Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

die von PapstEugen IV.am 13.September 1433 erlassene BuUe "Deus novit" ist Ebendorfer auch als Theoretiker des Konziliarismus hervorgetreten, der erste aus dem Kreis der Universität Wien seit Hein rich Hembuche von Langenstein. Die ho hen Kosten, die Ebendorfers Aufenthalt in Basel der Wiener Hochschule verursachten, führten Anfang 1435 zu dessen Abberu fung aus der Konzüsstadt. Für seine weitere persönliche Entwick lung waren die Baseler Jahre von erhebli cher Bedeutung.Zum einen bezeichnen sie den Beginn seiner diplomatischen Tätig keit,zum anderen begegnete er aufder Kir chenversammlung den bedeutendsten Per sönlichkeiten seiner Zeit wie etwa Gregor Heimburg,Georg Peueibach, Nikolaus von Kues und nicht zuletzt Enea Silvio Piccolomini. Nach Wien zurückgekehrt erhielt er wohl als Belohnung für seine Dienste auf dem Baseler Konzil die Pfarre Faikenstein, die er vermutlich im Dezember 1435 gegen die in Perchtoldsdorf tauschte, um dem landesfurstlichen Hof und der Universität näherzu sein. Nach dem Tod Albrechts V. 1439 trat der eist 25-jährige Friedrich V. aus der steirischen Linie der Habsburger dessen Nachfolge an. Für den jungen und noch unerfahrenen Friedrich, der 1440 auch die Würde eines römisch-deutschen Köni^ erlangte,war der seit seiner Baseler Zeit auf politisch-diplomatischem Gebiet versierte Ebendorfer der geeignete Berater. Für den König, als dessen Ratgeber er sich aus drücklich bezeichnete, wirkte er in der er sten Hälfte der vierziger Jahre als Gesandter aufReichstagen und am Baseler Konzil. In den folgenden Jahren trat der Theo loge zusehends von der politischen Szene zurück,doch gab er sein Einverständnis zur Kirchenpolitik Friedrichs, die unter dem Einfluß von Kaspar Schlick und Enea Sil vio Piccolomini in eine Anerkennung des römischen Papsttums mündete,indem er im Jahre 1447 bei der Obödienzerklärung für Nikolaus V. als Festredner fungierte. In seiner Ansprache verlieh er allerdings sei ner Hoffiiung auf ein weiteres Konzil, das vor allem der Kirchenreform dienen sollte, Ausdmck. Als sich Friedrich 1451 anschickte, die Kaiserkrone in Rom zu empfangen, wurde Ebendorfer beauftragt, mit zwei weiteren Räten den Romzug des Königs vorzuberei ten. Während dieses Italienaufenthaltes rei ste Ebendorfer auch nach Neapel,wo er das Kloster San Severino, die Grablege des hl. Severin, besichtigte und eine Handschrift der Vita sancti Severini des Eugippius er werben konnte. Auch bei der am 19. März 1452 erfolgten Kaiserkrönung Friedrichs III. in Rom war er anwesend. Papst Niko laus V. gewährte Ebendorfer Audienz und wollte ihm hohe kirchliche Würden verlei hen. Dieser lehnte alle Vergünstigungen für seine Person ab, vermochte jedoch bedeu tende päpstliche Privilegien für die Wiener theologische Fakultät sowie für seine Pcrchtoldsdorfer Pfarre zu erlangen. Durch die Sympathien, die Ebendorfer für den noch unmündigen König Ladislaus hegte, dürfte es zu einer Entfremdung zwi schen dem Theologen und Friedrich III. gekommen sein.Doch hat der Universitäts professor auch unter Ladislaus keinen poli tischen Einfluß mehr zu erringen vermocht. Erst nach dem von Ebendorfer tief betrau erten Tod des noch nicht 18-jährigen Ladislaus in Prag(1457),für den er in der Wiener Dominikanerkirche die Leichenrede hielt, rückte er politisch nochmals in den Vordergmnd, indem er versuchte, die um das Erbe des letzten Albertiners streitenden Brüder Friedrich III. und Erzherzog Al brecht VI.durch diplomatische Vermittlung zu versöhnen.Bald nach Albrecht VI., dem er ein längeres Trauergedicht gewidmet hatte, ist Ebendorfer am 12. Jänner 1464 in Wien verstorben und wurde in der Pfarrkirchezu Perchtoldsdorfbestattet. Sein aus rötlichem Marmor gefertigter Grabstein, dem infolge Beschädigung ein erheblicher Teil seiner Umschrift fehlt, wurde 1973 von der Kirche in den Perchtoldsdorfer Wehiturm transferiert. Eine Betrachtung von Ebendorfers lite rarisch-wissenschaftlichem Oeuvre muß zunächst von dessen theologischem Schrifttum ausgehen,dem der Autor schon allein aufgrund seiner jahrzehntelangen Tätigkeit an der Universität Wien die größte Aufinerksamkeit zuwandte. Neben mnd 450 Predigten, die im süddeutschen und österreichischen Raum während des ganzen 15. Jahrhunderts weite Verbreitung fanden und zu Predigtzykien vereinigt wurden, ist vor allem sein Kommentar zu den ersten 16 Kapiteln der Prophetie des Isaias besonders bedeutsam. In diesem für den Vorlesungsbetrieb an der Universität konzipierten Werk,an dem er von 1428 bis 1460 arbeitete, kommentiert der Verfasser nicht nur die Bibel,sondem nimmt auch zu zahlreichen Problemen und Erscheinungen seiner Zeit Stellung. Was Ebendorfers außertheologisches Schaffen anlangt, so verdient seine Arbeit als Historiker besondere Aufinerksamkeit. Obwohl er schon in seiner Kindheit großes Interesse für historische Stoffe aufgebracht hatte, ging der entscheidende Anstoß zu ei ner wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Historiographie von Friedrich III. aus, der ihn beauflagte, eine Geschichte des römisch-deutschen Reiches und seiner Könige und Kaiser zu verfassen. Ebendor fer, der schon in seinen theologischen Schriften zahlreiche geschichtliche Quellen verarbeitet hatte, verwertete bei seinen Chroniken neben historiographischem Ma terial auch nichtschriftliche Denkmale, worin sich seine modern anmutende For schungsmethode manifestiert. Auf Wunsch König Friedrichs ging er 1449 daran,seine Cronica regum Romanorum niederzu schreiben. Schon 1451 war das Werk fer tiggestellt Der Chronik der römischen Könige wollte Ebendorfer als siebentes Buch eine Geschichte Österreichs anfügen. Diese Cronica Auslrie, ebenfalls 1449 be gonnen und 1451 zu einem ersten Ab schluß gebracht,wurde von ihm schließlich als selbständiges Werk herausgegeben. In ihr wie in der Kaiserchronik, die er beide bis aim Jahre 1463 fortführte, äußert er sich oft recht kritisch m den Problemen seiner Zeit. Neben dem in den fünfziger Jahren ent standenen Kathalogus presulum Laureacensium, der gleichsam ßs kirchengeschichtlicher Annex zur Österreichischen Chronik gedacht war, verfaßte Ebendorfer 1458 seine Cronica pontifiaim Roman orum,eine Papst- und Kirchcnchronik, die er ebenfalls bis 1463 fortgesetzt hat. Darin äußert er sich einmal recht bissig über Enea Silvio, indem er auf dessen niedrige Stel lung in der Anfangszeit des Baseler Konzils anspielt: "Pius II. alias Eneas Silvius, den wir erstjüngst den Stuhl Petri besteigen sa hen,... scheute sogar nicht einmal davorzu rück, uns wie ein Diener zu später Stunde einen Imbiß von den Kneipen zu holen."" In dieser Aussage wird das gespannte Verhältnis, der Gegensatz zwischen diesen beiden unterschiedlichen Männern offen bar. Worin lag dieser begründet? Zum ei nen in dem Nebeneinander des gefeierten Humanisten Piccolomini, der sich am Hofe Friedrichs bald als Arbiter elegantiarum etabliert halte, und dem in den altherge brachten Bahnen der mittelalterlichen Spät scholastik wirkenden Universitätslehrer, der dem Italien der Renaissance zeitlebens nichts abzugewinnen vermochte. Zum an deren wohl in einem gewissen Neidgefühl Ebendorfers Enea SUvio gegenüber, der durch Elastizität und politischen Instinkt eine steile kirchliche Karriere gemacht und schließlich sogar die höchste Würde der Christenheit errungen hat. Enea Silvio Piccolomini, aus einer ver armten sienesischen Familie stammend, wurde am 18. August 1405 in dem kleinen Dorf Corsignano unweit von Siena gebo ren^. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er in kärglichen Verhältnissen. 1423 bezog er die Universität zu Siena, wo er zunächst lateinische Sprache studierte und sich mit Leidenschaft den antiken Autoren zuwand te. Danach widmete er sich dem Studium der Jurisprudenz. In den Jahren 1429/31 begab sich Enea Silvio, der am Rechtsstu dium keinen rechten Gefallen finden konn te, nach Florenz, damals das Zentmm hu manistischer Bildung. 1431 nach Siena zu rückgekehrt, um seine juridischen Studien fortzusetzen, folgte er im Jahr darauf dem Angebot des Kardinals Domenico Capranica,ihn als Sekretär zu dem eben erst er öffneten Baseler Konzil zu begleiten. Die Teilnahme an dieser Synode stellte für Pic colomini eine wichtige Station in seinem Leben dar, da er hier das politische Rüst zeug für seine weitere Karriere erhielt. Ob wohl Enea keinen akademischen Grad er langt hatte, überragte er doch bald die mei sten Konziisteilnehmer durch seine umfas senden juristischen Kenntnisse, seine hu manistische Bildung, vor allem aber durch seine hervorragende rhethorische Begabung. Aus der Kanzlei Capranicas wechselte Piccolomini in den Dienst der Bischöfe Nikodemus von Freising und Bartolomen von Novara, schließlich wurde er Sekretär des Kardinals Niccolö Albergati. Dieser reiste 1435 als päpstlicher Gesandter gemeinsam mit Enea zum Kongreß von Anas, wo ein friedlicher Ausgleich zwischen Frankreich und Burgund zustandekam. 1435/36 unternahm Piccolomini im Auftrag Albergatis eine 40

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