Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

der Sakramente, durch Belehrung, ihr Beispiel imd Gebet sorgen)"'. Der dem „Leben und dem geistlichen Fortschritt der Geistlichen" gewidmete fünfte Abschnitt ist in folgende neun Kapitel gegliedert: 1. De vitae Sanctimonia Clericis sectanda(über die Heiligkeit, nach der der Klerusstreben soll) 2. De Ascesi(über die Aszese) 3. De vita contemplativa et activa (über das beschauliche und das tätige Leben) 4. De Meditatione (über die Betrach tung) 5. De horis canonlcis(über das kirchli che Stundengebet) 6. De conversationis sacerdotalis honestate(über die Reinheit des priesterli chen Wandels) 7. De mentis relaxatione (über die Erholung) 8. De vestitu clericorum (über die Kleidung der Geistlichen) 9. De exercitiis spiritualibus(über die geistlichen Exerzitien) Im ersten Kapitel wird dabei die prie sterliche Selbstheiligung als Vorausset zung, andere zu heiligen, bezeichnet: Studia autem, quae ad nos ipsos sanctificandos conferimus, etiam fratrum saluti impendimus (Die Mühen, die wir aufwenden, uns selbst zu heiligen, wen den wir auch für das Seelenheil der Brüder auf). Dieses Bemühen ist gleich sam Grundvoraussetzung für jede seel sorgliche Wirksamkeit: Parum prosunt verba eorum, gui, quod praedicant, moribus impugnant, et pastorem per abrupta gradientem grex sequitur(Nur wenig nutzen die Worte derer, die das, was sie predigen, mit ihren eigenen Sitten widerlegen, und, wenn der Hirte in den Abgrund geht,folgt ihm auch die Herde). In den folgenden Kapiteln werden dann die einzelnen Mittel zur Selbsthei ligung der Priester behandelt.So ist das zweite Kapitel der Aszese gewidmet. Einleitend wird der Vorwurf, die Aszese sei nicht mehr zeitgemäß und gehöre in das finstere Mittelalter(ascesim tenebris medii aevi remittendam esse), widerlegt: Es wird zugestanden, daß sich Mittel und Formen der Aszese nach Erforder nis von Ort und Zeit ändern können,ihr Hauptzweck, die Selbstverleugnung, bleibe aber immer derselbe. Gerade bei der Aszese sei aber der Geist der Unter scheidung nötig, denn auch bei der Übung der Buße und der Frömmigkeit könne sich der Mensch nur selbst su chen (etioTTi in poenitentiae et deuotionis exercitiis homo se ipsum quaerere po lest)', man müsse daher dabei dem Rat seines Beichtvaters folgen und die Früchte der Aszese prüfen. Als Früchte des Geistes werden Liebe,Geduld,Güte, Sanftmut und Bescheidenheit angeführt (Fmctus Spiritus sunt Caritas, patientia, benignitas,mansuetudo, modestia). Im dritten Kapitel werden,ausgehend von den neutestamentlichen Berichten über Maria und Martha, beschauliches und tätiges Leben einander gegen übergestellt. Die Tätigkeit des Weltprie sters wird dabei dem tätigen Leben zugeordnet; darin solle er sich so wie Martha mühen, um ebenso wie Martha von Christus geliebt zu werden: Nos autem, quos Dei Filius ad gregis sui curam agendam segregare voluit, ita cum Martha ei ministremus, ut cum Martha ab eo diligi mereamur. Das vierte Kapitel über die Betrach tung knüpft sinnvoll an das dritte Kapi tel an: Wer ein tätiges Leben führt,kann der Betrachtung nicht soviel Zeit schen ken alsjener,der die vita contemplativa gewählt hat. Trotzdem darf die Betrach timg nie als Quelle des Heiles vergessen werden. Die Betrachtung ist gleichzeitig Antrieb und Ziel des innerlichen Gebe tes. Wer das innere Gebet nicht schätzt, wird auch das in Worten gefaßte Gebet nicht ordentlich verrichten. Als Gebets texte werden vor allem die Meßgebete und das Stundengebet empfohlen. Ihren geistigen Inhalt sollte die Betrachtung, gleichsam wie ein Schlüssel, erschlie ßen. Im fünften Kapitel werden die kirchli chen Vorschriften über das Stundenge bet neu eingeschärft; das Gebet sollte würdig {decenti loco decentique corporis situ)verrichtet werden. Das sechste Kapitel über die Reinheit des priesterlichen Wandels steht unter dem Motto „vita clericorum est Uber laicorum" (Das Leben der Geistlichen ist ein [Unterrichts-]Buch für die Laien). Besonders behandelt werden die Nüch ternheit und die Keuschheit.So heißt es nach dem hl. Petrus Chrysologus von der Trunkenheit: ebrietas in alto crimcn est, in sacerdote sacriiegium: quia alter onitnam suam necat vino, sacerdos spiritum sanctitatis extinguit. (Die Trun kenheit ist bei einem anderen ein ge wöhnliches Verbrechen, bei einem Prie ster aber ein Verbrechen gegen Gott: denn der andere tötet seine Seele mit dem Wein, der Priester aber löscht den Geist der Heiligkeit aus). Bezüglich der Keuschheit werden die Priester ge mahnt, nicht nur das Böse, sondern schon jeden Anschein des Bösen zu fliehen; non tantum malum, sed etiam Twali spectem fugere. Weibliche Dienst boten sollten daher stets reiferen Alters und von ganz tadellosem Rufsein(maturioris aetatis et integerrimae famae). Auch sollten die Pfarrer ihren Haus hälterinnen jede Einflußnahme auf die Pfarrgeschäfte verwehren: actum est de auctoritate Parochi,quem sui a mulieris imperiosa voluntate pendere autumant (es ist um die Autorität eines Pfarrers geschehen, wenn die Seinen glauben,er hänge vom herrschsüchtigen Willen einer Frau ab). Im siebenten Kapitel werden alle Er holungsarten als sinnvoll und gut be zeichnet, die dazu führen, daß der Dienst an Gott und der Kirche wieder eifriger geleistet werden kann. Im ein zelnen werden dabei die Fragen des Kartenspiels, des Theaterbesuchs, des Wirtshausbesuches, des Tanzes und - besonders ausführlich -der Jagd behan delt. Das Kartenspiel sollte nur maßvoll betrieben und an Sonn- und Feiertagen erst nach dem Segen begonnen werden. Zum Theaterbesuch wird eine Ge schichte des kirchlichen Theaterverbo tes geboten; generell wird allen Prie stern, die die Beichtjurisdiktion besit zen, allen Katecheten, Religionsprofes soren und allen Ordensleuten der Thea terbesuch untersagt. Eberiso wird der Tanz allen Geistlichen verboten. Der Besuch eines Gasthauses sollte nicht der Erholung wegen(jecreationis ergo),son dern nur im Notfall(urgente necessitate) erfolgen. Für die Frage der Teilnahme von Priestern an Jagden wird folgende Regel aufgestellt: An Treibjagden darf kein Seelsorger,Katechet oder Professor der Theologie teilnehmen; diesen ist nur die stille Jagd erlaubt. An Sonn- imd Feiertagen darf kern Geistlicher jagen; auch der damals offensichtlich noch übliche Vogelfang ist zu diesen Zeiten untersagt. Als eigentliche priesterliche Kleidung wird im achten Kapitel der Talar vorge schrieben. Für Reisen wird schwarze oder dunkle Kleidung, die nicht zu sehr an die weltüche Kleidung erinnert, er laubt. Hosen, die über die Stiefel bis zu den Füßen reichen, sind auf jeden Fall untersagt.Das Beachten der Tonsur und das Tragen des Kollare wird gefordert. Im neunten Kapitel werden im An schluß an Papst Clemens XI.(1700-1721) geistliche Exerzitien als vorzügliches Mittel zur Bewahrung und Aufrechter haltung der Würde und Heiligkeit des priesterlichen Standes (ad retinendam conservandamque sacerdotalis ordinis dignitatem et sanctimoniam)nachdrück lich empfohlen. Dabei wird mit Genug tuung darauf verwiesen, daß jährliche Priesterexerzitien in der Wiener Kir chenprovinz schon lange eingeführt sind. Angesichts der Größe der Erzdi özese Wien wird angekündigt, diese zweimaljährlich abzuhalten. Im Abschnitt VI (über die Seminare und die Schulen) wird Grundsätzüches über die Ausbildung der Priester gesagt. Allgemein wird vom Priester Wissen (doctrina) und Frömmigkeit(pictas) ge fordert. Die Begründung dazu lautet: Doctrina absque pietate parum ei prodest;attamen pietas sincera non est, nisi ispsum impellat ad progrediendum in omni doctrina, qua munus sacrum obeunti opus est(Wissen ohne Frömmig keit nützt ihm wenig. Die Frömmigkeit ist aber nur dann wahr, wenn sie ihn antreibt, in jedem Wissenszweig, den er für die Erfüllung seines heiligen Amtes nötig hat, Fortschritte zu machen). Der gebüdete, nach Selbstheiligung als Grundvoraussetzung,für das Seelen heil anderer zu wirken, strebende Prie ster war also das Ideal, das die einschlä gigen Bestimmungen des Provinzialkon zils von 1858 erreichen wollten. Am 16. und 17. März 1937 fand die erste Wiener Diözesansynode statt. Ihr Ziel war es, nach der Veröffentlichung des Codex luris Canonici(1917)und dem Abschluß des Konkordates zwischen der Republik Österreich und dem Vatikan (1933) die Leitlinien der pastoralen Ar beit in der Erzdiözese aufzustellen. Die Synodalbestimmungen gliedern sich in sieben Kapitel: 1. Die priesterli che Persönlichkeit - 2. Die pfarrliche Seelsorge -3. Kirchendirektoren-4. Die heiligen Sakramente - 5. Heilige Orte - 23

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