Eleonore schreibt'. Diese war es auch, die Hinderbach nach Freiwerden des Brixner Bischofsstuhles 1464 als Nachfol ger des verstorbenen Bischofs Nikolaus von Kues vorschlug, was allerdings am Widerstand Erzherzog Siegmunds von Ti rol scheiterte. Ein Jahr später waren die In terventionen der Kaiserin für ihren Proteg6 aber erfolgreich: Hinderbach wurde vom Domkapitel in Trient einstimmig zum Bi schofgewählt. Die Kaiserin vermochte nun gemeinsam mit ihrem Gemahl und Sieg mund von Tirol, Papst Paul II. umzustim men,sodaß dieser dem Hessen mit Provisi onsbulle vom 12. Mai 1466 die päpstliche Anerkennung zuteil werden ließ. Erst am 13. Februar 1469 wurde Hinderbach von Friedrich III. mit den Regalien des Hoch stiftes in Venedig belehnt. Trotz seiner intensiven Tätigkeit für das Bistum Trient eröffnete er 1471 den "Großen Christentag" zu Regensburg mit einer gekonnten Rede und vertrat Friedrich ni. auf dem Augsburger Reichstag von 1474. Hatte der Kaiser seinen Diplomaten bei der Erwerbung des Trienter Bischofsstuhles unterstützt, so setzte er dessen Bestrebun gen, die Kardinalswürde zu erlangen, Wi derstand entgegen. Noch im Jahre 1486 war Hinderbach als kaiserlicher Gesandter in Venedig tätig, um Friedensverhandlungen zu führen. Nach Trient zurückgekehrt starb er 68-jährig am 21.September des Jahres an den Folgen ei nes Blutsturzes. Sein Leichnam ruht in der Bischofsgruft des Trienter Domes. In Trient widmete sich Hinderbach mit großem Engagement der Förderung von Kunst und Wissenschaft. So begann er hier mit dem Bau des neuen Schlosses und führte 1475 den Buchdruck ein. Auch die 1410 von Herzog Friedrich IV. von Tirol arg verheerte Dombibliothek bereicherte er durch konzUiaristische und humanistische Werke. Schließlich hat sich der Bischof auch auf musikalischem Gebiet große Ver dienste erworben,indem er in Wien die be rühmten sechs Trienter Musikcodices her stellen ließ,eines der wichtigsten Zeugnisse der Polyphonie des 15.Jahrhunderts. Hat Hinderbach auch kulturhistorisch Überdurchschnittliches geleistet, so wird sein Episkopat doch von einem dunklen Schatten verdüstert. Als im Jahre 1475 der Trienter Knabe Simon tot aufgefunden worden war, ließ der Bischof alle in der Stadt wohnhaften Juden gefangennehmen und bezichtigte sie ungerechtfertigt der Er mordung des Jungen^'. Trotz des Wider standes des päpstlichen Kommissars und Bischofs von Ventimiglia, Giovanni Battista dei Giudice, wurden die des Ritualmor des Angeklagten durch die Anwendung brutalster Foltermethoden zu Geständnissen der nicht begangenen Tat gezwungen.Nach über einem Jahr unausgesetzter Verhöre sind schließlich alle männlichen Gefange nen im Juni 1476 hingerichtet worden. Welche Motive veranlaßten Hinderbach zu diesem grausamen Vorgehen? Mag er auch 42

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