Stelle eines Adjunkten des Domkapell meisters von St. Stephan war, zeigt ein Vorgang unter Domkapellmeister Jo seph Preindl (1809 bis 1823) - er selbst war übrigens zuvor Adjunkt des Dom kapellmeisters Albrechtsberger gewesen -im Jahr 1812:In diesem Jahr bewarben sich drei prominente Musiker und Kom ponisten um die Adjunktenstelle, ob wohl Domkapellmeister Preindl noch durchaus rüstig war. Der erste war Johann Nepomuk Hummel, gewesener Konzertmeister beim Fürsten Esterhäzy", der zweite Joseph Weigl, Opern direktor und erster Kapellmeister bei den k.k. Hoftheatern"*, der dritte Michael Umlauf, zweiter Kapellmeister der k.k. Hoftheater".Domkapellmeister Preindl und das Kirchenmeisteramt un terzogen die Kandidaten einer strengen Prüfung. So wurde Hummel befragt: „Welche Sprachen er spreche, ob die lateinische dabey ist." „Wieviel Messen und andere Kirchenstücke er geschrie ben,ob welche in Stich vorhanden sind" und „Ob er in einer der Kirchen Wiens schon als Kapellmeister angestellt gewe sen, oder noch angestellet ist". Preindl stellte den Fähigkeiten Hümmels ein gutes Zeugnis aus; so schreibt er: „Herr Bittsteller hat von Drey der besten Meistern Unterricht erhalten, nemlich auf dem Ciavier von H. Mozart, in dem Contrapunct von H. Albrechtsberger und im Theaterstill von H. Salieri, k.k. ersten Capellmeister, H. Hummel ist unstreittig einer von besten CiavierSpielern gegenwärtiger Zeit, spielt auch die Orgel und versteht den Gesang." Da aber in der bisherigen Tätigkeit Hüm mels die Kirchenmusik nur eine Neben rolle eingenommen hatte - er hatte bis dahin nur zwei Messen geschrieben - wurde er mit seinem Gesuch schließlich mit dem Zusatz, er solle sich wieder bewerben,„wenn er sich mehr als jetzt auf das musicalische Kirchenfach ver wendet haben wird",abgewiesen. Kapellmeister Weigl hatte offensicht lich von der Bewerbung Hümmels erfah ren und bewarb sich nun ebenfalls um die Adjunktenstelle. In seinem Gesuch führte er an, „daß er es nie gewagt haben würde, dem so verdienstvollen Herrn Kapellmeister Breindl, der zwar noch keinen Stellvertreter bedarf, adjungtirt zu werden, wenn ihn nicht das Künstler Ehrgefühl aneiferte, mit denen sich bereits um diese Stelle bewerben den tallentvollen Männern zu concuriren". In seiner Stellungnahme zu den Ansu chen von Weigl und Umlauf wies das Kirchenmeisteramt darauf hin, daß die Kapellmeisterstelle von St. Stephan we sentlich schlechter dotiert sei als die Kapellmeisterstelle an den Hoftheatern: Während der Kapellmeister von St. Ste phan ein Jahresgehalt von 324 fl. bezog und freie Wohnung hatte, betrug das Einkommen des Kapellmeisters am Hof theater mehrere tausend Gulden. Die Stelle des Domkapellmeisters bot daher den Bewerbern keineswegs einen gro ßen finanziellen Anreiz, ausschlagge bend dürfte vielmehr das mit dieser Stelle verbundene Prestige gewesen sein. Grundsätzlich mahnte das Kirchen meisteramt den Magistrat der Stadt Wien, dem die Entscheidung über die Besetzung der Adjunktenstelle des Domkapellmeisters zukam, nicht vor schnell Expektanzen zu vergeben: „Der weisen Wahl dieses löblich. Magistrates dankt die hiesige Domkirche stäts die Ernennung ihres Kapellmeisters imter den größten und berühmtesten Männern der Zeit, die sich schon vorher durch ihrer Kunst und Talent in dem Studium des großen musicalischen Kirchenstills ehrenvoll auszeichneten; hieher gehören die unsterblichen Nahmen der Domka pellmeister Hofmann, Reitter, Al brechtsberger, und, wohlverdient, der Nähme des jetzt lebenden Kapellmei sters Preindl.- Eine frühzeitige Expectanz würde demnach jene weise Maßre gel in die Zukunft hemmen und die glückliche Auswahl auf einen so ehren vollen und wichtigen Platz beschränken und unmöglich machen." Diese Äuße rung beweist, daß Mozart als Adjunkt des Domkapellmeisters Hofmann nach dessen Tod auf jeden Fall die Domka pellmeisterstelle von St. Stephan be kommen hätte. Sein früher Tod hat dies verhindert. Seit September 1790 wohnte die Fami lie Mozart in der Rauhensteingasse, Stadt Nr. 920; pfarrlich gehörten die Mozarts seit dieser Zeit wieder zur Pfarre St. Stephan. Als Mozart am 5. Dezember 1791 in diesem Haus starb, fand daher auch sein Begräbnis in der Kirche St. Stephan statt'2. Seine letzte Ruhestätte fand Mozart auf dem Fried hof St. Marx, der seit den Begräbnisre formen Josephs II. die Verstorbenen der Pfarren St. Stephan, St. Hieronymus, Maria Rotunda, St. Leopold, St. Johan nes Nepomuk,Erdberg, Landstraße und Rennweg aufnahm. Für die Frage der Mozartrezeption an der Domkirche St. Stephan im 19. Jahr hundert sind die erhaltenen Inventare über die KirchenmusikaÜen von St. Ste phan aufschlußreich. Das älteste derar tige Inventar stammt vom 6. Dezember 1824; es wurde anläßlich der Amtsüber nahme des Domkapellmeisters Johann Baptist Gänsbacher (Domkapellmeister 1823-1844) angelegt"'. Darin werden fol gende kirchenmusikalische Werke Mo zarts verzeichnet: „2große solemne Messen in C-dur. 1 kleine Ordin. messe in B-dur. 1 großes Requiem in D-mol. 1 Te Deum laudamus in C-dur. 2große Offertorium,1 D-mol,1 C-dur." Bei den Messen" handelt es sich um die großen Messen KV 317(„Krönungs messe")und KV 337(„Missa solemnis"). Mit der „kleinen ordinari-Messe" ist die Missa brevis in B-Dur,KV 275, gemeint. Das große Requiem, an dem Mozart noch in seinen letzten Lebensmonaten gearbeitet hatte(KV 626), war spätestens 1824 ebenfalls schon bei St. Stephan vorhanden. Die beiden großen Offertorien sind derzeit nicht näher zu be stimmen. Unter Domkapellmeister Johann Bap tist Gänsbacher (1823-1844) wurde das Repertoire der Kirchenmusik von St. Stephan um wesentliche Werke Mozarts erweitert; dies zeigt der von Gänsbacher 1827/1828 verfaßte, in einer Abschrift von 1837, die bis etwa 1910 fortgesetzt wurde, erhaltene Musikalienkatalog von St.Stephan"*. Zu den zwei großen Messen KV 317 und 337"* kamen bald nach dem Amts antritt die Messen KV 257 („CredoMesse"), KV 258 („Piccolomini-Messe"), KV 259 und KV 275". Noch unter Gäns bacher wurden 1840 bzw. 1844 die Mes sen KV 192'« und KV 194'« in das Reper toire aufgenommen. Schon nach Gäns bacher fällt die Eintragung der C-mollMesse(KV 427)im Musikalienkatalog im Jahr 1847-°.In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden die Messen KV 192-' und KV 194-- in den Katalog aufgenommen. Eine Messe in G wird in einem um 1890 verfaßten Nachtrag zu Unrecht Mozart zugeschrieben^'*. Neben den Messen besaß die Domkirche schon unter Gänsbacher weitere kirchenmusi kalische Werke Mozarts: So das schon 1824 erwähnte Requiem (KV 626)^', die Vespern KV 3212" ^^d KV 3392«, die 1837 nachgetragenen Stücke „Offer torium De Beata Maria Virgine Alma Dei creatoris" (KV 277)2' ^ Deum"(KV 141)2« 1340 in den Katalog aufgenommene „Ave verum" (KV 618) Einzelne, im Katalog Mozart zuge schriebene Werke^" konnten nicht näher bestimmt werden. Anmerkungen: 'Daß die Eligiuskapelle im 18. Jahr hundert als Trauungskapelle diente, be weist Joseph Ogesser, Beschreibung der Metropolitankirche zu St. Stephan in Wien, Wien 1779, S.133: „Der Blasialtar in der Kopulationskapelle, in welcher einstens auch der Leonardialtar gewe sen."Zur Lokalisierung des Blasius- und Leonhardi-Altars in der Eligiuskapelle vgl. Marlene Zykan, Der Stephansdom, Wien-Hamburg 1981 (Wiener Ge schichtsbücher 26/27), 112f. 2 Dompfarre St. Stephan,Prot. Copul. Nr.74, 1781-1782, fol. 270 v. Abgedruckt in; Mozart. Dokumente seines Lebens / hrsg. von Otto E.Deutsch und Joseph H. Eibl, München 1991,S. 123. 'Die Eidesformel lautete;Ich schwöre einen Eyd zu Gott dem Allmächtigen, daß ich mit keiner anderen Persohn, als mit gegenwartiger N.N.ehelich verspro chen und verbunden seye, so wahr mir Gott helff und sein heiliges Evangelium; vgl. DAW,Juramentenbuch des Wiener erzbischöflichen Konsistoriums, p.31. Der Eid mußte am Vormittag,„wann die Persohn noch nüchtern ist" (ebd. p. 1), abgelegt werden. 'DAW,Wiener Protokolle Nr.66:Pro tokoll in Ehesachen 1782-1788, p.6. ■' Ebd. « Vgl. Michael Weber. Erläuterungen zum Ausstellungsobjekt Nr. 111/14 und Walter Pass, Erläuterungen zum Aus stellungsobjekt Nr. III/15, in: Zauber töne. Mozart in Wien 1781-1791, Ausstel lung des Historischen Museums der Stadt Wien 1991, Katalog, Wien 1991, S. 224 f. ' Vgl. Mozart. Dokumente seines Le bens (wie Anm. 2), 175 f. 29
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