schaftlicher Hinsicht „ganz zerrüttet" war; Stadler tat sein „Möglichstes, um alles in Ordnung zu bringen". - Offen sichtlich erfolgreich, denn 1789 traf ihn der kaiserliche Befehl, als Abbe Commendataire in das Stift Kremsmünster nach Oberösterreich zu gehen. Gleich zeitig damit mußte er die Administration der aufgehobenen Stifte Garsten, Gleink und Kleinmariazell übernehmen. Stad ler wirkte vom 15. Mai 1789 bis 19. Jänner 1791 in Kremsmünster. Über diese Zeit schreibt er in seiner Selbstbio graphie: ,,Ich suchte im Stifte nicht nur die Ökonomie, Rechnungen und derglei chen in Ordnung zu bringen, sondern auch die Wissenschaft emporzuheben; da sowohl ein guter Sängerchor als auch ein treffliches Orchester existierten, so wurden sowohl Opern als auch Ora torien von Händel aufgeführt und täg lich abends Quartette gespielt." Beson dere Verdienste hat sich Stadler in Kremsmünster auch dadurch erworben, daß er die von der Landesregierung beabsichtigte Umwandlung der berühm ten Sternwarte in einen Getreidespei cher verhinderte. Nach dem Tod von Kaiser Joseph II. wurden bald wieder Abtwahlen in den Stiften erlaubt und die eingesetzten Abte abberufen. Stadler wurde nun Konsistorialrat der jungen Linzer Di özese. Ihn zog es jedoch in die Seelsorge, während Bischof Joseph Anton Gall ihn aber als Berater bei sich haben wollte. „Endlich", berichtet Stadler, „da ich öfter sowohl um Pfarren als Kanonikate schriftlich einkam, ohne eines oder das andere zu erhalten, ging ich wieder nach Wien." Das war 1796. Dort wurde Stadler endlich im Jahr 1803 als Pfarrer in der Vorstadt Altler chenfeld, ,,auf höchsten Befehl säkulari siert, zugleich erhielt ich das Titularkanonikat in Linz. Hier mußte ich neben den übrigen Pflichten eines Seelsorgers das mühsame Geschäft eines Vorstehers des Armeninstituts bei der neu errichte ten k. k. Wohltätigkeits-Kommission und die Aufsicht über die Direktoren und Armenväter übernehmen. Sechs volle Jahre hindurch verbrachte ich auf diese Weise. Die k. k. WohltätigkeitsHoflcommission stellte mir ungebeten ein amtliches, höchst rühmliches Zeug nis aus. Im Jahre 1810 wurde ich von dieser Pfarre auf jene im Markte Böhmischkrut - heute Groß-Krut, Nieder österreich - befördert. In dieser Pfarre verweilte ich solange, bis meine physi schen Kräfte so abnahmen, daß ich nach dem Zeugnis der Ärzte kaum einige Monate mehr leben können würde. Bei dieser Pfarre waren drei entlegene Filia len', ferner zwei alte Patronatspfarren'^. Mehrere Jahre zuvor besorgten immer vier Geistliche die Seelsorge. Ich mußte bei dem damaligen Mangel an Geistli chen beinahe allein mit einem einzigen 72jährigen Kaplan durch sechs Jahre predigen, katechisieren, entfernte, auch nächtliche Speisegänge verrichten usw. Die jährlichen Einkünfte waren zwar ergiebig, aber die Ausgaben überstiegen sie beinahe. Als Patron von zwei alten Pfarren mußte ich die jährlichen Repa rationen der langher vernachlässigten Gebäude von Kirche, Schulhaus und Pfarre bestreiten, wozu eine nicht ge ringe Ausgabensumme erfordert wurde. Endlich erhielt ich sogar den Auftrag, eine Kirche von Grund auf zu erbauen.^ Bei meiner äußerst geschwächten Ge sundheit und der Unmöglichkeit, diese Kosten zu bestreiten, blieb mir nichts übrig, als auf diese Pfarre zu resignie ren, und zwar mit Gutheißung des hochwürdigen Erzbischofs selbst. Ich verließ diese Pfarre und fand 1815 zu Wien meinen Aufenthalt, wo ich mich wider alles Vermuten so weit erholte, daß ich mich noch wenigstens mit Lesen und Schreiben beschäftigen kann, um die kurze Zeit nicht müßig zu verleben." Nun begann Stadler Materialien zu einer Geschichte der Musik in Öster reich zu sammeln, ohne jedoch über die Sammeltätigkeit hinauszukommen und das beabsichtigte Buch wirklich veröf fentlichen zu können. Als um die Mitte der zwanziger Jahre jedoch Zweifel an der Echtheit von Mozarts Requiem laut wurden, hat Stadler 1826 eine „Vertheidigung der Echtheit des Mozartischen Requiem" und 1827 noch zwei Nach träge dazu publiziert. Im Druck erschie nen sind zu verschiedenen Zeiten auch Kompositionen von ihm, vornehmlich Kirchenwerke, die alle bei den Zeitge nossen beliebt und geschätzt waren. Viele seiner Werke waren auch ab schriftlich verbreitet, während nur das, was er in den ersten Jahren in Melk komponiert hat, ausschließlich für die dortige lokale Musikpflege bestimmt war und darüber hinaus kaum weitere Beachtung gefunden hat. Der größte kompositorische Erfolg Maximilian Stadlers war zweifellos sein 1813 durch die Gesellschaft der Musik freunde in Wien uraufgeführtes Ora torium „Die Befreiung von Jerusalem". Es zählte lange gemeinsam mit Haydns „Schöpfung" und „Jahreszeiten" zu den überhaupt beliebtesten Oratorien. Als es im vergangenen Jahr in Melk und Wien zum ersten Mal seit langer Zeit wieder aufgeführt wurde, hat die musikalische Qualität den historischen Ruf dieses Werkes vollauf bestätigt. Als Abt von Lilienfeld wie von Krems münster hatte Stadler immer wieder in Wien zu tun. Oftmals waren auch Vor sprachen beim Kaiser notwendig. „Der Monarch, zu dem ich öfters in einigen Angelegenheiten mich begeben mußte, empfing mich jederzeit aufs allergnädigste, sprach herablassend freundlich mit mir und sagte mir, was in diesem oder jenem Falle zu tun sei", berichtet Stad ler in seiner Selbstbiographie. Ebendort lesen wir, daß ihn .jährlich auch einige Zeit die Geschäfte von Lilienfeld und Kremsmünster" nach Wien führten. Stadler hatte also genug Gelegenheit, die freundschaftlichen Kontakte mit dem acht Jahre jüngeren Mozart zu pflegen, den Stadler als Zwölijährigen kennengelernt hatte: Im Dezember 1768 hatte die Familie Mozart auf der Rück reise von Wien nach Salzburg im Stift Melk Station gemacht. Stadler erinnert sich, daß Mozart damals bei der Vesper die Orgel so spielte, „wie man es von einem der tüchtigsten Organisten erwar ten kann". Eine andere Erinnerung an Mozart, die Stadler in seiner Selbstbio graphie überliefert, ist etwa mit Anfang Dezember 1781 zu datieren, also in eine Zeit, da Stadler an sich in Melk unter richtete, aber offensichtlich auch regel mäßig nach Wien kam. Am 8. Dezember 1781 hat der Wiener Musikverlag Artaria in der „Wiener Zeitung" die Publikation eines Werkes von Stadler und der ersten Ausgabe Mozartscher Kompositionen durch dieses Verlagshaus angezeigt. Das war ein gutes halbes Jahr, nachdem sich Mozart endgültig in Wien niedergelassen hatte. Stadler schreibt dazu: „Als er nach Wien kam und seine sechs Sonaten für Klavier und Violine bei Artaria stechen und der Auernhammer widmen ließ" - Josephine Auernhammer war damals eine Schülerin Mozarts -, „nahm er mich zur Probe, Artaria brachte den ersten Abdruck mit, die Auernhammer spielte das Fortepiano, Mozart begleitete statt auf der Violine auf einem zweiten nebenstehenden Fortepiano, ich war ganz entzückt über das Spiel des Mei sters und der Schülerin. Ich habe nie mals mehr in meinem Leben so unver gleichlich vortragen gehört." Lesenswert ist auch eine weitere Erin nerung Stadlers an Mozart: „Mozart hatte in der Kunst des freien Phantasie rens keinen Seinesgleichen. Er phanta sierte so ordentlich, als wenn er es geschrieben vor sich liegen gehabt hätte. Dies brachte Vanhall" - ein damals sehr populärer Wiener Komponist - „auf den Gedanken, daß wenn er öffentlich mit einer Phantasie auftrat, er sich vorher alles genau ausgedacht und vorbereitet haben müßte. Albrechtsberger dachte ebenso. Einst aber kamen beide abends bei einer musikalischen Unterhaltung zusammen; Mozart war in guter Laune und begehrte von Albrechtsberger ein Thema. Dieser spielte ihm ein primitives altes deutsches Lied vor. Mozart setzte sich und führte dieses Thema über eine Stunde so durch, daß er alle musikali schen Künste mit Variationen und Fu gen, ohne vom Thema abzuweichen, zur allgemeinen Bewunderung ganz in sei ner Kraft zeigte. Albrechtsberger war so entzückt, daß er nun ganz überzeugt war, Mozart habe es nicht notwendig, sich auf ein Spiel aus dem Stegreif vorzubereiten." Nach Mozarts Tod sah seine Witwe Konstanze in Maximilian Stadler einen - wie sie selbst schrieb - „competenten Rathgeber und Kenner". Insbesondere beim Ordnen der hinterlassenen Frag mente, beim Bestimmen der von Mozart nicht näher bezeichneten Stücke sowie bei der Publikation unveröffentlichter Werke war er von höchster Wichtigkeit. Mit diesem Dienst am Schaffen seines Freundes hat er sich zeitlose Verdienste erworben. Daß er einige Fragment gebliebene Werke Mozarts höchst stilvoll vollendet hat, ist ebenso in Erinnerung zu rufen wie seine künstlerische Nähe zu einem anderen Großen der österreichischen Musikgeschichte, nämlich Franz Schubert. 1823 hat Schubert eine lateini sche Psalmvertonung Stadlers so anre31
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