Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

6. Gottesdienst-7. Das kirchliche Lehr amt. Das Kapitel „Die priesterliche Persön lichkeit" basiert im wesentlichen auf den entsprechenden Bestimmungen des Codex luris Canonici {canones 124 sqq.). In den folgenden Fällen gehen aber die Bestimmungen der Wiener Diözesansynode über diese hinaus: In can. 805 wird gefordert,die Priester sollten wenigstens an allen Sonn- und Feiertagen zelebrie ren. Dagegen spricht die Wiener Diözesansynode den Wunsch aus, „die tägli che Feier der hl. Messe sei dem Priester eine Herzensangelegenheit"®. Den Priestern wird die möglichst mo natliche recollectio nahegelegt". Der Beitritt zu Priestervereinen wird drin gend angeraten®. Im Abschnitt „Standesehre" wird vom Priester Vorbildlichkeit im politischen Leben gefordert: Der Priester soll auch in Ausübung seiner staatsbürgerlichen Pflichten und Rechte vorbildlich sein; er soll sich besonders jeder Gehässigkeit und Maßlosigkeit enthalten.Sein Kampf soll gegen das Unrecht gerichtet sein, aber taktvoll geführt werden ohne Ver letzung der Liebe zu dem Menschen, der dieSache des I7nrechtes verficht.^ Als Kleidungsvorschriften, deren nä here Festlegung der Codex luris Cano nici (can. 136)dem Diözesanbischof vor behielt, werden u. a. bestimmt: Das Tra gen der Tonsur ist Pflicht; die Bartlosigkeit bleibt als Rechtsgewohnheit auf recht; das Tragen von Vereinsuniformen ist verboten. Weiters wird an die soziale Verant wortung der Priester appelliert; so heißt es über Urlaub und Ferien: Bei der Erholung und der Ausnützung der Fe rien möge in der Lebenshaltung auf die allgemeine Notlage Rücksicht genommen toerden.'® In denselben Zusammenhang gehört die Mahnung, bei Festfeiern zu Ehren eines Priesters und Berichten darüber,das richtige Maß einzuhalten". Bezüglich der sportlichen Betätigung werden die Priester gemahnt, dabei ih rer Standesehre eingedenk zu bleiben; an öffentlichen Veranstaltungen dieser Art teilzunehmen ist verboten; dasselbe gilt für Treibjagden'^ Im Abschnitt „Amtsführung" wird empfohlen, die Anhänglichkeit der Gläubigen an den Papst zu fördern; in jedem Pfarrhof und in jedem katholi schen Vereinsheim sollte daher ein Papstbild angebracht werden'®. Im Sinne einer weitgehenden Solidari tät der Priester wird gefordert, alle in einer Pfarre wohnenden oder wirkenden (z.B. als Katecheten) Priester sollten sich an der pfarrlichen Seelsorge beteili gen". Die Förderung der brüderlichen Liebe unter den Priestern war überhaupt ein besonderes Anliegen der Diözesansynode. So wird das Gebet der Priester füreinander nahegelegt und die Teil nahme an der Terzgemeinschaft'® emp fohlen'®. Der Geist dieser brüderlichen Liebe sollte sich besonders auch im gegenseitigen Gruß und in der Be reitschaft, Aushilfen zu leisten, zeigen". Die vom Codex luris Canonici(can. 134) nur empfohlene vita communis der Geistlichen wird von der Wiener Diözesansynode „zur Förderung der Eintracht und des brüderlichen Geistes unter den Priestern" verpflichtend vorgeschrie ben'®. Zur Aufrechterhaltung des brüderli chen Geistes unter den Priestern sollten auch die Bestimmungen, kein Priester sollte seine frühere Pfarre ohne Zustim mung des neuen Pfarrers besuchen oder sich in die seelsorglichen Verhältnisse seiner früheren Posten einmengen, bei tragen.'® Auch der Besuch der kranken Priester wird empfohlen®". Die brüderliche (Besinnung der Prie ster imtereinander sollte auch die schon Verstorbenen einbeziehen: so werden die Abhaltung von jährlichen Gedächt nisgottesdiensten für die verstorbenen Seelsorger der Pfarre, die Führung eines entsprechenden Nekrologiums und die Instandhaltung der Priestergräber ans Herz gelegt®'. Die Priester sollten auch in besonde rer Weise der Sorge um Priesterberufe eingedenk sein. So sollten sie sich der Priesterstudenten annehmen und der Pfarrgemeinde klar machen, daß die Sorge um gute Priester eine Angelegen heit des ganzen katholischen Volkes sei. In diesem Zusammenhang wird auch die Abhaltung der „Priestersamstage" emp fohlen®®. Im Kapitel „Pfarrliche Seelsorge" werden die Grundsätze, nach denen das Pastorale Wirken der Seelsorger erfol gen sollte, festgelegt. Einleitend wird dabei der Pfarrer als Vater und geistli cher Führer der ganzen Gemeinde und der einzelnen Seelen bezeichnet®®. Be sonders werden die Seelsorger an die Pflicht des guten Beispiels gemahnt®''.In besonderer Weise gilt dies auch in sozia ler Hinsicht: Die Seelsorger seien die unermüdlichen und unerschrockenen Anwälte der sozialen Gerechtigkeit^^, td^urch ihre Gesinnung und Handlungs weise" sollten sie stets „ein leuchtendes Beispiel der sozialen Gerechtigkeit und der Liebe geben". Überblickt man die Bestimmungen der Wiener Diözesansynode von 1937 bezüglich des Priesters, so fallen gegen über dem Provinzialkonzil von 1858 vor allem die zahlreichen Bestimmungen, die die Brüderlichkeit unter den Prie stern stärken sollten, auf. Den brennen den Problemen der Zeit entsprechend werden die Priester 1937 auch an ihre Verpflichtung, den sozialen Fragen be sonderes Augenmerk zu schenken, ge mahnt.In dieser Hinsicht hatte sich also die erste große Sozialenzyklika „Kerum Novarum" deren Jubiläum heuer ge feiert wird,schon fruchtbar ausgewirkt. Anmerkungen: 'Vgl. aber William D. Bowman, Priests, parish and religious practice: A social history ofCatholicism in the Archdiocese of Vienna, 1800-1870, Diss. Balti more 1989; Peter Leisching, Die Römisch-Katholische Kirche in Cisleithanien, in: Adam Wandruszka - Peter Urbanitsch (Hrsg.), Die Habsburgermo narchie 1848-1918, Bd. IV, Wien 1985, 90ff.(mit Literaturangaben). ® Zur Geschichte der Wiener Synoden vgl. Franz Loidl, Die Wiener Synoden, in:BWDG 10(1969)14-16. ® Vgl. E. Gatz, Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder von 1785/1803 bis 1945, Berlin 1983,S.610. ■' Acta et Decreta Concilii Provinciae Viennensis Anno Domini MDCCCLVIII Pontificatus Pii Papae IX. Decimo Tertio Celebrati, Wien 1859. ® Prov. Konzil II 6. ® Kan. 2. 2. Kan. 4. 5. ® Kan. 5. ® Kan. 16. '® Kan. 18. " Kan. 21. '2 Kan. 19. Kan. 22. Kan. 24 und 25. Diese Terzgemeinschaft wurde 1936 als Gebetsgemeinschaft der Priester der Erzdiözese Wien auf Initiative von Re gens Dr. Walter Taubert, P. Josef Lachmair SJ und Dr. Karl Rudolf gegründet; vgl. dazu WDBl 1936, S. 123f. '® Kan. 40.1. " Kan. 40. 2. '® Kan. 41. '® Kan. 42. 2® Kan. 43. ®' Kan. 44. ®2 Kan. 192-194. 2® Kan. 45. 1. 2" Kan. 47. ®'"' Kan. 66. Vorschau: Das nächste Treffen des Histori schen Arbeitskreises findet am 21. Oktober 1991, 14.30 Uhr, 1010 Wien, Stephansplatz 6, 5. Stock, Saal 5, statt. Dabei wird Karl Lugmayr über das Thema „Wider Freiden ker und Hakenkreuzler - Leben und Werk von F. Cyrill Fischer OFM" referieren. Das Dezemberheft der „Bei träge" wird aus Anlaß des MozartJahres vor allem Aufsätze aus dem Bereich der Geschichte der Kir chenmusik in der Erzdiözese Wien enthalten. Entsprechende Beiträge werden noch an die Redaktion erbe ten. Wiener Diözesanblatt: Inhaber: Erzdiözese Wien (Alleininhaber). Herausgeber: Erzb. Ordinariat. Redaktion: Diözesanarchiv Wien (Dr. Johann Weiflensteiner). Alle: 1010 Wien, Wollzeile 2. - Hersteller: Herold Druck- und Verlagsgeseilschaft m.b.H., 1080 Wien, Strozzigasse 8. Das „Wiener Diözesanblatt" ist das offizielle Amtsblatt der Erzdiözese Wien. 24

RkJQdWJsaXNoZXIy NzM2NTQ=