zum Dekanat Lorch gehörte, wurde em eigenes Verwaltungszentrum, Offizialat genannt,seit 1357 mit dem Sitz in Wien bei Maria am Gestade,eingerichtet. Die politischen Gründe aber wogen viel mehr. Und auch die inzwischen in Öster reich regierenden Habsburger dachten hier nicht anders.- In einem Vortrag', geboten im November 1960 in der Wiener Katholischen Akademie, charakterisierte Alphons Lhotsky in seiner unnachahmli chen Art die Situation der österreichischen Landesfüßten im Mittelalter, spezieil in Bezug auf die kirchlichen Gegebenheiten: Ein Herzogtum vom Range Österreichs ohne kirchlichen Mittelpunkt war zu Be ginn des 14. Jahrhunderts bereits eine höchst problematische Angelegenheit, wie folgende Geschichte verdeutlicht: Als nä^ich Herzog Friedrich der Schöne, der zweite Sohn König Albrechts I., im Jahre 1311 um die Tochter des Königs von Ara gon freite, verlangte dieser-so Lhotsky,- "für die geforderte Änderung des Sukzessi onsrechtes im Sinne der Primogenitur eine feierliche Garantie der Erzbischöfe und Bi schöfe Österreichs - was wußte man denn schon in Spanien! - Da mag es für die österreichischen Gesandten keine sehr an genehme Aufgabe gewesen sein, dem verblüfiten König und dessen Räten klarzumachen, daß es im Lande seines künftigen Schwiegereohnes nicht nur kei nen Erzbischof,sondern nicht einmal einen landsässigen Bischofgebe..." Man kann sich voretellen, daß solche und ähnliche Situationen für den von der besonderen, ja einzigartigen Stellung und Sendung Österreichs und vor allem seines Hauses überzeugten jungen Habsburger herzog Rudolf IV., den Sohn Albrechts II., schwerzu ertragen waren. Mit dem Vorbild seines Schwiegervatere, Kaiser Karls IV., vor Augen,der im Jahre 1344 bei Clemens VI. die Erhebung der böhmischen Metro pole Prag zum Bi^istum erreicht hatte, konnte er zwar die Errichtung eines Lan desbistums nicht erreichen, wohl aber ge lang ihm eine wichtige Voßtufe dazu. Rudolf IV., der von seinem Selbstver ständnis her die "Klerisei" gewissermaßen als ein "Requisit" landesfüßüichen Auftre tens betrachtete, der sich in St. Stephan eine Königskathedrde französischen Zuschnitts schuf,er veßuchte mit allen Mitteln,seinen Landesprälaten den Gebrauch der Pontifikalien zu veßchaffen®. Mit Datum vom 16. März 1365 wurde an der Wiener Stephanskirche ein von Pas sau unabhängiges, direkt dem Heiligen Stuhl unteßtelltes Kollegiatkapitel "Zu Al lerheiligen", bestehend aus einem Propst und 24 Ironikern, errichtet, die Ste phanskirche wurde zur KoUegiatkirche er hoben. Im sogenannten 2. großen Stifts brief für dieses Kapitel heißt es dann unter anderem wörtlich:"Auch hat uns von son der gnaden der vorgenant unser seliger vatter der pabst(Urban V.)verhenget und ge ben, daz der propst dieser stifft ze Allen Heyligen ze Wienn gotzdienst begen soll und mag mit infel, Stab und ander bi schoflicher gezird"'. Rudolf IV. hatte sich also der Erfüllung des allen landesherrlichen Wunsches nach kirchlicher Unabhängigkeit um einen ent scheidenden Schritt - in diplomatischer, aber auch psychologischer Hinsicht - an genähert Die Situation in Wien am Vorabend der Bistumsgründung An der in der eßlen Hälfte des 12.Jahr hunderls von Passau aus gegründeten, au ßerhalb der allen Stadtmauern auffallend weiträumig erbauten und wie die Mutter kirche ebenfalls dem hl. Erzmärtyrer Stephanus geweihten Wiener Pfarrkirche be gründete im Jahre 1267 der damalige Pfar rer Magister Gerhard im Zuge einer allge meinen Reform der Klöster und Pfanen ei ne Priesterbrudeßchaft, deren Mitglieder den Pfarrer fallweise in der Seelsorge ver treten sollten. Von ihrer Zahl her, sie waren acht, wurden sie "Achter" oder auch "Curherren" (cura animarum) genaimt; ihr Haupt war der Chor- oder Curmeister. - Nach der Errichtung des KoUegiatkapitels änderte sich die Situation insofern, als ab dieser Zeit das Pfaircramt von St. Stephan mit dem Amtdes Propstes vereinigt und die Pfane der Propstei iiücorporiert wurde. Die unter dem Chormeisterstehende Seelsorgsgeistlichkeit von St. Stephan wurde bei der Einfühmng des KoUegiatkapitels nicht be rührt, auch zahlenmäßig nicht verändert, obwohl nun außer dem Propst noch 24 Ka noniker und 26 Kapläne nach St. Stephan kamen. Im Laufe der Zeit erfolgte dlerdings eine gewisse Beiordnung der Chur gegenüber dem Kapitel. Wenn auch die 26 Chorkaplanale pr^isch nie vollständig besetzt waren, so lebte und arbeitete doch in der Mitte des 15. Jahrhunderts eine ansehnliche Zahl von höheren und niederen Geistlichen, vermehrt durch eine ansehnliche Zahl von Benefiziaten, an der Stephanskirche'. Der planmäßige Um- und Ausbau von SL Stephan zur "capella regia Austriaca", zur Pfalz- und Hofkirche der österreichi schen LandesfÜßten fügte sich in das Ge samtbild der Einrichtung und Privilegiemng des Kapitels: es scheint, als hätte Ru dolf IV. den Plan gehabt, die sehr selb ständig ausgestattete Propstei gegebenen falls zum Bistum umzugestalten; das heißt, den Propst zum eßten Bischof zu erheben und seine Dotation als bischöfliches Mensalgut zu verwenden. Jedenfalls wurden im 14. und 15. Jahr hundert in der Regel nur hervorragende Peßönlichkeiten aus der Umgebung der Herzoge zur Wiener Propstwürde, die da mals das höchste österreichische Kirchen amt daßtellte,berufen. Am Vorabend der Bistumsgründung war die Stelle desPropstes allerdings unbe setzt'. Im Jahre 1466 resignierte der dama lige Propst Albrecht von Schaunberg, nachdem ein Spmch einer päpstlichen Kommission ihn "umb seiner etlichen leichtfertigkeil willen auf anlangen kaiser Friedrichs als lehensherm"'® im Jahre 1465 abgesetzt hatte. Schon 1466 ernannte Papst Paul II. Dr. Johann Hausner, Chorherr zu St. Stephan in Wien, zum Verweser der Propstei, bis Kaiser Friedrich III., als I..ehensherr "einen rechten propst presentiren" wird". Der Kaiser scheint ganz bewußt die Propstei vakant belassen zu haben, um fiir die kommenden Ereignisse freie Hand zu haben. Der Gründungsvorgang Die eßten Lebensjahre des jungen Bi stums Wien lesen sich wie ein satirischer Kriminalroman. Grundsätzlich könnte man schon allein über die Wahl des Zeitpunktes der Bistumserrichtung in Wiener Neustadt und Wien veßchiedene Überlegungen an stellen: wenn man sich vor Augen hält, daß Friedrich III. der Stadt Wien die Ereignisse des Oktobeß 1462 lange nicht, - wenn überhaupt,- vergessen hat, wenn man die Tatsache bedenkt,daß er es in den folgen den Jahren mehr oder weniger offensicht lich vermied, nach Wien zu kommen, daß er der Stadt alle Privilegien entzog, dann drängtsich die Frage auf,warum er sich um eine Beförderung,weim auch in kirchlicher Hinsicht, für eben diese Stadt bemühen sollte, es sei denn, es lag in seinem eigen sten Interesse? Ein kurzer Rückblick mag hilfreich sein: als am 2. Dezember 1463 der Brader des Kaisern, Albrecht VI. in Wien an der Beu lenpest starb'2, brachte dies Friedrich vor übergehend die Anerkennung in seinem Lande, wenn auch keinen endgültigen Er folg. Aber immerhin mußte nun auch die Stadt Wien veßuchen, wieder zu einem neuen Verhältnis mit dem Kaiser zu kom men. Dies geschah auch im Frühjahr 1465 in Wiener Neustadtin feierlicher Form". Zu Beginn des nächsten Jahres wollte Friedrich sein Vorhaben der Romreise aus führen, mußte dieses aber veßchieben, ebenso im nächsten Jahr'*'. Der Gmnd dafür mag im Ableben seines jüngsten Sohnes Johann am 10.Febmar 1467zu sehen sein; ein halbes Jahr darauf, am 3. September desselben Jahres starb die Kaiserin in Wie ner Neustadt. Dies und der bevoßtehende Krieg mit Böhmen,-im J^er 1468 fielen böhmische Truppen in Österreich ein, - verzögerten die Abreise auch diesmal. Endlich, nachdem Matthias Corvinus dem Kaiser Hilfe angeboten und im März 1468 im Namen des Kaisern einen Krieg gegen Georg von Podiebrad begonnen hatte, reiste Friedrich im Oktober 1468 zü seiner zweiten Romfahrl ab. Der Zweck der Reise war, wie man weiß, abgesehen von der Erfüllung des Gelübdes, ein mehrfa cher: die Approbation des von ihm gestifteten St. Georgs-Ritter-Ordens, die Heiligsprechung Leopolds III., sowie die Bistumserhebung von Wien und Wr.Neu stadt". Am 9. Jänner 1469 verließ Friedrich die Ewige Stadt und kehrte über Viterbo, Orvieto und Pemgia nach Österreich zu rück. Kurz nach seiner Abreise, mit Datum vom 18. Jänner 1469, stellte Papst Paul II. die beiden Bistumserrichtungsbullen "In supremae dignitatis specula" für Wien und "Romanus Pontifex" für Wiener Neustadt aus. Im Gefolge des Kaisern auf diesem Rombesuch befand sich auch Leo von Spaur", ein damals knapp dreißigjähriger Mann, aus einer alten Tiroler Familie, den Herrn von Burgstall, abstammend. - Am 29
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