Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Das Bild des(Land)Pfarrers im Wandel Von Franz StubenvoU Hier sollen nicht die sich nach den jeweiligen Erfordernissen und Zeitum ständen immer wieder ändernden For men und Methoden der Pastoral darge stellt werden.Es geht vielmehr nur um das Erscheinungsbild des Pfarrers in Bereichen neben seiner direkten Seel sorgearbeit. Auch dieses imterlag be trächtlichen Veränderungen. 1. Der Pfarrer der bäuerlich-feudalen Welt. Die vor 1780 gegründeten Pfarren waren wirtschaftlich durch Einkünfte aus der Landwirtschaft abgesichert; ebenso auch deren Pfarrer. Diese bezo gen - außer einem mancherorts gegebe nen Deputat - kein Gehalt, sondern lebten - oft mehr schlecht als recht - von der pfarrlichen Landwirtschaft und von der Pfarrherrschaft. Bis in das 19. Jahrhundert war •der Pfarrer ein Bauer, der die Dominikaigründe der Pfarre (Äcker, Weingärten, Wiesen, Wald und Gärten)-oft in der Größe eines Ganzle hens (20 bis 30 Joch)- mit Hilfe seines Gesindes und seiner Robotbauern be wirtschaftete. Viele heute noch in den Pfarrhöfen vorhandene Wirtschaftsge bäude zeugen von Ackerbau, Weinbau und Viehzucht ftüherer Zeiten. Auch in den josephinischen Pfarren, die keine Bestiftung mit Grund und Boden auf weisen mußten, war eine geringe Vieh haltung für den täglichen Bedarf vorge sehen. In manchen Pfarren konnte sich durch Schenkungen und Stiftungen so gar eine kleine Landwirtschaft entwikkeln. Als Bauer unter Bauern bangte(auch) der Pfarrer um das Gedeihen der Feld früchte und des Viehs; mit ihnen darbte er in Mißjahren und bei Viehseuchen; mit ihnen mußte er um Schutz und Segen von oben beten.Er war aber auch in Gefahr,zu „verbauern". Von 1848 bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts gab ein Pfarrer um den andern die eigene Landwirtschaft auf. Da sie nur mit bezahlten Arbeitskräften betrieben werden mußte, wurde sie oft unrentabel. Aber auch die Verpachtung war nicht sehr einträglich, weil die Pächter den Pachtzins drückten. •Als Inhaber und Nutznießer der Pfarrherrschaft war der Pfarrer auch ein Grundherr mit allen daraus entspringenden Rechten (Haus- und Grxmdzins, Robot, Zehent). Denn die meisten älteren Pfarren waren mit zins- und robotpflichtigen Unterta nen,mit Zehenten und mit Diensten von Urbaräckern (Überländ) bestiftet. Der Pfarrer nahm also den ihm zustehenden Zehent (nicht nur von seinen Unterta nen), beanspruchte deren Robot, hob den jährlichen Zins von seinen Bauemlehen, Hofstatten und Überländgrundstücken ein, verlangte Kanzleitaxen ver schiedenster Art und war,wenn ihm die Ortsherrschaft dies nicht abnahm, auch für die Einhebung landesfürstlicher Steuern seiner Untertanen zuständig. Durch die Ausübung dieser grund herrlichen Rechte machte sich der Pfar rer nicht beliebt; in Notzeiten erwartete man von ihm als Priester einen Nachlaß oder eine Stundung der Zahlung, und wenn durch Mißwachs oder Hagelschlag ein Großteil der Ernte vernichtet wurde, war der Zehent oft so gering, daß auch der Pfarrer Not litt. Zur Pfarrherrschaft gehörte auch die zeitraubende und wegen der meist in mehreren Orten liegenden Giebigkeiten mühselige Führung der Herrschaflskanzlei. Der Pfarrer war sein eigener Verwalter, Kanzleifuhrer, Zehentschrei ber und Kastner in einer Person. Das Grundbuch,Gewährbuch,Satzbuch,das Zehent- imd Robotregister, ein Steuer buch, das Waisenbuch mit Waisenkasse u.a. waren von ihm zu fuhren. Mancher Pfarrer war froh,als dies 1850 aufhörte. Das Jahr 1848 brachte mit der Aufhe bung der Untertänigkeit und mit der Grundentlastung das Ende auch der Pfarrherrschaften. Die Entschädigungs zahlungen an die Herrschaften durch die Untertanen und den Staat erfolgten ab 1850 und wurden in Wertpapieren (Staatsschuldverschreibungen) angelegt. Ähnliches geschah 1875 mit den bisheri gen Deputaten, Leistungen der Gemei den u. ä. Die Zinsen aller pfarrlichen Wertpapiere bildeten nun das Gehalt der Pfarrer. War es zu wenig, erhielt er einen staatlichen Congruazuschuß. Nach der Entwertung fast aller Papiere bis 1924 lebten die Pfarrer bis 1939 fast nur von der Congrua. Bis etwa 1800 gab es für die Inhaber der alten Pfarren •keine Altersversorgung. Falls ein Pfarrer nicht genug ersparen konnte, um davon im Alter leben zu können - und diese waren in der Mehr zahl -, war er gezwungen, bis zum Tod auf seiner Pfarre zu bleiben. Und wenn er längere Zeit dienstunfähig wurde, mußte er einen Kooperator aufnehmen und für dessen Unterhalt aufkommen. Diese schwere Belastung verschwand erst um 1800. Gegen Ende der Feudalzeit entstand ein neuer Typ des Pfarrers, •der Religionsfonds-Pfarrer: Die Pfarrer (Lokalkapläne) der von Joseph II. gegründeten Pfarren wurden vom Staat aus dem Religionsfonds besol det und erhielten bei dauernder Dienst unfähigkeit auch eine Altersversorgung. 2.Der,Josephinische"Pfarrer: Joseph II. und seine Nachfolger sahen im Pfarrer nicht nur den Seelsorger,der gute Staatsbürger heranziehen sollte, sondern auch ein wichtiges Glied der staatlichen Verwaltung, das alle Staats bürger erreichte. Darum übertrug man ihm zahlreiche staatliche Aufgaben, un ter denen viele stöhnten. Der Pfarrer mußte z.B.an Sonntagen die landesfürstlichen Patente (Erlässe, Gesetze) verlautbaren, jährlich ein Du plikat über die Bevölkenmgsbewegung dem Staat abliefern,dasImpfverzeichnis und die Liste der in der Pfarre aufge nommenen Wiener Findelkinder führen, die Liste für die alljährliche Rekrutie rung erstellen, Bestätigungen für das Pfarr-Armeninstitut geben, die jeweüigen Vorhaben des Staates auch in der Predigt unterstützen u.v.a. Bei der Bewerbung um eine Pfarre wurde darum gelegentlich auch der Eifer eines Priesters in dieser Hinsicht als Vorzug erwähnt. In der Zeit großer Not der Bauern im kapitalistischen Staat vor 1900 wurden viele Pfarrer bedeutende 3.Helfer der Bauern durch ihre Mitarbeit in den landwirt schaftlichen Bezirksvereinen, durch die MithUfe bei der Gründung landwirt schaftlicher Kasinos und RaifTeisenkassen; auch bei der politischen Organisie rung im „NÖ Bauernbund" standen sie Pate.In diesem Sinn wirkten die Pfarrer von etwa 1860 bis etwa 1914. In den Jahrzehnten des freisinnigen, kirchenfeindlichen Liberalismus (seit etwa 1870), des romfeindlichen Deutsch nationalismus (bes. um 1900), der kir chenkämpferischen Sozialdemokratie (nach 1918) und der „gottgläubigen" NSDAP Adolf Hitlers (nach 1930) wur den viele Pfarrer auch 4.politische Inspiratoren oder gar Führer ihrer Dörfer. Durch Vereine (bes. Kath. Volksbund, kath. Schulverein, Piusverein), in Versamm lungen (aller Parteien!), durch die Presse, aber auch in den Predigten, suchten sie das Landvolk gegen die glaubens- und kirchenfeindlichen Ideen immun zu machen und für die Christ lichsoziale Partei oder den NÖ Bauern bund zu gewinnen.Je nach ihren Anla gen imd Fähigkeiten waren viele Pfarrer echte 5. Volksbildner, aber nicht nur durch ihre Katechesen und Predigten,sondern auch durch ihre Vorträge in Versammlungen und Ver einen. Sie gründeten und führten Pfarr büchereien, pflegten den Gesang in Kir che und Verein, förderten den Kirchen chor und das Volksschauspiel und gaben Anstöße zum Leben nach dem überlie ferten Brauchtum. Und manche erwie sen sich als tatkräftige 6.Förderer der Kunst, wenn Neubauten, Umbauten und Reno vierungen notwendig wurden und An schaffungen für die Ausstattung der Pfarrkirche zu tätigen waren. Die Pfarr kirchen und Pfarrhöfe als Bauwerke und alles, was sie enthalten, geben Zeugnis davon. 20

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