Syllabus Papst Pius IX. aus dem Jahr 1864 mit seiner Verwerfung aller mo dernen Strömungen und Ideen und der Verurteilung aller Bemühungen, die Kirche mit dem Fortschritt auszusöh nen, bildete Höhepunkt und Zusam menfassung dieser Ghettoisierung der Kirche. Fast zwangsläufig traten nun die Laien als Repräsentanten jener Welt,mit welcher die Kirche den Kon takt abgebrochen hatte, auf den Plan. Obwohl man ihnen auch jetzt noch keinen echten Beitragzum innerkirch lichen Aufbau zugestand, nahm man ihre Hilfe als Experten in einer immer komplizierteren Welt gerne in An spruch. Die katholischen Laien wur den gewissermaßen „in die Mündig keit entlassen" und entwickelten in der Folge eine tragfähige Basis für ein neues Selbstverständnis, das grundge legt wurde von Theologen, wie: J. M. Sailer, J. A. Möhler und John Henry Cardinal Newman. Letzterem brachte sein Anliegen einer intellektuellen und religiösen Bildung der Laien, welche diese zu einem gesunden Urteil be fähigen sollte, sogar ziemliche Ver dächtigungen und Mißtrauen von ka tholischer Seite ein."®) Die innerkirchliche Spannung zwi schen Klerus imd Laien war damit nicht beigelegt, sondern letztere blie ben tmter der Führung des Klerus weiterhin der in die Gesellschaft hin einwirkende verlängerte Arm der Hierarchie") und der Träger der viel fachen Apostolatsaufgaben. Inner kirchlich blieben die Laien offiziell ohne jegliche Mitsprache.Lösungsver suche mußten gefunden werden. Die herausragendste Antwort auf diese Probleme war wohl die Idee der Ka tholischen Aktion. Schon Pius X.hat te sich für aktive, allerdings nicht aus eigener Initiative, sondern im Auftrag und nach der Anweisung des Klerus tätig werdende Laien ausgesprochen. In seiner Enzyklika: „II ferrao proposito", datiert mit 11. Juni 1905, rief er die Laien zur Hilfeleistung auf. Aller dings präzisiert er die Art und Weise des Einsatzes, wie folgt; „...Die Wer ke,die dem geistlichen und pastoralen Hirtenamt der Kirche direkt zu Hilfe kommen, ... müssen in allen ihren Einzelheiten der Autorität der Kirche untergeordnet sein..."^*) Der Papst war sich des unentbehrlichen Einsat zes der Laien zur Durchdringung des profanen Lebens mit den christlichen Prinzipien sehr wohl bewmßt,erblick te aber in der spezifischen Aktion der Katholiken innerhalb der Gesellschaft dennoch fast ausschließlich eine Aus weitung und Verlängerung der Aktion des Klerus. Solche Übergangsformen waren aber notwendige Etappen auf dem Weg der Entwicklung eines Kir chenbewußtseins,das die Welt in ihrer Autonomie immer emster nahm und zu Konsequenzen im innerkirchlichen Raiun führen mußte.") Zum Papst der „Katholischen Aktion" wurde schließlich Pius XL,der im Jahr 1922 in seiner Enzyklika „Ubi arcano" gleichsam eine Aufforderung zur Ka tholischen Aktion in aller Welt aus sprach und das Apostolat der Laien als „Teilnahme am hierarchischen Apostolat" der Kirche definierte. In seiner ersten Enzyklika „Mystici corporis" vom 29.Juni 1943 weist Pius XII. auf die Kirche als mystischen Leib Jesu Christi hin, dessen Glieder untereinander verbunden, in die Welt hineinwirken sollten"). Die ungeheuren Erschütterungen der Welt im 20. Jahrhundert, die tief gehenden geistigen Wandlungsprozes se und Traditionsbrüche veränderten unwillkürlich auch die Situation der Kirche. Gesellschaftliche Trends, wie: Emanzipation,Mitsprache xmd Demo kratisierung, Meinungspluralismus, technischer Fortschritt,samt allen da zugehörenden Problemen erfaßten auch die Kirche und relativierten ihre frühere Geschlossenheit.") Die Spannung: Kirche-Welt begann ihre einseitig moralische Ausrichtung zu verlieren. Die Selbstverteidigungs mentalität wich einem Bevmßtsein der Sendung der Kirche in die Welt. In diesem Zusammenhang begann auch der Prozeß der Verlagerung der Span nung Welt-Kirche aus dem Inneren der Kirche heraus und die verhärteten Fronten zwischen Amtsträgem und Gläubigen lockerten sich; neue For men der Zusammenarbeit zwischen Priestern und Gläubigen begannen zu wachsen. Die liturgische Bewegung unterstrich diese Entwicklung. Der Laienstand erfuhr ein bisher nicht ge kanntes Bewußtsein des nur ihm Ei gentümlichen innerhalb des kirchli chen Lebens. Diese lebendige Erfahnmg hat das II. Vatikanische Konzil") aufgegriffen,indem es in ihr das „un verkennbare Wirken des Heiligen Gei stes" erkannte und hat ihr lehramtli chen Ausdruck verliehen. Es sprach vom „Weltcharakter" der Laien, wel cher diesen in besonderer Weise eigen sei. Es betonte aber ausdrücklich in seinem Dekret über das Apostolat der Laien,daß ihr Platz auch in der Kir che sei, wenn es sagt: „Innerhalb der Gemeinschaften der Kirche ist ihr Tun so notwendig, daß ohne dieses auch das Apostolat der Hirten nicht zu sei ner vollen Wirkimg kommen kann".") Es war das große Verdienst dieses Konzils, daß es ihm gelang, seine grundsätzlich positive Einstellung zur Welt den Menschen glaubhaft zu ver künden. Zu allen Zeiten war An^ ein schlechter Berater. Dieses Konzil zeig te keine Angst vor der Welt. Und die Menschen in der Welt dankten ihm Aussagen wie jene aus dem vierten Kapitel der Dogmatischen Konstituti on über die Kirche, wo es (nr. 30) heißt: „Gewiß richtet sich alles, was über das Volk Gottes gesagt wurde,in gleicher Weise an Laien, Ordensleute und Kleriker. Doch einiges gilt in be sonderer Weise für die Laien, Männer und Frauen, aufgrund ihrer Stellung und Sendung.... Die geweihten Hirten wissen sehr gut,wieviel die Laien zum Wohl der ganzen Kirche beitragen.Sie wissen ja, daß sie von Christus nicht bestellt sind,um die ganze Heilsmission der Kirche an der Welt allein auf sich zu nehmen, sondern daß es ihre vomehmliche Aufgabe ist, die Gläubi gen als Hirten so zu führen und ihre Dienstleistungen und Charismen so zu prüfen, daß alle in ihrer Weise zum gemeinsamen Werk einmütig zusam menarbeiten."") Anmerkungen: ■) Yves Congar, Der Laie; Entwurf einer Theologie des Laientums, Stutt gart 1956, S. 7. ^) Vgl. Erwin Iserloh, Kirchenbe griff und Staatsidee in der Polemik des 14. Jhdts., in: H. Jedin, Handbuch der Kirchengeschichte, Bd. III/2, Frei burg-Basel-Wien 1985, S. 440. ') K.Rahner-H.Vorgrimler, Kleines Konzilskompendium, Freiburg-Ba sel-Wien 1966/1990, Bd. 270, S. 163. *) Vgl. Y. Congar, in: Handbuch theologischer Grundbegriffe, Bd. 2, hrsg. v. H. Fries, München 1963, S. 9. ') Leo Karrer, in: Neues Handbuch theol. Grundbe^iffe, Bd. 3, hrsg. v. P. Eicher, München 1991, S. 177. «) Vgl. dazu P. Neuner, Der Laie und das Gottesvolk, Fraidifurt 1988, S. XX ') P. Neimer, ebd. S. 44. *) P. Neuner, ebd. S. 46f. ®) P. Neuner, ebd. S. 50. ") Vgl. z. B. das Konzil von Chalkedon (451), das eine Ordination, die nicht auf eine konkrete Gemeinde hin erfolgte, für ungültig erklärte. ") Augustinus, Sermo 340, in: PL 38, Sp. 1483. '2) Vgl. L. Karrer (wie Anm. 5) 178. ") Vgl. Y. Congar, a. a. O., S. 26. ") Vgl. dazu; Jakob Spei^, Laie und Amt; Zur Geschichte der Laienfrage, in; E. Klinger ~ R. Zerfaß, Die Kirche der Laien: Eine Weichenstellung des Konzils, Würzburg 1987, S. 42 «) Vgl. F. X. Seppelt - G. Schwai ger, Geschichte der Päpste, Münchs 1964, S. 47. ") Y. Congar, a. a. O., S. 34. ") Y. Congar, a. a. O., S. 37. ») Vgl. Erwin Iserloh, Martin Lu ther und der Aufbruch der Reformati on, in: H. Jedin, Handbuch der Kir chengeschichte, Bd. IV, Freiburg-Basel-Wien 1985, S. 4, '®) Vgl. P. Neuner, a. a. O., S. 86. *") Y. Congar, a. a. O., S. 80. *') Y. Congar, a. a. O., S. 90. ») Y. Congar, a. a. O., S. 92. ") Vgl. dazu Wolfgang Müller, Li turgie und Volksfrömmigkeit, in: H. Jedin, Handbuch der Kirchenge schichte, Bd. V, Freiburg-Basel-Wien 1985, S. 600. «') Josef Schoiswohl, Rechte und Pflichten des Laien nach dem gelten den Kirchenrecht, in; K. Rudolf, Der Laie, Rechte imd Pflichten, Wien 1959, S. 47 ") Vgl. Roger Aubert, Die Krise der Kirche des Ancien Regime, in: H. Jedin, Handbuch der Kirchen geschichte, Bd. Vl/1, Freiburg-Ba sel-Wien 1985, S. 4.
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