Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

tion an Augustinus von Canterbury gesandt,in der er forderte, die heidni schen Kultstätten in England nicht zu zerstören, sondern sie behutsam in Kirchen umzuwandeln, und die reli giösen Werte und Erfahrungen der Menschen in das Leben der neuen christlichen Gemeinden aufzunehmen. Johannes von Montecorvino OFM (+ 1328) wurde vom Papst gestattet, die heilige Messe in Peking in der Sprache der damaligen Mongolenherr scher zu feiern und sich den Sitten der Menschen seines Landes bewußtanzu passen. Die Instruktion der 1622 gegründe ten Päpstlichen Kongregation für die Verbreitung des Glaubens (de Propa ganda Fide) aus dem Jahr 1659 stellte die Frage: „Was ist absurder, als Frankreich, Spanien, Italien oder ir gendein anderes Land Europas in Chi na einzuführen? Nicht dies, sondern den Glauben sollt ihr bringen". Genau diesem Anliegen waren die großen Missionare und Akkommodationstheologen im Asien des 16. und 17. Jahrhunderts gefolgt. Franz Xaver SJ (+ 1552) hatte in Japan erfahren, daß nur die konsequente Annahme der japanischen Kulturihm dort Anerken nimg verschaffte. Matteo Ricci SJ (+ 1610) hat sich mit der chinesischen Sprache und Kultur wie kein Euro päer vor ihm befaßt und Ansätze zu einer kontextuellen Theologie und zu einem lokalen Rituale geschaffen, die in der Sicht der Theologie des II. Vati canums als bahnbrechend gelten dür fen, ähnlich wie Roberto de Nobili SJ (+ 1656)in Indien. In ihrer Zeit aber wurden die Akkommodationstheologen nur von we nigen verstanden und von vielen bekämpft, wohl auch deshalb, weil ihre Inkulturationsversuche erste Schritte auf noch unerforschtem Neu land darstellten und manche ihrer Ex perimente tatsächlich mißdeutet wer den konnten. Der unselige „Riten streit" führte jedenfalls 1744 zur Ver urteilung dieser Anpassungsversuche durch Papst Benedikt XIV. wobei man es nicht unterließ, in einem eigenen „Riteneid" die Missionare zu ver pflichten, sich von Akkomracdationsversuchen auch in Zukunft fernzuhal ten; dieser Eid wurde bis 1939 ver langt. Daß der längst obsolet gewordene Eid endlich abgeschafft und die Not wendigkeit der Inkulturation in der römischen Kirche allmählich immer mehr eingesehen wurde, war zweifel los auch das Verdienst weitblickender Missionare wie Vincent Lebbe CM (+ 1940) und kirchlicher Amtsträger wie des Erzbischofs Celso Costantini (+ 1958) die sich für die Inkulturation der Kirche in China und damit auch für die Schaffung einer chinesischen christlichen Kunst, Musik und Litera tur eingesetzt hatten. Es vollzog sich in der Kirche ein Umdenkprozeß den nichtchristlichen Kulturen gegenüber. Die Überlegen heit der europäischen Kultur blieb keine Selbstverständlichkeit mehr, die Wertschätzung der anderen Kulturen wird in der Kirche betont und allmäh lich auch praktiziert. Völkerkundler wie P. Wilhelm Schmidt SVD(+ 1954), der 1906 im Missionshaus St. Gabriel, Mödling, die Fachzeitschrift „Anthropos" gegründet und mit seinen Schülern Martin Gusinde SVD (+ 1969), Wilhelm Koopers SVD (+ 1961), Paul Schebesta (+ 1967) u.a. die Erforschung der Primärkulturen vorangetrieben hatte, trugen entschei dend zu diesem Umdenken bei, das nicht nur die Kulturen, sondern auch die Religionen der Völker in jenem neuen Licht sah, welches sich später in den Dokumenten des II. Vatican ums ausdrücken sollte. Als Pioniere in der Begegnung mit der geistigen Welt des Hinduismus seien hier zwei Theologen angeführt, die die Haltung des II. Vaticanums vorausgefühlt und in ihren Dialogzen tren eingeübt hatten: Jules Monchanin Sam (+ 1957)und Henri Le Saux OSB (+ 1973). Ihre Praxis interreügiöser Begegnung war begleitet von For schungen katholischer Missionswis senschaftler, die in Publikationen neue Horizonte aufzeigten, wie Jean Danielou SJ (+ 1974) in seinem 1956 erschienenen Buch „Die heiligen Hei den des Alten Testaments" oder Tho mas Ohm OSB(+ 1962)in seinem 1950 veröffentlichten Werk „Die Liebe zu Gott in den nichtchristlichen Religio nen". Theologische Forschung bereite te den Weg zu den Dokumenten des II. Vaticanums,in denen Inkulturation und Dialog,die Begegnung der Kirche mit den Kulturen und Religionen ei nen hohen Stellenwert erhielten. 5.DasZweite Vatikanische Konzil Vertreter der katholischen Kirche aus Asien, Ozeanien, Afrika und Lat einamerika waren auf dem II. Vatica num (1962-1965) in großer Zahl prä sent und in ihren Stellungnahmen sehr entschieden. Sie setzten die Aus arbeitung eines eigenen Missionsde krets durch, das 1965 approbiert und veröffentlicht wurde und unter der Abkürzung „Ad Gentes" bekannt ist. An der Abfassung des Textes waren berühmte Theologen wie Josef Ratzin ger, Yves Congar, Josef Neuner und Josef Glazik beteiligt^ Wiederholt verlangt dieser Konzils text Vorgänge der Inkulturation, ohne diesen Ausdruck noch zu verwenden: „(Die Chi'istgläubigen) müssen an den kulturellen und sozialen Angelegen heiten (der Völker) teilnehmen. Sie müssen auch mit ihren nationalen und religiösen Traditionen vertraut sein. Mit Freude und Ehrfurcht sollen sie die Saatkörner des Wortes aufspüren, die in ihnen verborgen sind ... Sie sol len lernen, welche Reichtümer der freigebige Gott unter den Völkern ver teilt hat."(Nr. Ii). „Die Gemeinde der Gläubigen soll durch ihi-e Ausstattung mit den kultu rellen Reichtümern der eigenen Hei mat tief in ihrem Volk verwurzelt sein."(Nr.15). „Die Einpflanzung der Kirche in ei ne bestimmte Gesellschaft erreicht ei nen gewissen Abschluß, wenn die Ge meinde der Gläubigen im sozialen Le ben verwurzelt und der örtlichen Kul tur in etwa angepaßt ist."(Nr. 19). Der bedeutendste Text zum Anlie gen der Inkulturation findet sich in Nr. 22: „Das Saatkorn, das heißt das Wort Gottes, sprießt aus guter, von himmlischem Tau befeuchteter Erde, zieht aus ihr den Saft, wandelt und assimiliert ihn, um endlich viele Fruchtzu bringen.So nehmen also die jungen Kirchen, verwurzelt in Chri stus, gebaut auf das Fundament der Apostel, im Einklang mit der Heils ordnung der Fleischwerdung in die sem wunderbaren Tausch alle Schätze der Völker auf, die Christus zum Erbe gegeben sind (Ps. 2, 8). Aus Brauch tum und Tradition ihrer Volker, aus Weisheit und Wissen, aus Kunststil und Fertigkeit entlehnen sie alles, was sie beitragen können, die Ehre des Schöpfers zu preisen, die Gnade des Erlösers zu verherrlichen, das Christlenleben recht zu gestalten. Um dieses Ziel zu verwirklichen, muß in jedem großen Kulturraum die theologische Arbeit angespornt wer den, die im Licht der Tradition der Gesamtkirche die von Gott geoffen barten Werke und Worte, die in der Heiligen Schrift aufgezeichnet sind und von Kirchenvätern imd Lehramt erläutert werden, aufs neue durch forscht. So wird man klarer sehen,auf welchen Wegen der Glaube dem Ver stehen näherkommen kann unter Benützung der Philosophie und Weis heit der Völker, und auf welche Weise die Gepflogenheiten, die Lebensauf fassung und die soziale Ordnung mit dem Sittengesetz,das in der göttlichen Offenbarung enthalten ist, vereint werden können. Von da öffnen sich Wege zu einer tieferen Anpassung im Gesamtbereich des christlichen Le bens. Wenn man so vorangeht, wird jeder Anschein von Synkretismus und falschem Partikularismus ausge schlossen: das christliche Leben wird dem Geist und der Eigenart einer je den Kultur angepaßt: die besonderen Traditionen, zusammen mit den vom Evangelium erleuchteten Gaben der verschiedenen Völkerfamilien, werden in die katholische Einheit hineinge nommen.So haben schließlich die jun gen Teilkirchen mit dem ganzen Reichtum ihrer Überlieferung ihren Platz in der kirchlichen Gemeinschaft, unter voller Wahrung des Primates des Stuhles Petri, der in der ganzen Gemeinschaft der Liebe den Vorsitz führt. Es ist zu wünschen und es ist sehr angebracht,daß die Bischofskonferen zen innerhalb der großen Kulturräume unter sich Verbindung aufnehmen, daß sie in gemeinsamer Überlegung einmütig dieses Ziel der Anpassung 27

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