Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

gibt es, soweit bis jetzt bekannt, nur einen einzigen Bericht in Form einer protokollaiiscben Eintragung'' im Liber Cop. Cap.I. ausdem Archiv des Domkapitels im Diözesanarchiv Wien. Im Zuge dieser feierlichen Promulgation ließ der päpstliche Nuntius, wie schon er wähnt, zwei Bullen verl^en, worunter Göhler'® neben der ErrichtungsbuUe von 1469 unter der zweiten Bulle das päpstliche Ernennungsschreiben für den neuen Dom propst Thomas von Cüli vermutete. Flie der^ hingegen nahm an,daß es sich bei der zweiten Bulle um jene Urkunde Sixtus IV. vom 11. Juni 1475 handle, kraft welcher der Dompropstei die Pfarre Perchtoldsdorf und der Dechantei die Pfarre Mödling inkoi^oriert und beide der Passauer Jurisdiktion entzogen und der neuen Diözese Wien angegliedert wurden, und bezieht sich in der Begründung seiner Vermutung auf eine gemeinsame Abschrift der beiden Bullen im UniversitätsStatutenbuch. Diese Vermutung Flieders kann von Seiten des Diözesanarchives nun bewiesen und ergänzt werden:Denn in jenem "Liber Copiamm I." des Domkapitels finden sich zwischen fol.240v und 245v vier, offenbar air Zeit der Niederschrift als zu sammengehörig empfundene Urkundenabschriften^, von derselben Hand geschrie ben,nämlich: 1. Copia liberacionis bonorum Capituli a stewris et exacionibus Friderid terdi. 2. Publicadonis buUarura solemnitas 1480festivata. 3. Copia bulle erectionis episcopatus vienn.(Darunter die Urkunden von 1469 und 1475).- Dem Promulgationsbericht vorangesetzt ist auf fol. 240v die Abschrift einer Steu erbefreiungsurkunde (1) für das Kapitel, datiert mit 17. November 1467"*^ ausge stellt in Wiener Neustadt, die insofern von Interesse ist, als sie nach längerer Zeit, vor allem nach dem Entzug aller Privilegien für die Stadt nach 1462, wieder ein positives Signal in Richtung Wien, weim auch für eine geistliche Einrichtung,setzt Jenen authentischen Bericht über die feierliche Promulgation des Bistums (2), welchen auch Flieder auf Seite 229, Anm. 100 erwähnt dürfte dieser allerdings nicht im Original gesehen haben, denn im An schluß an diesen Bericht mit der Über schrift: "In nomine patris et filii et Spiritus sancti - publicadonis bullarum solemnitas 1480 festivata" findet sich in roter Tinte ein Hinweis auf die folgenden Seiten (243r bis 245v), und zwar heißt es hier: "Secuntur Copie Bullarum et Litterarum post erectionem episcopatus"^^; daran schließt sich unter nochmaliger in roter Tinte geschrie bener Überschrift: "Copia bulle erectionis episcopatus" der Text der Bulle von 1469, sowie jener Inkorporationsurkunde Sixtus IV. aus 1475. Somit ist eindeutig klargestellt, welche Bullen am 17. Sep tember 1480 verlesen wurden. Nur beide Urkunden zusammen um schreiben das neue Diözesangebiet und re geln die Dotation des Bistums und der Propstei. Sowohl der Promulgationsbericht mit den beiden angeschlossenen Urkunden,wie auch jene Steuerbefreiungsurkunde vom 17. November 1467 sind von einer und derselben Hand geschrieben, die in dem Band sonst nicht mehr vorkommt.Folgen der Zusammenhang wäre denkbar: Am 3. September 1467 starb in Wiener Neustadt Friedrichs Gemahlin Eleonore. Am 17. November 1467 stellte Friedrich III., der dies in den letzen Jahren in Wien nicht mehr getan hatte, in Wiener Neustadt für den Dechant und das Kapitel zu St. Stephan (^opst gab es zu dieser Zeit keinen) eine Urkunde aus, kraft welcher dieses von jeglichen Steuern und Abgaben bis aufWi derruf befreit wird. Wollte der Kaiser am Ende des Jahres 1467,als-nach dem Tode seiner Gemahlin die Erfüllung seines 1462 gemachten Gelübdes der Wallfahrt nach Rom nahelag,- und als die Bistumspläne gewissermaßen schon in der Luft lagen, dem Kapitel im Hinblick auf das, was in naher Zukunft auf dieses zukommen sollte, noch vorher einige finanzielle Erleichte rungen verschaffen? Oder ist dieses Privileg für das Kapitel bei St. Stephan bereits mit den nun in ein konkretes Stadium eintretenden Plänen Friedrichs für seine Grablege in Verbin dung zu bringen?^' - Am 2. Dezember 1463 hatte der Kaiser erste Kontakte mit Straßburg aufgenommen; auf ein weiteres Schreiben Friedrichs vom 5. Juni 1467** kam im August desselben Jahres darm die positive Antwort: Niklas Gerhaert von Leyden sagte dem Kaiser endgültig zu,sein Grabmal zu erbauen. Eine Hinwendung nach St. Stephan wäre demnach auch aus diesem Grund denkbar. Eine weitere Abschrift beider Grün dungsurkunden in ähnlichem Kontext fin det sich übrigens auch in einem Wiener Konsistorialprotokoll^' des 16. Jahrhun derts aus der Zeit Bischof Johann Caspar Neuböcks(1574-94). Flieder bringt im Urkundenanhang^^ seiner Untersuchungjene zweite Bulle Six tus IV. vom 11. Juni 1475, deren Original bis dato verschollen ist, im Text und stützt sich dabei auf zwei von ihm angeführte Abschriften B und Caus dem Haus-,Hofund Staatsarchiv, sowie aus der Österreichischen Nationalbibliothek. Wei tere Abschriften existieren noch in Seitenstetten, sowie im Vatikan. Offenbar war ihm aber, wie schon oben erwähnt,je ner Lib. Cop. Cap. I. des Domkapitelarchives nicht zugän^ich,denn hier findet sich, im Kontext mit dem Bericht über die Promulgation die unmittelbarste Abschrift der beiden Bullen. Bei Betrachtung der entsprechenden Seiten des Kopialbuches wird der, wenn man so will, "genius documenti" ganz deutlich: Eine Hand aus der Zeit,dem Ende des 15. Jahrhunderts, hat jene vier Doku mente zusammen niedergeschrieben,die im Zusammenhang mit der einschneidenden Veränderung des Kapitelstatus wichtig wa ren. Vor allem die beiden päpstlichen Bul len sind deutlich und eingehend durchgear beitet worden: Im Gegensatz zu den übri gen Blättern des Buches sind jene in Rede stehenden Seiten abgegriffen, vielmals un terstrichen und durchgearbeitet, mit Rand glossen und Wachsflecken versehen, ein gerissen und wieder ausgebessert, - man hat die neue rechtliche Situation genau studiert! Die Tradition der Zusammenfassung beider Urkunden,jener von 1469 wie auch jener von 1475 gewissermaßen zu den "Bulle erectionis episcopatus", bis hinauf in die 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts sowie die Talsache, daß am 17. September 1480 beide Bullen feierlich verlesen, beide Bul len durch die Stadt getragen und am Tor des unausgebauten Turmeszur allgemeinen Kenntnisnahme angenagelt wurden, daß also immer beide Bullen gemeint waren, rechtfertigen die Empfehlung, m Hinkunft im Zusammenhang mit der Bistumserrich tung nicht mehr nur von der "Errichtungsurkunde" des Bistums Wien, sondem von "den beiden Bullen, der Er richtungsurkunde einerseits und der Dotations-, bzw. Circumscriptionsurkunde andererseits"zu sprechen. Ausblick Zusammenfassend ist festzustellen, daß die Gründung des Bistums Wien,- auch aus der Situation der Zeit heraus gesehen,- sicherlich nicht einem dringenden pastoralen Bedürfnis entsprang, sondem vielmehr einzuordnen ist in die Gedankenwelt Friedrichs III., der, abgesehen von dem Wunsch nach mystischer Überhöhung sei nes Hauses, von der Idee besessen war, der Vollender all dessen zu sein, was sein von ihm so sehr verehrter Großonkel RudolfIV. begonnen hatte. In diesem Zusammenhang rückte die Stephanskirche fast unvermeidlich in sei nen Blickpunkt.Diese hatteja bei den jahr hundertelangen Bemühungen der österrei chischen Landesfürsten um ein Bistum,- zunächst als Pfan-, seit 1365 als Kollegiatskirche, den Anspmch auf einen Bi schofssitz von Anbeginn an vertreten. Sie war durch alle Zeit hindurch Kristallisati onspunkt und Zentrum alles Bemühens. Besonders deutlich wurde dies unter Rudolf IV., der "seine Tumbkiiche" als landesfürsüiches Heiligtum sah und gesehen haben wollte. Zur Zeit der Bistumserrichtung war St. Stephan, mit Ausnahme des Nordturmes, dessen Fundament 1450 durch Friedrich III., wohl in Erinnerung an das Zweiturm projekt Rudolfs IV. gelegt worden war, in seiner heutigen Gestalt nahezu vollendet. Die Anteilnahme des Kaisers am Nordturmprojekt wird in der Chronik Cuspinians besondere plastisch belegt: der Kaiser befahl persönlich, den in diesem Jahr besonders sauren Wein nicht zu ver schütten, sondem ihn vielmehr auf den Stephansfreithof zu bringen, um damit den Kalk abzulöschen und das Fundament des Nordturmes "recht" zu bauen. Tatsächlich bewirkt der Zusatz von Wein eine be trächtliche Erhöhung des Widerstandes des Mörtels gegen schädliche Einflüsse. An je nes Tor des damals noch wirklich unausge bauten Turmes wurden auch die Bistums errichtungsbullen angeschlagen - womit der Zusammenhang von Bistumserrichtung und Turmprojekt deuüich bezeugt wurde*". Friedrich III. hat das langsame Wachsen 32

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