Der hier verwendete Kulturbe^iff ist ein integraler: Alle Lebensbereiche einer bestimmten Menschengruppe sind zu einem charakteristischen Sy stem zusammengefügt - Sprache und Lebensformen, Wirtschaft und Sozial ordnung, Philosophie und Religion, Kunst und Wissenschaft, Wertord nung und Politik u.a. So umlaßt das Anliegen der Inkul turation auch alle Ebenen missionari scher Tätigkeit: Volksfrönunigkeit, Brauchtum, Katechese, Gottesdienst, Lebensordnung, Musik und Dichtung, bildende Kunst und Architektur, Ethik und Glaubenslehre, Kirchen strukturen u.a. 2.Inkulturation in Bibel und Urkirche Schon in den ersten Jahrzehnten ih rer Existenz sah sich die Urkirche zur Inkulturation veranlaßt: beim Über gang von der judenchristlichen Ge meinde in Jerusalem zu einer pluralistischen Kirche. Das „Apostelkonzil" des Jahres 49(Apg 15) mußte sich mit der Tatsache auseinandersetzen, daß die junge Kirche jetzt nicht nur Thora-treue Christen umfaßte, son dern auch hellenistisch geprägte Hei denchristen, die sich dem mosaischen Gesetz nicht unterwerfen wollten. Das Apostelkonzil gab den Hellenisten Recht und verlangte von ihnen nur ei ne gewisse Rücksichtnahme auf die Traditionen der Judenchristen, nicht aber die Übertragung dieser Traditio nen auf Gemeinden, die nicht aus Ju denchristen bestanden. So wurden die heiligen Schriften des Neuen Testaments nicht in der altehrwürdigen Sprache des Alten Bun des, Hebräisch, und auch nicht in der aramäischen Muttersprache Jesu,son dern auf Griechisch niedergeschrie ben, in der Sprache der Heiden, der Weltsprache des östlichen Römerrei ches, der Sprache also, die der missio narischen Verkündigung am besten diente. Schon in der Bibel des Neuen Testa ments zeigte sich die Notwendigkeit, die in die semitisch-jüdische Kultur eingebetteten Taten und Worte Jesu in die hellenistische Kultur zu überset zen. Ausdrücke und Gebräuche, die den Judenchristen vertraut waren, mußte man den Heidenchristen er klären. Andererseits fanden Begriffe aus der gi-iechischen Philosophie („Logos") Eingang in die biblischen Texte. Die Übersetzung der Heiligen Schriften aus den biblischen Sprachen Hebräisch und Griechisch in die ande ren Sprachen weist auf weitere cha rakteristische Probleme der Inkultu ration hin: a)Eine christliche Tei-minologie exi stiert im außerchristlichen Raum ent weder überhaupt nicht oder nur in un genügendem Umfang. Äquivalente Ausdrücke zu christlichen Begriffen wie „Sakrament", „Taufe", „Euchari stie", „Apostel",„Kirche" müssen erst gefunden werden. Dabei hat man zwei Wege eingeschlagen: aa) Vorhandene Ausdrücke wurden übernommen und mit einem neuen, christlichen Inhalt erfüllt. Apöstolos, eucharistia, baptizein waren gängige griechische Ausdrücke gewesen, die jetzt für die Christen einen neuen und tieferen Inhalt bekamen. So konnte man in den anderen Sprachen vorhan dene Ausdrücke benützen, um sie mit einem christlichen Inhalt auszustatten („Taufe" ist abgeleitet von „tauchen" nach der Praxis der Immersionstaufe). ab) Fremdwörter wurden aus den biblischen Sprachen in die neue Spra che einfach übernommen: aus baptismös wurde baptismus, aus apostölos wurde apostolus usw. Fremdwörter haben den Vorteil der Eindeutigkeit, aber den Nachteil der(vorübergehen den)Unverständlichkeit. In beiden Fällen bedarf die Ein führung einer christlichen Terminolo gie einer ausführlichen Erklärung. b) Was soll eine Bibelübersetzung ausdrücken: den Inhalt der Botschaft Jesu oder eine wortwörtliche Überset zung? Manche Texte der Bibel erschei nen uns so kultur- und zeitgebunden, daß wir sie nicht unbesehen in unsere Zeit übertragen können, wie etwa die Anweisungen in 1 Tim 2,9-5, wie sich Frauen in der Kirche zu verhalten hätten; sind diese Sätze Anweisungen für alle Zeiten und für alle Kulturen? Tatsächlich hat man sich in vielen Ortskirchen längst über diese Anwei sungen hinweggesetzt. Wie drückt man weiters den Inhalt des biblischen Begriffs „Lamm Gottes" in Kulturen aus, wo man Lämmer nicht kennt? Hat eine Ortskirche das Recht, in solchen Fällen ein unbekanntes Wort durch ein bekanntes zu ersetzen, um den In halt des Textes verständlich zu ma chen? Tatsächlich sind diese Inkulturati onsvorgänge seit den Tagen der Urkir che jahrhundertelang geschehen. Die Botschaft Jesu wurde zu den Völkern Vorderasiens, Nordafrikas und Euro pas gebracht und nahm in den ver schiedenen Sprachen und Kulturen unterschiedliche Gestalt an, die uns bis heute in den verschiedenen Orts kirchen begegnet: in der syrischen und chaldäischen Kirche, der maroniti schen und der melchitischen, der kop tischen und der äthiopischen,der grie chisch-byzantinischen und der ar menischen, der serbischen und der russischen, der ukrainischen und der ruthenischen, der bulgarischen und der rumänischen und schließlich in der großen lateinischen Kirche, die in der Folge alle Riten Westeuropas in sich aufgenommen hat. 3. Widerstand gegen kulturelle Vielfalt wegen der Erfahrung der Aufsplitterung Die Vielfalt der christlichen Kirchen in Ost und West führte im Laufe des ersten Jahrtausends leider zu Span nungen und Trennungen. Die dogma tischen Auseinandersetzungen der er sten acht ökumenischen Konzilien (die alle im Bereich der Ostkirchen statt fanden) brachten nicht nur theologi sche Positionen (Monophysitismus, Nestorianismus, Arianismus) in Wi derspruch zueinander, sondern auch die damit verbundenen Kirchen. Die Vielfalt wuchs sich zur Verwirrung aus, das Nebeneinander zum Gegen einander. Mit dem großen Schisma des Jahres 1054 wurde die Trennung in Ostkirchen und Westkirche besiegelt, ein schwerer Verlust für die Gesamt kirche, da die Ostkirchen sich mit Recht auf eine eigene apostolische Tradition berufen können und eine Form christlichen Lebens weitertra gen, die die der römisch-lateinischen Westkirche bereichert und ergänzt. Die Westkirche wehrte sich durch die Betonung der zentralen Autorität des Papstes, die Erhebung der lateini schen Sprache zur allein maßgeben den Kirchensprache, die Vereinheitli chung von Liturgie und Kirchenrecht auf ein einziges Modell und somit die Unterdrückung der im Westen beste henden nichtlateinischen Liturgien. So gibt es nur mehr eine einzige Form der Liturgie, nur mehr ein einziges Kirchenrecht, nur mehr eine einzige Form des priesterlichen Dienstes usw. Die Versuchung war groß, dies alles für allein gottgewollt und allein legi tim zu halten und zu übersehen, daß die westliche Kultur in Wirklichkeit nur eine unter vielen ist. Unionswilligen Ostkirchen (den „Unierten") wird die Beibehaltung ih rer Liturgien, Traditionen und For men priesterlichen Dienstes gestattet, aber im Sinn von Zugeständnissen,die man in der Westkirche nicht dulden wollte. Das Zeitalter der Eroberung Ameri kas, Afrikas und Asiens ab 1492 sah eine gewaltige Expansion des europäi schen Kolonialismus über die Welt, wobei das Beispiel Lateinamerikas zeigt, wie sehr Christianisierung mit der Einpflanzung iberischer Kultur Hand in Hand ging, sodaß heute die große Mehrzahl der Menschen Latein amerikas die Sprachen der Eroberer spricht (Spanisch und Portugiesisch) und in einer von Europa geprägten Kirche lebt. 1552 stellte die Pastoralsynode in Lima (Peru) überdies fest, daß Indios und Kreolen ungeeignet seien, zum priesterlichen Dienst und zum Or densstand zugelassen zu werden; so mußten jahrhundertelang Priester und Ordenschristen aus Europa kommen, um die lateinamerikanische Kirche am Leben zu erhalten. 4.Rückbesinnung auf die Vielfalt der Kulturen Die faktische Geringschätzung der nichteuropäischen Kulturen und die Europäisierung der katholischen Orts kirchen in allen Kontinenten traf aber auch auf Widerspi-uch.Papst Gregor I. (+ 604)hatte 601 eine Missionsinstruk26
RkJQdWJsaXNoZXIy NzM2NTQ=