Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

die Re.slauricrung der Kirche Maria am Ge stade, unabhängig von der Frage eines fi nanziellen Beitrages seitens der Tschechen, an. 1819 bot P. Klemens Maria Hofbauer dem Kaiser an,die Seelsorge der Tschechen an der Kirche Maria am Gc.stade zu über nehmen, als ob diese Nationalkirche wäre. Schließlich wurde am 30. April 1820 die Kongregation der Redcmptoristen in Österreich zugelassen; gleichzeitig wurde ihr die Kirche Maria am Gestade mit der Verpflichtung,für die"Bewohner tschechi scher Zunge" Gottesdienste abzuhalten, übcrgcben*2. Nach der vorübergehenden Vertreibung der Redemptorislen aus Wien im Jahr 1848 war 1850 daran gedacht, an der Kirche Maria am Gestade eine tschechische Personalpfane zu errichten, doch wurde dieses Projekt nicht verwirklicht*3. In den Jahren 1834 bis 1836 wurde auf dem Rcnnwcg (Nr. 63) die Klosterkirche der Redemptoristinnen*"* erbaut und im Jahr 1838 vom Wiener Erzbischof Vinzenz Eduard Milde unter dem Titel "Allerheiligsier Erlöser" konsekriert In dieser wurden von Redemptoristenpalres von Maria am Gestade auch tschechische Me.ssen gelesen. 1861 drängle Kardinal Friedrich von Schwarzenberg,Erzbischof von Prag,beim Wiener Erzbischof Kardinal Othmar von Rauscher (1853-1875) auf bessere pa storale Betreuung der tschechischen Zuwandercr nach Wien. Kardinal Rauscher konnte aber nur darauf verweisen, daß die Tschechen in dieser Hinsicht genauso schlecht gestellt seien wie die übrige Wie ner Bevölkerung. Tatsächlich konnte die Zahl der Kirchen und Pfancn in Wien mit der enorm wachsenden Großstadt nicht Schritt haltcn*3. Im Zuge der großen Bahnbauten und der Industrialisierung Wiens und des südli chen Niedcröstcrrcichs kam es in derzwei ten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einer starken Zuwanderung vor allem aus Böh men,Mähren und Schlesien nach Wien und in die Industrieorte des Wiener Beckens*®. Die katholischen Tschechen Wiens bau ten seit den sechziger Jahren eine umfang reiche Vereinsorganisation auf. Diese Ver eine trugen zur nationalen Selbstkonstitution der Tschechen besonders auf kulturel lem und geselligem Gebiet bei. Unter den Aktivitäten dieser Richtung sei zunächst der Verein "Slawische Ressource" (Slovanskä Bcseda) genannt, ein Lese- und Unterhaltungsverein,zu dessen Mitbegrün dern Mitglieder des hohen Klerus gehör ten*'. Die wichtigsten Impulse zur Seelsorge der Wiener Tschechen gingen von dem 1865 auf Initiative des Wiener Domdechants Anton Homy gegründeten "Wiener St.-Method-Verein"(J<3nota sv. Melodeje] aus. Sein Ziel war es, die Abhaltung tschechischer Messen an Sonn- und Feier tagen in Wien und Umgebung zu ermögli chen*®. Auf sein Wirken ging in der Fol gezeit auch die Abhaltung l.schechischcr Gottesdienste ab 1875 in einzelnen Wiener Kirchen zurück. In manchen Fällen schei terte aber die Abhaltung tschechischer Got tesdienste am Widerstand der eingesesse nen, oft deutschnational gesinnten Bevöl kerung. Einer der Vorsitzenden des SL-Method-Vereines war der Reichsratsabgeord nete Dr. Cyrill Stojan,der1908zum päpst lichen Hausprälaten und zum Domdechant in Wien ernannt wurde und später Erz bischof von Olmutz in der Tschechei wurde*'. Aus dem St.-Method-Verein erwuchs ein umfangreiches Vereinssyslem: so gin gen daraus neben religiösen Vereinen ebenso Wohltätigkeits- und Sparvereine sowie die Tumorganisation "Adler" (Orel) wie vor allem die katholisch-politische Vereinigung und eine gesamtgewerkschaftlichc Vereinigung der christlichen Arbeiterschaft hervor. Der Wiener St.-Me thod-Verein stand in engem Zusammen hang mit dem tschechischen politischen Leben, und zwar mit der "Katholisch-na tionalen Partei" (Katolickä strana närodnO'®. Im Jahr 1872 begann der systematische Aufbau eines tschechischen Schulwesens in Wien mit der Gründung des KomenskySchulvereins.Bereits 1883 wurde in WienFavoriten die crete private tschechische Volksschule gegründet. Das glänzende Wien der RingstraßenÄra war mit den Ziegeln gebaut, die meist von aus der Tschechci zugewanderten Ar beitern am Wienerberg erzeugt wurden. Auch in der Pfaire St. Nikolaus in WienInzersdorf wurde die Anstellung eines Aushilfskooperatore genehmigt, der nach Möglichkeit die tschechische Sprache be herrschen sollle2*. In den Jalircn 1880 bis 1890 kamen rund 300.000 Tschechen nach Wien. Es waren vor allem Arbeiter, die beim Wohnund Straßenbau benötigt wurden22. In die ser Zeit wurde in acht Wiener Kirchen an Sonn- und Feiertagen tschechischer Gotte.sdienst gefeiert23. Im Jahr 1908 wurden Kirche und Klo ster der Redemploristinnen aufdem Rcnnweg unter großen finanziellen Aufwendun gen vom Wiener St.-Melhod-Verein gekauft2"'. Am Fest des hl. Leopold (15. No vember)ertönte zum ersten Mal in der ei genen Kirche das traditionelle tschechische Meßlied "Ejhle oltar Hospodinuv zari". Festprediger dieses feierlichen Gottesdien stes war Msgr.Dr.Anton Cyrill Stojan. Im Jahr 1914 umfaßte der St.-MelhodVerein zehn Zweigstellen in Wiener Bezir ken mit rund 2.000 Mitgliedern und be treute rund 18.990 Gläublge23, Seit 1908 war die Kirche aim Allerheiligsten Erlöser am Rennweg Wirkungsstätte einer ganzen Reihe von tschechischen und slowakischen Priesteni,die hier dem tsche chischen Volk,das der Arbeit wegen nach Wien kam, mit ihrer pastoralen Tätigkeit dienten. 1922 gründete der aus Prag stammende Priester Josef Jan LUomisky (1888-1956) in Wien die Kongregation der Trö.ster von Geihsemani(CCG).Die neue Kongregation wurde am 7. April 1922 von Kardiniü Piffl approbiert. Eine der Hauptaufgaben sah die neue Kongregation in der pastoralen Be treuung ihrer im Au.sland lebenden LandsIcute. Gcncralai und Mutterhaus der Tröster waren im Kloster am Rennweg Nr. 63. Damals waren 85%der Wiener Tschechen in der Industrie tätig. Laut Volkszählung von 1939 lebten in Wien und Niedoostwreich 54.933 Tschechen und 5.251 Slowa ken. In dieser Zeit wurde vom Tschechi schen III. Orden des hl. Franziskus,dersei nen Sitz an der Kirche St Anna in Wien I hatte, für dessen Mitglieder eine Abteilung auf dem Wiener Zentralfricdhof auf die Dauer des Bestandes dieses Friedhofes an gekauft Während des Zweiten Weltkrieges wurde die Erlöscrkirche am Rennweg be schädigt konnte aber mittels Spenden und Sammlungen der Gläubigen wiederherge stellt werden.Das neue Gemälde von Josef Magerle über dem Hochaltar stellt Christus mitden tschechischen Patronen dar. Anläßlich der Hundertjahrfeier des Wiener St.-McihQd-Vereins hielt im April 1966 Kardinal Dr. Josef Beran, Erzbischof von Prag und tschechischer Primas,in der Erlöserkirche am Rennweg den Got tesdienst ab und spendete das Sakrament der Firmung. 1968,unter RektorP.Dominik M.Matiasovsky aus der Kongregation der Tröster, wu^e die Kirche nochmals mittels Spen den und Sammlungen renoviert. 1969 besuchte der spätere tschechische Kardinal Dr. Stepän Trochta die tschechi sche Meßgemeinde in Wien. Auch der Erzbischof von Prag,Dr. Frantisek Tomasek,erteilte in der tschechischen Kirche am Rermweg dasSakrament derFirmung. Zwischen 1948 und November 1989 erlebten die Katholiken in der Tschecho slowakei sehr verschiedene Varianten der Einstellung des Staates zur Kirche. Nach seiner Wahl zum Präsidenten im Febmar 1948 wohnte Gottwald einem "Te Deum" im St.-Veits-Dom in Prag mit Erzbischof Beran bei-als ob er Gönner und Beschüt zer der Kirche sein wollte.In wenigen Mo naten wurdejedoch die Kirche administra tiv unteijocht, in den folgenden Jahren wurden lausende ihrer Mitglieder wegen religiöser Betätigung verurteilt, andere ver folgt oder diskriminiert. Es gab auch eine Reihe von Märtyrern. Auch im Ausland hat die kommunistische Macht alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens veipolitisicit; von der Wirtschaft bis zum Schulwe.sen. Unter Verwendung gewerblicher oder ge schäftlicher Slmkturcn oder unter Einfluß nahme aufPolitik, Medien und Justiz. In diesen schwierigen Zeilen mußten Laien und Priester für die Kirche etwas tun, im Inland wie im Ausland, damit sie wei terhin funktionstüchtig bleibe. Im Konkre ten ist in der Erzdiözese Wien der finan zielle Einsatz des St.-Method-Vereins für die Kongregation der Tröster von Gethsemani und die Ertöserkirche am Rennweg und ihre Treue, Opfer und Arbeit für die tschechischen Katholiken nicht vergeblich gewesen. Zu nennen ist ebenso der cizicherisch-paslorale Einsatz der Kongregation der Saleslaner Don Bosojs(SDB), beson ders durch ihren Lschcchischen Prie.ster P. Blasius Müller, der von der Kongregation derTröster im Jahr1969erbeten wurde. Mit 1. Oktober 1969 wurde Pater Müller von Kardinal König zum verantwortlichen

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