Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

abenteuerliche und gefahrvolle Seereise zu König Jakob von Schottland. Nachdem er seine diplomatische Mission mit Geschick ausgeführt hatte, kehrte er nach Basel zurück. Seit 1436 war er Scriptor des Konzils und hatte als solcher Sitz und Stimme auf der Kirchenversammlung, womit die Möglichkeit einer eigenständi gen Meinungsäußerung zu den behandelten kirchlichen Problemen verbunden war. So hielt er im Mai des Jahres seine erste öf fentliche Rede, in der er für Pavia als Ort eines Unionskonzils mit den Griechen ein trat Eneas wohlgeformte Ansprache hat starken Eindruck auf die Anwesenden ge macht, was ihm die Achtung durch das Konzil einbrachte. Als Papst Eugen IV. 1437 unter Miß achtung des Willens der KonzUsmehrheit Ferrara als Ort der Griechenunion be stimmte, wodurch es zum endgültigen Bmch zwischen Basel und Rom kam,ent schied sich Enea Silvio fiir den Verbleib in Basel und damitfür die Sache des Konziliarismus. Im Jahre 1438 weilte er gemeinsam mit Bischof Bartolomeo Visconti von Novara in Wien und unterstützte diesen in seinem Vorhaben,den noch zögernden Herzog Al brecht V.zur Annahme der deutschen Kö nigswürde zu überreden. Tatsächlich soll das von Enea für diese Mission verfaßte Schriftstück die Bedenken des Herzog zerstreut und ihn veranlaßt haben, die Kronezu empfangen'. Nachdem das Baseler Konzil im Juni 1439 Papst Eugen IV.für abgesetzt erklärt hatte, wurde am 5. November Herzog Amadeus VIII. von Savoyen, der seit sei nem Herrschaftsverzicht im Jahre 1434 als Eremit in Ripaiile am Genfer See ein mön chisches Leben führte, von einem Konzils ausschuß zum Papst gewählt. Unter den Gesandten, die dem Neugewählten die Papstkrone anboten, befand sich auch Enea Silvio. Nachdem Amadeus als Felix V. die Papstwürde übernommen hatte, emannte er Piccolomini zu seinem Sekretär, der ihm aufgrund seiner überragenden Fähigkeiten für nahezu drei Jahre ein unentbehrlicher Helfer war. Als König Friedrich im Sommer 1442 seinen ersten Reichstag in Frankfurt abhielt, war Enea Silvio als Gesandter Felix' V.an wesend.AufFürsprache des Chiemseer Bi schofs Silvester Pflieger, der von Piccolominis literarischem Können angetan war, und des einflußreichen Erzbischofs Jakob von Trier wurde Enea am 27. Juli von Friedrich zum poeta laureatus gekrönt - die eiste Verleihung des Dichterlorbeers auf deutschem Boden. Ende 1442 bot sich Piccolomini die Möglichkeit,die Kurie Felix' V., an dessen Erfolgschancen er bereits zweifelte, gegen eine Stelle in der Kanzlei Friedrichs III. einzutauschen. Der Gegenpapst, der hoffen mochte, in Enea künftig einen geeigneten Mittelsmann am Königshof zu besitzen - ein Wunsch,der sich allerdings nicht erfül len sollte- willigte ein und ließ ihn gehen. In Kanzler Kaspar Schlick gewann er einen mächtigen Förderer, sodaß er von König Friedrich bald mit wichtigen diplomati schen Missionen betraut und zu einem füh renden Gestalter der königlichen Politik wurde. Als Enea Silvio im September 1445 in Rom weilte, gelang es ihm, der sich schon längst vom Konziliaristen zum Befürworter päpstlicher Suprematie gewandelt hatte, nicht nur,eine kirchenpolitische Verständi gung zwischen Friedrich III. und Eugen IV. zu vermitteln, sondem er gelangte auch zu einer persönlichen Aussöhnung mit dem Papst, den er während seiner Baseler Zeit bekämpft hatte. Piccolomini war es auch, der am 7. Februar 1447 dem bereits ster benskranken Papst im Namen des Königs Obödienz leistete. Nunmehr mit der römi schen Kurie ausgesöhnt gelang es Enea,der sicherlich auch im Hinblick auf eine kirch liche Karriere seinem lebenslustigen Hu manistendasein entsagt hatte und im März 1447 die Priesterweihe empfing, mit Unterstützung Friedrichs III. das Bistum Triest zu erlangen. Hier residierte er jedoch nur ein Jahr und kehrte bereits 1448 an den Wiener Hofzurück. 1450zum Bischof von Siena ernannt, bereitete er 1451/52 die Kaiserkrönung Friedrichs und dessen Vermählung mit der portugiesischen Prin zessin Eleonore vor. Namentlich seit der Eroberung Kon stantinopels durch die Türken im Jahre 1453 war Enea Silvio die Abwehr der Osmanen zur Herzenssache geworden,für die er auch während seines Papstturas vehe ment eintrat. So wurde er vom Kaiser mit der Leitung der sog.Türkenreichstage 1454 und 1455 betraut, vermochte jedoch mit seinem Anliegen weder beim ^iser noch bei den Fürsten entscheidend durchzudrin gen. Als nach dem Tod Nikolaus' V. 1455 der 77-jährige Spanier Alonso de Borja als Calixt III. die Kathedra Petri bestieg, erhielt der kaiserliche Geheimsekretär Piccolomini den Auftrag, dem neuen Papst im Namen Friedrichs III. die Obödienz zu leisten. Enea SQvio,der bei diesem Anlaß die Fest rede in vollendeter Form gehalten hat, ist nicht mehr nach Österreich zurückgekehrt, sondem in Rom geblieben. Hier betrieb er mit Erfolg seine Ernennung zum Kardinal, die am 18. Dezember 1456 erfolgte. Nach dem Hinscheiden Calixts III. war der Stuhl Petri erneut vakant geworden.Am 19.Au gust 1458 wurde Enea Silvio im Konklave zum Papst gewählt, als der er den Namen Pius II. annahm. In das Zentrum seines Pontifikats stellte der neue Papst die Türkenabwehr. Um die europäischen Mächte für seinen Plan eines Kreuzzuges gegen die Osmanen zu gewin nen, berief er 1459 einen Fürstenkongreß nach Mantua, wo zwar ein diesbezüglicher Beschluß gefaßt wurde, der aber ohne praktische Auswirkungen blieb. Den neu aufkeimenden konziliaristischen Tendenzen in Frankreich und Deutschland trat Pius II. mit aller Entschie denheit entgegen. In seiner 1460 erlassenen Bulle "Execrabilis" erklärte er die Lehre von einem dem Papsttum übergeordneten Konzil zur Ketzerei und verbot jedwede Appellation an ein künftiges Konzil. Auch mit dem Wiederaufleben der hussitischen Bewegung in Böhmen sah sich der Papst konfrontiert. Hier hatte Georg Podiebrad, um semem angefochtenen Kö nigtum Legalität zu verschaffen, der römi schen Kurie das eidliche Versprechen ab gegeben, sein Volk wieder zum katholi schen Glauben /mrückzuführen. Als der König, für den die nationaltschechischen Hussiten die Machtgmndlage seiner Herr schaft bedeuteten, sein Gelübde nicht zu erfüllen vermochte, eröffiiete Pius II. nach einigem Zögern im Frühjahr 1464 gegen den Böhmenkönig den Ketzerprozeß. Seit 1462 stand erneut die orientalische Frage im Vordergmnd der päpstlichen Po litik. Um die christlichen Mächte gegen die unaufhaltsam auf dem Balkan vordringen den Osmanen zu mobilisieren, stellte sich Pius mit seiner am 25. Oktober 1463 erlas senen Kreuzzugsbulle selbst an die Spitze der Glaubenskämpfer. Aber auch diesmal blieben seine Bemühungen weitgehend unbelohnL Nachdem Herzog Philipp der Gute von Burgund sein Versprechen,am Kreuz zug teilzunehmen, wieder zurückgenom men hatte, wurde das Unternehmen nur mehr von Venedig mitgetragen. Kurz vor Auslaufen der venezianischen Flotte ist der Piccolominipapst am 14. August 1464 ge storben. Für Enea Silvio Piccolominis überra gende Bedeutung ist aber weniger sein Pontifikal als vielmehr sein Wirken am Wiener Hof als Humanist entscheidend. Hier legte er nicht nur durch seine erfolg reiche Politik den Grundstein fiir seine kirchliche Laufbahn, sondem er wurde auch zum bedeutendsten Propagator hu manistischer Ideen jenseits der Alpen. Durch Piccolominis vielseitige Verbindun gen zu bedeutenden Persönlichkeiten ge langte humanistisches Gedankengut schließlich bis nach Polen, Böhmen, Un garn,Deutschland und die Schweiz. Der Schriftsteller Enea Silvio Piccolo mini ist herausragend durch seinen Esprit wie durch seine Vielseitigkeit Mit Aus nahme des großen Epos finden sich alle Gattungen humanistischer Dichtkunst in seinem literarischen Schaffen. Er verfaßte Liebeslyrik im Stil Petrarcas, die Komödie Chrysis, die das unsittliche L^ben des zeit genössischen Klems hart geißelt und die Novelle Euryalus und Lucretia. Seine Briefe,"die ein unersetzliches Denkmal des Geistes nicht nur des italienischen,sondem auch des österreichischen Quattrocento ... sind""* wurden von Enea Silvio selbst gesammelt und nach Lebensabschnitten geordnet. Dem jungen Ladislaus Postumus hat er im Jahre 1450 einen Erziehungstraktat ge widmet, in dem die Bedeutung philologi scher Studien hervorgehoben wird. Unter all seinen Werken ragen jedoch Eneas historiographische Schriften hervor. In eleganter FormuHemng nimmt er darin vomehmlich zu zeitgeschichtlichen Bege benheiten Stellung. Neben seiner Historia Bohemica sei vor allem sein historisches Hauptwerk, die Geschichte Österreichs (Historia Austrialis) hervorgehoben, die, in drei Redaktionen überliefert, Personen und Zustände des zeitgenössischen Österreich teilweise recht kritisch und distanziert be leuchten. Dem Zeitgeist der italienischen Renaissance ent^rechend,die das Interesse 41

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