Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Anmerkungen: ') Gustav Rene Hocke.Das europäi sche Tagebuch.Limes,1963,S.15. =) Rüdiger Gömer, Das Tagebuch, in: Artemis Einführungen, Bd.26, München 1986,S.27. Görner.a.a.O.,S.70. ■•) Gömer, a.a.O., S.23. i Gömer, a.a.O., S.75. '■) Friedrich Rennhofer, Ignaz Seipel, Mensch und Staatsmann, (in: Böhlaus zeitgeschichtliche Bibliothek, Bd.2), Böhlau 1978, 8.4. '') DAW, Nachlaß Seipel, Karton 2. *) DAW, Nachlaß Seipel, Karton 2, Tagebuch Nr. 3. ") DAW, Nachlaß Seipel, Karton 2, Tagebuch Nr. 7. '^) DAW, Nachlaß Seipel, Karton 2, Tagebuch Nr. 9. Der Moraltheologe Ignaz Seipel Von Karl Hörmann Leben und Wirken Seipels wurden von Friedrich Rennhofer ausführlich dargestellt'. Rennhofer vermochte auch manche Fehlurteile über Seipel zu berichtigen, denen z. B. Klemens von Klemperer in seiner im übrigen beachtlichen Würdigung Seipels erle gen ist-. Ignaz Seipel wurde am 19. Juli 1876 zu Wien geboren und nach Stu dien an der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Wien 1899 zum Priester geweiht. Sein Lehrer der Moraltheologie war Franz Martin Schindler, den Seipel selbst später als „den ersten und angesehensten öster reichischen Theologen" seiner Zeit be zeichnete'. Schindler weckte in seinem Schüler frühzeitig das Interesse für Gesellschaftswissenschaften'. Schon im Priesterseminar nahm sich Seipel auf Wunsch Schindlers um eine „so ziale Sektion" an\ Darüber hinaus in teressierte er sich für das kulturelle und literarische Leben und schrieb er entsprechende Beiträge für die „Reichspost"". 1903 erlangte er das theologische Doktorat'. In dieser Zeit arbeitete er als Religionslehrer an den „Christlich-pädagogischen Blättern" imd in der Leo-Gesellschaft mit und verfaßte er die Schrift „Die wirt schaftsethischen Lehren der Kirchen väter", die Grundlage seiner Habilita tion an der Katholisch-theologischen Fakultät der Universität Wien (1907). Im Wintersemester 1907/1908 begann er ebenda seine akademische Lehr tätigkeit mit der Vorlesung „Von der inneren Richtschnur des sittlichen Handels oder dem Gewissen"®. 1909 wurde Seipel an die Theologi sche Fakultät Salzburg berufen. Ne ben seiner Lehrtätigkeit, die er als or dentlicher Professor ausübte, arbeitete er in der Redaktion der „Katholischen Kirchenzeitung" maßgeblich mit, in der er eine große Zahl theologischer und gesellschaftspolitischer Aufsätze veröffentlichte". Entschieden setzte er sich für die Wiederherstellung der Salzburger Universität ein'", die frei lich erst Jahrzehnte danach Wirklich keit wurde". Durch Vorträge und Auf sätze wirkte er weiter in der Wiener Leo-GG.sellschaft mit, die als „Ver band aller auf christlichem Boden ste henden Gelehrten Österreichs zur Wahrung und Geltendmachung christ licher Grundsätze auf allen Gebieten der Wissenschaft'"- am 28. Jänner 1892 gegründet worden war und unter der Leitung ihres Generalsekretärs Schindler stand'"; Seipel errichtete in Salzburg einen Zweigverein". 1914 gelang Seipel eine Neuausga be des dritten Bandes des Lehrbuches von Emest Müller", des früheren Wie ner Moraltheologen und nachmaligen Bischofs von Linz. Ohne den Charak ter des Werkes zu verändern, brachte er es auf den neuesten Stand und ver vollkommnete es in den Belegen'®. Nach seiner Rückkehr nach Wien (1917) konnte er das Manuskript für die Neuauflage des ersten Bandes des Müller'schen Moralwerkes auf die gleiche Art abschließen". Zum Druck kam es infolge der Ungunst der Ver hältnisse freilich erst 1923; Seipel nahm dabei die Hilfe des Laibacher Professors und späteren Erzbischofs von Belgrad Josip Ujcic in Anspruch'®. Auf Anregung Schindlers'" unter suchte Seipel in seiner Habilitations schrift in Auseinandersetzung mit Theo Sommerlad^" ein sozialethisches Thema, nämlich die wirtschaftsethi schen Lehren der Kirchenväter. Deren Streben, so legte er dar, ging dahin, den sittlichen Grundsätzen des Chri stentums wie auf allen Gebieten, so auch auf dem wirtschaftlichen Gel tung zu verschaffen. Für besonders bedeutend hielt er es, daß sie dem „für einen künftigen Fortschritt in der weltlichen Kultur wichtigsten Ele mente, der Schätzung der körperli chen und geistigen Arbeit" zum Durchbruch verhelfen haben-'. Er ent schied sich dafür, nicht die Väter nach Ort und Zeit in Gruppen zusammen zustellen und in diesen jeweils sämtli che wirtschaftsethischen Lehren im Zusammenhang vorzuführen (wofür gewiß beachtliche Gründe gesprochen hätten), sondern die Antworten, wel che die Väter auf einzelne Fragen der Wirtschaftsmoral gaben, in einem Zug von der Zeit der Apostel bis auf Au^- stinus durchzuverfolgen, weil er mein te, so die Bewältigung dieser Fragen durch die Väter auf dem Boden der Sittenlehre des Evangeliums besser veranschaulichen zu können"-. Einlei tend stellt er das römische Wirt schaftsleben in den ersten Jahrhun derten des ChfLstentums dari'. Hierauf behandelte er die Lehren der Väter vom Eigentum"', vom Eriverb irdischer Güteri" und vom Gebrauch der irdi schen Güteri®. Im Gegensatz zu Som merlad, nach dem der Augustinismus der denkbar größte Abfall von der Wirtschafts- und Gesellschaftslehre des Evangeliums war", blieb für Sei pel „die Wirtschaftsethik des hl. Au gustinus der vollendete Ausdruck der Lehren des Evangeliums und der Vä ter über die rechte, gottgefällige Ver wertung der irdischen Güter""®. Auch später zeigte Seipel ein wa ches Interesse an sozial- imd wirt schaftsethischen Fragen, wie etwa in seinen Vorlesungen („Die Grundzüge der Wirtschaftslehre, Salzburg WS 1911/1912)" und in seinen Vorträgen und Aufsätzen über die soziale Frage und die soziale Arbeit'® oder in der Re de „Kapital und Arbeit", die er An fang September 1927 auf dem Deut schen Katholikentag in Dortmund hielt". Als geistlicher Leiter der „Ca ritas Socialis", der von Dr. Hildegard Burjan im Jahre 1919 gegründeten Schwesternschaft'-, hielt er bei deren Gemeinschaftsmessen Ansprachen, die dazu bestimmt waren, „die Glieder der Vereinigung im Dienste und Gei ste der sozialen Liebe zu vertiefen"". Schon bevor Seipel selbst politisch tätig wurde, beschäftigten ihn Proble me des staatlichen Lebens und der na tionalen und internationalen Politik"'. Die Zustände in Österreich-Ungarn und der Erste Weltkrieg regten ihn dazu an, über das Verhältnis von Na tion und Staat, über den Ausgleich unter den Nationen, über Nationalis mus und Internationalismus zu schrei ben. Das schon in Salzburg vorberei tete Werk „Nation und Staat", in dem er für ein nach den katholischen Sozi alprinzipien gestaltetes Zusammenle ben vieler Völker in einem Reich ein tritt, wird von manchen als sein wich tigstes Buch angesehen"®. Ihm schweb te ein von christlichem Geist gepräg tes Abendland vor®®. Dabei berührte Seipel auch die Frage der nationalen Minderheiten, der er später einen ei genen Vortrag „Die geistigen Grund lagen der Minderheitenfragen" wid mete. Für die von Kaiser Karl ange strebte Verfassungsreform sah er zwei Möglichkeiten: Das Staatswesen kön ne zentralistisch oder föderalistisch organisiert werden; im ersten Falle müsse den einzelnen Ländern in ge-^ wissem Ausmaß und in beiden Fällen den einzelnen Nationen Autonomie gewährt werden®'. In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg ging es Seipel darum, auch jene Katholiken, die der Monarchie nachtrauerten, mit der Re publik Österreich zu versöhnen®®. Das Ringen (auch sein Ringen) um eine für Österreich passende Staatsform gegen Ende der Monarchie und in der Repu blik zeigt sein Buch „Der Kampf um die österreichische Verfassung"'*; un verkennbar redet er darin dem Fö deralismus das Wort'". Daß sich ein Mann vom Format Seipels über die Politik und Politiker giundsätzlich Gedanken machte, ist nicht zu verwundern. Wir stoßen auf sie in seinen größeren Werken sowie in 20

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