Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Von 1928 bis 1967 wirkten in der Erz diözese Wien insgesamt 210 Seelsorge helferinnen. Sie hatten in ihrem Dienst die bekannte Stelle im Römer brief „Ich empfehle euch unsere Schwester, die im Dienste der Ge meinde steht... Sie ist vielen und auch mir Helferin geworden"(Rom.16, 1-2) und das Wort Jesu an Maria von Mag dala „geh aber zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu mei nem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott. Maria von Magdala ging und verkün dete den Jüngern: loh habe den Herrn gesehen, und das hat er zu mir gesagt" (Je. 20, 17f.)vor Augen. Nach dem Ki-iegsende wurde am 17. September 1945 die Wiener Diözesanschule für Seelsorgehilfe und Caritas im Heimsuchungskloster in Wien III, Rennweg 8, eröffnete Ich erinnere mich noch gut an meinen Berufsan fang im Jahr 1945-noch ohne theolo gische Ausbildung - der hier als Bei spiel für viele, die damals in den kirchlichen Dienst traten, stehen mag. Viele, die schon zwischen 1938 und 1945 ehrenamtlich in den Pfarren tätig gewesen waren, kamen mit großer Begeisterung nun hauptamtlich zum Pastoralen Aufbau in die Pfarren. Meine Kollegin Christi Reichart z. B. gab 14 pragmatisierte Staatsdienst jahre auf; ich kam vom Waffen- und Munitionsbetrieb. Der spätere Weih bischof Dr, Jakob Weinbacher ermög lichte uns 1945 durch einen einmali gen externen Bildungsweg eine dem Seminar gleichgestellte Ausbildung. Nach Dachdeckerarbeiten, Kinder stunden, Kanzlei, Hausbesuchen, Blu menschmuck für die Kirche usw. kam ich abends müde zum Kurs. Gelernt wurde bei spärlichem Licht in kaum geheizten Räumen,oft hungrig. Bald zeigte sich, daß wir keine sozi alrechtliche Absicherung hatten und irgendwie in der Luft hingen. Wir wa ren Angestellte der einzelnen Pfarren. Viele von uns wurden aus dem Cari tasopferstock bezahlt. Die Einstufung war ganz unterschiedlich. Wir konn ten nur hoffen, daß der Opferstock, neben den Geldern für Unterstützun gen, auch noch für uns genügend Ge haltsgeld enthielt. Ich hatte eine Mut ter, die eine Pension erhielt. Daher wartete ich oft biszum 15. des Monats auf meinen Gehalt, um es den Kolle ginnen finanziell leichter zu machen. Schließlich mußte ich auch aus finan ziellen Gründen nach sieben Jahren meinen Arbeitsplatz wechseln. Ich er innere mich, daß Anni Strauß, von de ren kleinem Gehalt auch ihre Familie mitleben mußte, aus diesem Grunde nach Cincinnati (USA) auswanderte. Sie fand beim dortigen Bischof Auf nahme und nach einem Sprachkurs auch eine Anstellung, Nun kam sie mit 77 Jahren nach Wien zurück. Das Seminar für Kirchliche Berufe mit dem Abendkurs am Rennweg war 1945 so voll wie später nie mehr. So waren jene Pfan-en, in denen sich der Pfarrer selbst um eine Seelsorgehilfe bewarb, bald besetzt. Für die Anfän gerinnen gab es oft Schwierigkeiten, die erst durch die diözesane Anstel lung ein Ende fanden. Sie mußten nup in Pfarren beginnen, wo kaum d^ Pfarrer noch die Gemeinde ein Berufst bild hatten. Aufbau einer Pfarrkartei (als Grundlage für die Einhebung des Kirchenbeitrags), Hausbesuche, Mes nerdienste. Helfergewinnung, Kinderund Jugendarbeit, Konvertitenunter richt, Frauennmden usw. waren meist die Aufgaben. Sonn- und Feiertags dienst waren bei vielen die Regel, es gab Urlaubsprobleme, oft wurde die Teilnahme am Jungscharlager als Ur laub gerechnet. Die Seelsorgehelferin war oft die erste hauptamtliche Frau neben einer Pfarrerköchin und einem Mesner in der Pfarre, vom Klerus al lein gelassen und für die Pfarre eine ungewohnte finanzielle Belastung. Welche Qualitäten beruflicher, mensch licher und religiöser Art mußte so eine Frau haben, um hier Fuß fassen zu können und ihre „pastorale Berufung" zu leben. Barbara Albrecht,die Direk torin des Seminars Bottropp für Seelsorgehilfe schreibt dazu: „Die Wirk lichkeit sieht so aus, daß weder die Kindergärtnerin im kirchlichen Dienst mit solchen beruflichen Schwie rigkeiten und Unklarheiten zu tun hat wie die Seelsorgehelferin"®. Weiter fragt sie: „Könnte es vielmehr nicht so sein, daß sie dazu berufen sind, alle diese Fragen, so mühselig und unbe quem sie sind, in ihrer beruflichen Existenz in der Kirche für die ganze Kirche konkret zu spüren, auszuhal ten,ja zu erleiden und positiv mit sich selbst als Glied der Kirche zu beant worten?"*. Probleme gab es auch oft mit der Be rufsbezeichnung: „Wie nennen wir sie denn?" „Fräulein...?"-„Tante, wie im Kindergarten?" - „Sie ist zwar nicht verheiratet, aber sie ist keine Klo sterschwester" - „Aber es wäre doch gut, wenn sie als hauptamtliche Kraft, aufgrund ihrer Ausbildung und Sen dung durch den Bischof, sich in der Pfarre irgendwie von den übrigen ehrenamtlichen Mitarbeitern abheben würde?". So wurden wir 1945 mit „Pfarrschwester", verkürzt „Schwe ster" und mit dem Vornamen ange sprochen. Nach der Diözesansynode wurde daraus ein Herr und Frau Pa storalassistent. Sicherlich hätte der Titel „Gemeindehelferin" aufgrund der „hauptamtlichen Mitarbeit beim Aufbau einer Pfarrgemeinde" dem Be rufsbild entsprochen. Diesen aber hat te bereits die staatliche Verwaltung in Verwendung. Allein dieses Ringen um einen passenden neuen Titel zeigt alle Umbrüche und Spannungen dieser Zeit. Rat und Hilfe kamen aus dem Ki-eise der Kolleginnen, von den Leiterinnen und den Geistlichen Assistenten der Berufsgemeinschaft. Vor allem die Be rufsgemeinschaft trug die Schwierig keiten und Probleme der einzelnen Seelsorgehelferinnen mit und suchte nach Lösungen.Es waren große Zeiten des Aufbruchs und der Bewährung - und sie waren trotz aller Schwierig keiten schön. Mehr als 20 Jahre konn te unser Beruf nur unverheiratet aus geübt werden. Für einige von uns er gaben sich daraus innere Kämpfe.Ge samt gesehen kann ich aber sagen,daß nur wenige wegen Eheschließung aus dem Beruf ausschieden. Die Berufsgemeinschaft war, wie ich es vielfach persönlich erfahren habe, mit ihrem gemeinschaftlichen Halt, mit der von ihr gebotenen religiösen Weiterbildung, ihrer Begleitung und ihrem Eintreten für den sozialen Schutz ihrer Mitglieder für uns große Hilfe und Wert. Fast alle von uns wußten das und so finanzierten wir durch Beiträge unsere Tagungen, Re ferenten und Exerzitienleiter usw. zum größten Teil selbst. Über die Bedeutung der Berufsgemeinschaft schreibt, wie ich mich erinnere, P. Wiesen: „Wenn es gelang, Schritt um Schritt, mit der Gnade Gottes Hinder nis um Hindernis wegzuräumen für ei ne berufliche Mitarbeit der Frau in der Seelsorge, wenn nach und nach al le Probleme wirtschaftlicher, schu lischer, rechtlicher, sozialer und ge fühlsmäßiger Art fast gelöst wurden, wenn wir heute den Beruf nicht mehr wegdenken können in unseren Groß stadtgemeinden, wenn er bei den Diözesanverwaltungen nicht mehr als Problem, sondern als Aufgabe und Hoffnung der Zukunft betrachtet wird, dann glaube ich, daß an dieser Entwicklung die Berufsgraeinschaft größte Verdienste hat'"". Die jeweils gewählten Leiterinnen der Berufsgemeinschaft waren nicht dienstlich freigestellt, die Arbeit für die Berufsgemeinschaft geschah in der Freizeit. 1962 waren die Agenden der Leitung und Personalvertretung sowie Krankendienste nebenberuflich nicht mehr zu bewältigen. So wurden die Agenden geteilt: Es gibt neben der ge wählten, nicht freigestellten Leiterin eine vom Bischof ernannte, teilweise freigestellte „Personalreferentin". Die Agenden der Personalreferentin wur den ab 1976 vom diözesanen Perso nalreferat übernommen. Bis 1970 hatte die Berufsgemeinschaft ein eigenes „Heim" in Wien I, Grünangergasse 10. Pionierin dieser Einrichtung war Dr. Adele Schlusche. Es wurden ein Versammlungsraum, Wohnmöglichkeit, Bäder und eine ge meinsame Küche geschaffen. Seit 1966 konnten viele Kaplanstellen nicht mehr besetzt werden, sodaß in den Pfarrhöfen zunehmend Dienstwoh nungen für Seelsorgehelferinnen frei wurden. Viele, die in der Altwohnung ihrer Eltern, ohne jeden Komfort, wohnten, dachten an ihre „alten Ta ge" und erwarben Eigentumswohnun gen. Versetzungen wurden daher schwieriger, Zu dem Zeitpunkt, da Erzbischof Dr. Franz Jaehym der Berufsgemeinschaft den leeren Pfarr hof St. Florian bzw. später einen Trakt im Schloß Ober-St. Veit als Wohn- und Altersheim anbot, war

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