BeiträgezurWiener Diözesangeschichte BEILAGEZUM NNIENER DIOZESNM BLMT 33.Jahrgang, Nr.2 Wien,I.August1992 Am 2. August 1992 jährt sich der Todestag von Prälat Ignaz Seipel zum sechzigsten Mal. Sein Leben und sein Werk sind bis heute umstritten. Die Autoren des vorliegenden Heftes der „Beiträge" versuchten, einige wesent liche Aspekte dieser für Staat und Kirche in Österreich wichtigen Per sönlichkeit der Ersten Republik zu be leuchten. Kirche,Politik und Staat von der Aufklärung bis zur Gegenwart Von Alfred Klose Der 60. Todnslng von Ignaz Sripcl mag Anlaß sein, einige Gedanken über das Verhältnis von Kirche und Staat in den letzten zwei Jahrhunderten herauszustellen: Hat sich doch Seipel nicht nur als Staatsmann, sondern auch als Wissenschafter mit dieser vielseitigen Problematik auseinander gesetzt. Heute ist dieses Verhältnis von Kirche und Staat in Österreich grundsätzlich ein gutes, wenn auch immer wieder dort Spannungen auf treten, wo die Kirche aus ihrer un wandelbaren Sendung heraus durch ihre Stellungnahmen in wichtigen Fragen der Gesellschaftspolitik mit der staatlichen Gesetzgebung in Kon frontation tritt, so besonders in der Frage des Schutzes ungeborenen Le bens. Die Aufklärung hat zu einer Deu tung der Aufgaben der Politik im Sin ne der Möglichkeit geführt, aus der Vemunfteinsicht heraus alle staatli chen Probleme lösen zu können. Dies sollte auch im Bereich der Religion zu einer mehr praktischen Einstellung und Reform führen: die Kirche sollte als „Moralanstalt" wirken. Der Geist des aufgeklärten Absolutismus hat in Österreich durch Kaiser Joseph II. ei ne besondere Ausprägung erhalten. Nicht alle seine radikalen Reformen, die zum Teil wieder zurückgenommen wurden, haben das Verhältnis von Kirche und Staat verändert,wohl aber die Langzeitwirkungen organisatori scher und administrativer Eingriffe; Die Diözesan- und Pfarrstruktur aus der josephinischen Neuordnung hat sich weitgehend bis in unsere Zeit er halten, vor allem aber die NeuorientierunR im VcrhäUnis zu don anderen christlichen Kirchen hat eine Ent wicklung eingeleitet, die auch die Be ziehungen der Katholischen Kirche zum Staat verändert hat. Es hat Jahrzehnte gedauert,ehe sich die Kirche dem stark lenkenden Ein fluß des Staates entziehen konnte, der durch das Staalskirchentum des Jose phinismus eingeleitet wurde. Wir dür fen aber nicht vergessen, daß gerade aus dem Geist dieses aufgeklärten Ab solutismus heraus auch wichtige Ent wicklungen eingeleitet wurden, die zum Aufbau einer Volkskirche in Österreich geführt haben; Der Grazer Politikwissenschafter und Staats rechtslehrer Wolfgang Mantl spricht davon, daß Aufklärung, bürgerliche Revolution, das Ende des Heiligen Rö mischen Reiches und mit ihm der Un tergang der Reichskirche in der Säku larisation die alten Formen der Welt verankerung, der Staatsnähe der Kir che zerstört hätten.' Das 19. Jahrhun dert war eine Zeit, in der die Kirche - und dies besonders auch in Österreich - mehr „zu sich selbst" gefunden hat, gerade weil der in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts mehr liberale Staat immer wieder in Konflikte mit der Kirche geraten ist, so in der Eheund Schulfrage, aber auch mit seiner erst spät begonnenen Sozialgesetzge bung sich einer zunehmenden Sozial kritik kirchlicher Vertreter und ka tholischer Organisationen ausgesetzt hat. In Österreich sind freilich jene har ten Konfrontationen ausgeblieben, die etwa in Preußen durch den Kultur kampf ausgelöst wui'den, aber auch in Inhalt: Kirche, Politik und Staat Ignaz Seipel - sein Leben und seine Zeit Ignaz Seipel - Priester und Politiker Der Moraltheologe Ignaz Seipel Ignaz Seipel als Kooperator, Katechet und Superior Bibliographie Ignaz Seipel anderen westeuropäischen Staaten hervorgetreten sind. Das katholische Herrscherhaus war im Grunde auch immer ein Schutz dieser Kirche, wenn auch das geistige Erbe des Josephinis mus vor allem im Beamtentum der Monarchie viele Jahrzehnte nachge wirkt hat und in mancher Hinsicht in Intentionen des politischen Liberalis mus ähnliche Einstellungen - wenn auch aus anderen Motiven - hervorge rufen hat. Die Kirche hat immer wie der gegen die Bevormundung des Staates, der einen wesentlichen Ein fluß auf die Kirche(so bei Bischofser nennungen) ausgeübt hat, Gegenkräf te einsetzen müssen. So gesehen war es auch in Österreich ein langer Weg zum modernen Staat,zu einem geord neten Verhältnis von Staat und Kirche im Sinne gegenseitiger Achtung, aber auch klarer Kompetenzabgrenzung und Eigenständigkeit. Kirche und Papsttum sind dem Li beralismus im 19. Jahihundert mit deutlicher Ablehnung gegenüberge standen, wie besonders die Enzyklika „Quanta cura" und ihr Anhang, der bekannte „Syllabus" des Papstes Pius IX.deutlich macht(1864). Dieses Verhältnis wurde später ent spannter. In Österreich zeichneten sich in mancher Hinsicht auch Kom promisse ab, die aus einer Mentalität gekommen sind, die auch heute unser Land weithin kennzeichnen. 13
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