Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

war geschwächt. Und so haben jene Laien, die als Mönche in die Wüste gingen, das Kirchenvolk, das zurück blieb, mehr zu den Weltleuten ge macht, die die Laien dann waren. Denn die Amtsträger taten sich schwer mit den übrig gebliebenen „weltlichen" Laien.") In der Folge geschah eine gegensei tige Anpassung: einerseits wurde das Ideal des mönchischen Lebens auf die Priester übertragen, andererseits wur de die Funktion des Klerus mehr und mehr auch zur Aufgabe der Mönche. Und indem Mönche und Priester zu sammenwuchsen, verlor das Mönch tum seinen Charakter einer Laienbe wegung. Schließlich wurden beide zu sammen als einheitlicher Stand in der Kirche angesehen, dem gegenüber die Masse der Gläubigen stand, die sich eben dadurch unterschied, daß sie Gott nicht oder jedenfalls nicht unge^ teilt diente. Und als letzter Schritt wurde das Ganze auf die religiöse und moralisch-aszetische Ebene übertra gen; während die Männer der Kirche als die „Geistlichen" galten, wurden die Laien zu „Fleischlichen". Nicht mehr das spezifisch Christliche der Urkirche, die Mitgliedschaft in der Kirche, war die typisch christliche Le bensweise, sondern entscheidend war die Loslösung von der Welt, vom irdi schen Besitz und von der Ehe. Somit verlagerte sich nun die ehemalige Spannung zwischen Kirche und Welt in das Innere der Kirche, zwischen Priestern und Mönchen auf der einen und den Laien auf der anderen Seite. Diese Entwicklung hatte schließlich ihre Folgen auch auf der sozialen, ge sellschaftlichen und kirchlichen Ebe ne, als die Geistlichen sich immer mehr vom „normalen" Leben distan zierten und bewußt einen eigenen Stand bildeten, der sich äußerlich,seit dem Ende des 5. Jahrhunderts in eige ner Kleidung und Tonsur, seit dem 6. Jahrhundert in der Annahme der Zölibatären Lebensform deutlich aus drückte. So ging die neutestamentliche Hochschätzung der zu einem eigenen Stand „gemachten" Laien in dem Maße verloren, als die kirchlichen Ämterimmer bedeutender wurden.An der Wende vom 5. zum 6. Jahrhun dert unterschied Papst Gelasius I. (492-496) zwei Gewalten, die er von einander trennte; die weltliche Gewalt des Kaisers und die geistliche Gewalt der Bischöfe; „Von diesen Ämtern ist das der Priester von umso größeren Gewicht, weil sie auch für die Könige der Menschen im göttlichen Gericht werden Rechenschaft ablegen müs sen". Daher sei sogar der Kaiser in geistlichen Dingen als Laie den Bischöfen unterstellt.") Mit dieser Aussage waren die Kontroversen der kommenden Jahrhunderte vorpro grammiert. Das Leben in der Welt er schien in christlicher Hinsicht als Kompromiß: „Es gibt zwei Gattungen von Christen" sagte Gratian,der Vata? des Kirchenrechts(um 1140)in einem Kanon:zur ersten Gatttmg.zählt er so'- wohljene, die sich dem Dienste Gottes geweiht haben, also die Kleriker, als auch jene, die schlicht ihrer. Bekeh rung leben, also die Mönche. Die Stel lung der Laien hingegen wird darge stellt als ein Zugeständnis an die menschliche Schwäche. Von ihnen heißt es: „Es gibt auch noch eine an dere Art von Christen, die Laien. Laös heißt nämlich Volk. Ihnen ist es er laubt, zeitliche Dinge zu besitzen, aber nur zum Gebrauch... Sie haben die Konzession, Frauen zu nehmen, das Land zu bebauen, ... zu richten, Prozesse zu führen, Opfergaben auf den Altar zu legen, Steuern zu bezah len, und so können sie gerettet wer den, wenn sie doch die Laster durch Guttaten vermeiden".") Später, besonders häufig im 14. und 15. Jhdt. wird die Kirche dann nach dem Schema des Hugo von St. Viktor (t 1141)unter dem Bilde von zwei Völ kern dargestellt - das war der Beginn eines unheilvollen Dualismus: Das ei ne Volk zeigt hinter dem Papst Bischöfe, Geistliche und Mönche; das andere hinter dem Kaiser Fürsten, Ritter, Bauern, Männer und Frauen. Der Sinn dieses Bildes war die Be hauptung der Einheit- auch der Kai ser war ja schließlich in ^wissem Sinn eine kirchliche Persönlichkeit;- in der Folge aber diente eben dieses Bild der kritischen, der Hierarchie feindlich gesinnten Strömung des 14. Jhdts., die bereits den staatlichen Laizismus und die Kirchenlehre der Re formatoren vorbereitete,zu einer ganz anderen Deutung: man sprach jetzt von zwei Körpern, deren jeder sein Haupt hat: den Kaiser und den Papst.") Dennoch lebten am Ende des kirch lichen Altertums,bzw,noch im frühen Mittelalter beide Stände noch in grundsätzlicher Haimonie. Beide hat ten ihre Aufgaben in Staat imd Kir che. Bischöfe und Äbte nahmen wich tige Positionen in der Verwaltung des Reiches ein. An der Wahl der Könige und Kaiser waren sie maßgeblich be teiligt. Der König seinerseits hatte das Recht, Bischöfe einzusetzen, ihnen Ring und Stab als Zeichen ihrer Juris diktion zu übergeben und ihren Treu eid entgegenzunehmen. Somit war die irdische Aufgabe als Funktion des Laienstandes wohl eine anerkannte Tatsache, welche aber faktisch fast ausschließlich den Fürsten vorbehal ten war, die als Garanten einer christ lichen Gesellschaft gesalbt und zu ei nem echten „ministerium" der Kirche geweiht waren. Im übrigen gab auch das Eigenkirchenrecht den weltlichen Herrschaften großen Einfluß auf kirchliche Belange; Die Verflechtung von Kirche und Staat erreichte- im 10. Jahrhundert, ihren Höhepunkt; unter Otto I. (936973)lebte die karolingische Tradition in ihrer ganzen Stärke wieder auf. Die Kirche wurde zum „Zentralinstitut" des Reiches ausgebaut. Das Papsttumgeriet in eine konkrete Abhängigkeit vom Reich. In der zweiten Hälfte des 11. Jahr hunderts leitete die Gregorianische Reform mit ihrer strengen Trennung zwischen Priester- und Laientiun den Prozeß der Laisierung des Staates ein. Papst Gregor VII. (1073-85), aus dem Reformkloster Cluny auf den Stuhl Petri gelangt, wollte vor allem den Klerus reformieren. Sein Kampf galt der Simonie, dem Ämterkauf, sowie der Priester^e. Das von ihm aufge stellte Verbot der Laieninvestitur löste jene Auseinandersetzung mit Heinrich IV. aus, die als Investiturstreit in die Kirchengeschichte eingegangen ist. Es kam zu einer grundsätzlichen Auseinandersetzung zwischen Kirche und Reich, weil die vom Papst ange strebte Lösung nicht ohne tiefgreifen de Änderung der Reichsverfassung möglich gewesen wäre.In diesem Ent scheidungskampf zwischen Kaiser und Papst wurde somit ein grundle gender Wandel im Verhältnis der bei den Gewalten herbeigeführt.Im dictatus papae kommt der Jurisdiktionsan spruch des römischen Bischofs klar zum Ausdruck. Der Kaiser wurde als „homo plebeius" bezeichnet und der plebs zugeordnet. Folgerichtig wurde das Königtum entsakralisiert. Als An gehöriger des Laienstandes war der Kaiser jedem Kleriker unterlegen. Der Kompromiß des Wormser Kon kordates von 1122 trug den Keim zu weiteren Auseinandersetzungen in sich. Theoretische und praktische Konträrstellung Klerus-Laien war ei neder Folgen. Dennoch gingen gerade auch in die ser Zeit wichtige Impulse von Laien aus: Man denke an die Anhänger eines apostolischen Lebens in christlicher Armut, und in der Folge besonders an die Anfänge der Bettelorden (Franz von Assisi). Trotzdem wirkte sich die Auflösung der mittelalterlichen Ordnung und der Gnmdhaltungen, die sie trugen, bzw. die nicht rechtzeitige Ablösung durch neue, zeitgemäße Gestaltungen ver hängnisvoll aus. Die alte Einheit der einen Kirche in der einen Christen heit, dargestellt in der Spannungseinheit von sacerdotium und imperium, die das gesamte politische, geistige »nd religiöse Leben umfaßte und prägte, war für immer zerbrochen. Mithelfer bei der Zerstörung war, zunächst um der Unabhängigkeit der Kirche willen, nicht zuletzt das Papst tum selbst. Jedoch traf überspitzter Führungsanspruch auf immer ent schiedeneren Widerstand der sich ih rer Eigenständigkeit immer bewußte ren Welt. Bonifaz VIII., der die bereits traditioneil gewordene Zwei-Gewal ten-Lehre durch den Alleinherrschaftsanspruch (Bulle „Unam sanctam") ablöste, wurde 1303 zum Ge fangenen laizistisch-demokratischer Kräfte und eröffnete das Avignoner Exil und die weitgehende Abhängig keit der Päpste von Frankreich. Das Ab«;idländische Schisma wiederum VCTdunkelte die im Papst zum Aus druck kommen sollende Einheit so

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