herabgedrückt wurde, bis es in neuester Zelt wieder zum Rang einer Pfarre emporstieg. Eine gründliche Durchleuchtung der hier nur in Umrissen angeführten Nachriditen läßt uns auch den Grund dafür erkennen. Raggendorf war ein Kirch lehen der Pfarre Pillichsdorf. Der dortige Pfarrer hatte als Lehensherr nicht bloß mit bischöflicher Genehmi gung das Redit der Besetzung, sondern, wenn die Stelle vakant war, fielen ihm auch die Einkünfte des Lehens zu. Nun hatte die Pfarrpfründe Raggendorf ein be deutendes Einkommen an Zehent und Vogthafer. Da lag für den Pfarrer in Pillichsdorf die Versuchung nahe, wenn er in Geldnöten war,Raggendorf unbesetzt zu lassen und die Einkünfte für sich zu behalten. Daß das geschah, geht aus den wiederholten Klagen der Gemeinde hervor, daß sie durdi viele Jahre kaum einen Priester gesehen habe. Als dann noch „Passauerisdie Consistorial-Offiziale" Pfarrer von Pillichsdorf waren, war es ganz einfach, die bisherige Pfarre zum Vikariat herabzudrücken und damit den Einkommens raub zu legalisieren. Als aber mit der Zehentablöse die Einkünfte aus Raggendorf aufhörten, gaben die Pillichsdorfer Pfarrherren ihr Recht auf das Vikariat freiwillig auf. Wir sehen also, daß Schmidt (siehe oben) aus der Überlieferung uns den geschichtlichen Ablauf zuver lässiger berichtet als Hans Wolf. Wolf, dessen ver dienstvolle Arbeit für die Kenntnis der Pfarrgeschichte in Niederösterreich nicht im geringsten angetastet werden soll, hatte sich aus seinen Studien heraus fol gende Arbeitshypothese zurechtgelegt: Zuerst sind Mutterpfarren mit größerem Sprengel da. Von diesen spalten sich Filialen und Vikariate ab, die erst in ver hältnismäßig später Zeit selbständige Pfarren werden. Darnach hat er die Geschichte der Pfarre Raggendorf gedeutet. Jeder, der wissenschaftlich arbeitet, muß sich als Arbeitsbehelf Hypothesen bilden. Aber die Hypo these ist nur ein Behelf, der sich den Tatsachen unter zuordnen hat. Sie darf nie das Prokrustesbett werden, nach dem man die Tatsachen zurechtschneidert. Das war in diesem Fall der Fehler des sonst höchst ver dienstvollen Forschers. Auch vom kanonischen Standpunkt aus ist diese Pfarrgeschichte interessant, weil sie zeigt, daß in der geschichtlichen Wirklichkeit die kanonischen Vor schriften nicht immer eingehalten worden sind. Jedenfalls hätte die Angabe des Personalstandes zu lauten: Pfarre vor 1328, seit 1715 Vikariat, wieder Pfarre seit 1905. Wer sich näher für die ganze Sache interessiert, sei verwiesen auf die Zeitschrift des VfLk. „Unsere Heimat", 1956, Nr. 1—2, wo in einem Artikel: „Kurze Geschichte der Pfarre Raggendorf", alles Material zu sammengetragen und ausführlich behandelt ist. Anmerkungen: ') Kirchliche Topographie, Bd. 11, S. 89. — Mon. Boica XXX/2,S. 128. — ') Mon. Boica XXVIII b, S. 493. — «) 1. c. S. 35.~ ^•) Bd. I, Fol. 44 v, Fol. 45. — ") Diöz. Archiv, Rgdf., Fasz. 1. — ') Diöz. Archiv, Rgdf., Fasz. 5. — ®) Diöz. Archiv, Rgdf., Fasz. 2. — ®) Rgdf., Pfarrarchiv. 18. Anton Wappler, Verfasser von Religionslehrbüchern und der Fakultätsgeschichte Dr. Franz Lo i d I Stammte aus dem Markt Thaya am gleichnamigen Fluß im Waldviertel, Dekanat Waidhofen a. d. Th., Diözese St. Pölten. Wurde am 21. Mai 1823 geboren und am nächsten Tag auf den Namen Anton von Padua getauft. Sein Vater Leopold war Strumpfwirker, seine Mutter geb. Pani eine Bauerstochter aus Schirnes'^), einer kleinen, eine halbe Stunde entfernten Filiale (mit Kapelle) von Thaya. Wählte wie manche Waldviertlersöhne die Wiener Erzdiözese als seine spätere Berufsstätte. Wurde am 22, November 1845 in St. Stephan zum Priester ge weiht und hielt am 30. d. M. „unter großem Andrang von Gläubigen aus der Umgebung seine feierliche Primiz im Heimatort" -). War vom 1. Jänner bis 16. Mai 1846 Kooperator in Leobendorf, wo er bezeichnenderweise gleich nach seiner ersten Sonntagspredigt vom Widerstand libera ler Ortsgrößen erfahren mußte,wie er selbst erzählte^), und dann bis 4. November 1847 in gleicher Eigenschaft in Willersdorf wirksam. Auf Grund seiner Studien erfolge — er sprach auch Französisch und Italienisch — zum Weiterstudium ausersehen, erfolgte seine Be rufung erst als Studienpräfekt und dann als Subrektor ins Wiener Alumnat am Stephansplatz. Promovierte nach Annahme seiner „Dissertatio de redemptione generis humani"^) am 25. März 1850 zum Doktor der hl. Theologie. Schon mit 1. Juli traf ihn die Versetzung als vier ten Kooperator an der Pfarre St. Rochus und Seba stian auf der Landstraße (Wien III.), wo er sich aber kaum einzuleben vermochte. Denn da die drei älteren Mitkooperatoren abgelehnt hatten, so mußte er als der jüngste vom 28. Jänner bis 24. April 1851 die Provisur im benachbarten Kuratbenefizium „St. Marga retha unter den Weißgärbern" (heute Pfarre St. Othmar „unter den Weißgärbern", Wien III.) überneh men®), dessen bisheriger Inhaber Josef Franz Hegedys, Edler von Eöry, nach siebzehnjähriger eifervoller Wirksamkeit zum Kanonikus von St. Stephan ernannt worden®). Wie sehr es Provisor Wappler trotz der kurzen Tätigkeit gelungen war, beliebt zu werden, zeigt der Umstand, daß ihm die Gemeinde beim Scheiden nicht nur ein sehr schmeichelndes Belobi gungsdekret, sondern sogar eine vergoldete Dose als Erinnerungsgabe überreichte"'). Dem neubestellten Kuratbenefiziaten Georg Rieder hielt er beim Amts antritt die Begrüßungspredigt. Im März 1852 schied Wappler aus der Pfarrseelsorge, um sich von nun ab ganz dem.Religionsunter richt an Mittelschulen und nebenbei auch an einer Gewerbeschule zu widmen. Mit 7. April wurde er zum „Professor der Religionslehre" an der neuerrichteten k.-k.Staats-Oberrealschule in Wien III.(Ecke Radetzkystraße—HintereZollamtsstraße) ernannt,die im „Weißgärber-Sprengel" liegt, wo Wappler sich so gut einge führt hatte. Ab 3. Dezember 1855 unterrichtete er an der Communal-Oberreal-Schule auf der Wieden (Wien IV.). 36
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