Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

mit Halßtüchern, gantz abgekürtzten Röcken und zwar auch von verschiede nen Farben,mitStöcken und Schärpffen sich auffhalten, öffentliche Würths-, Schenck-, Cavee- und Bier-Häuser besu chen, Brenthen-, Kögel- und Spielplätz frequentieren, in diesen mit Trincken, Spillen und anderer gantz unanständi gen Aufführung fast stündlich und täg lich sich einfinden und sehen lassen." In neun nachfolgenden Punkten wird nun versucht, korrektes priesterliches Ver halten zu beschreiben und einzufordern, von der ordentlichen Verrichtung des täglichen Meßopfers bis hin zu einer standesgemäßen, würdigen Kleidung.In Punkt vier wird ein Problem angespro chen, das schon durch Jahre hindurch virulent war, worauf schon zu Zeiten Bischof Rummels die Regierung in einem Dekret vom 25. Mai 1715 hinge wiesen hatte, daß nämlich ausländische Priester und Nonnen sich unter leeren Vorwänden in Wien aufhielten, an abge legenen und schlechten Orten Wohnung nahmen und ein lasterhaftes Leben führ ten. Sie seien wahrscheinlich wegen üblen Verhaltens aus ihren Heimatbistü mern ausgewiesen worden. Aus diesem Grunde verfügte die Regierung damals, daß keiner solche Personen ohne Lizenzzette) des Hofes oder des Ordinarius aufnehmen dürfe. Kollonitz verordnet hier ausdrücklich, es solle sich „kein weltlicher Priester, wer der auch seyn möchte,auch ebenfalls diejenige, welche bey denen Ministris oder Herrschaften als Cappellan sich aufhalten, oder unter was vor Schein imd Vorwand sie kom men möchten,...in einiger Kirchen oder Capellen dieses Unseres Wiennerischen Bistumbs, ohne von Uns oder Unsern Vicario Generali habenden... LicenzZettl (welche denen armen Priestern umbsonst, denen wohlhabenden aber gegen gantz freyer und beliebiger Discretion vor den schreibenden ohne eini ger Tax zu raichen von Uns befohlen worden)Meß zu lesen sich imterfangen; Noch auch von denen Directoribus, Sacristanern oder Kirchendienern zu sol chen zugelassen werden."" Diese Ver ordnung nützte allerdings nicht viel. Eine entsprechende„Instruction für die Sakristeidirektoren der Kirchen Wiens" (1717)15 sollte diese Ordnung ergänzen, eine eigens daWr eingerichtete regelmä ßig zusammentretende Deputation sollte ihre Einhaltung überwachen, und vor allem die auswärtigen Geistlichen beob achten. Die Amtszeit des Nachfolgers aufdem Wiener Erzbischöflichen Stuhl, Johann Joseph Graf Trautson (1751-57), der be reits kurz zuvor das Amt eines Koadjutors angetreten hatte, dann als Studien protektor mit der Reorganisation der theologischen Studien im Zuge der josephinischen Umgestaltung der Universi tät betraut war, war bereits deutlich geprägt von den Vorboten der späteren Maßnahmen Josephs II. auf kirchenpoli tischem Gebiet. Der Erzbischof, ein Mann von umfassender Bildung, hatte einen wachen Blick für das Reformbe dürftige innerhalb der katholischen Kir che. In seinem ersten Hirtenschreiben, erlassen bald nach seinem Amtsantritt, am 1. Mai 1751,'® rief er die Vorschriften seines Vorgängers mit Nachdruck in Erinnerung und ergänzt diese in einigen Punkten; so empfiehlt er wenigstens einmal geistliche Exerzitien zu verrich ten, und wiederholt „die vorhin vilemahlen ergangene Verbot,daß sich kein Priester oder Geistlicher vor der Sacristey in unserer Metropolitankirchen bey St. Stephan stehend und die dahin um heyl. Messen lesen zu lassen kommende Personen an sich ziehend, betreten las sen solle..."-ein Hinweis auf die wirt schaftlich nicht einfache Situation be sonders des niederen Klerus, der vom Messelesen in der Hauptsache seinen Lebensunterhalt bestreiten mußte. Ein weiteres Hirtenschreiben Trautsons, vom 1. Jänner 1752," welches sich in besonderer Weise an die Prediger seiner Diözese richtete, hatte schon damals und auch noch in späteren Jahren viel Aufsehen erregt und den Erzbischof in den Geruch des Aufklärers gebracht. Das Hirtenschreiben, welches die katho lische Lehre klar und eindeutig darlegte, zugleich aber tatsächlich vorhandene Mißstände beim Namen nannte, wurde aber vor allem von der „Gegenseite" aufgegriffen, übersetzt und verbreitet; mit Hofdekret vom 4. Februar 1783'® wurde dieses Schreiben sogar auf aller höchsten Befehl neu aufgelegt und allen Predigern anempfohlen. Trautson wurde wegen dieses Hirten schreibens wohl zu Unrecht als Aufklä rer gebrandmarkt; vielmehr scheint er gerade ein unwiderlegbares Zeichen da für zu sein, daß auch innerhalb der Kirche die Einsicht in notwendige Refor men durchaus gegeben war, daß die Behebung etlicher tatsächlicher Miß stände, an welche die josephinischen Maßnahmen in der Folge bereitwillig anknüpften, durchaus auch aus dem Inneren der Kirche heraus hätten erfol gen können -wenn ErzbischofTrautson zum Beispiellänger gelebt hätte. Insbesonderelegt er seinem Klerus ans Herz, das Wort Gottes von den Kanzeln herab, nach der Vorschrift der Kirche, gehörigerweise zu erklären, „indem je dermann einsieht, daß von der ächten Verkündigung des göttlichen Wortes die größten VortheUe für die Christenheit erwachsen und insgemein die beträcht lichsten Seelenfrüchte darnach abzu messen sind. Uns ist zwar zu Genüge bekannt, daß sehr viele aus unsern Predigern, als mit Gelehrsamkeit,Klug heit, Eifer und dem Geiste Gottes reich lich ausgerüstete Männer ihr Amt wür dig vertreten. Da wir jedoch aus zuver lässigen Nachrichten vernommen haben, daß einige von dem gewöhnlichen Pfade des göttlichen Wortes und von der wah ren Art zu predigen nicht wenig abwei chen, so haben wir im Herrn für gut befunden, sie durch den gegenwärtigen Hirtenbriefzu ermahnen." Es folgen Hinweise über die Wichtigkeit der Predigt im allgemeinen, da nicht wenige unter dem gemeinen Volk eher sehr ungebildet und abergläubisch seien: „...die durch alle Kirchen den Ablässen nachlaufen, ohne zu wissen, was der Ablaß,oder was erforderlich sei, um ihn zu gewinnen; die auf Privatandachten, auf die Verehrung eines Heiligen und auf dessen Bildnis mehr Vertrauen set zen, als auf die Verdienste Christi...; die sich ein größeres Gewissen machen, die Satzungen etwa einer Bruderschaft zu überschreiten, als die Zehn Gebote Got tes"...Und mitdem Hinweis aufdie Zeit der Glaubensspaltung fahrt der Erzbi schof fort: „In jenen unseligen Zeiten, als die Kirche Gottes in unserem Deutschlande greulich getrennet war, verargte man es den geistlichen Red nern,daß sie von Heiligen,von Ablässen und Rosenkränzen, von BUdern, von Processionen, und derlei gleichgültigen Dingen weitschweifig predigten, von Christus hingegen und den Glaubens wahrheiten schier keine Meldung mach ten. Wir vernehmen, daß dieser Fehler durch einige Prediger aufs neue hervor sprosse, welche von den Heiligen bered sam sind, dahingegen von dem Heiligen der Heiligen verstummen; welche die Verehrung der entweder wirklich oder vermeintlich wunderthätigen GnadenbUder aus allen Kräften anempfehlen, und Christum, die Quelle aller Gnaden, die einzige Ursache unserer Rechtferti gung und unseres Heiles, hintansetzen; ... Ein Prediger soll also das Wort Gottes ausspenden... Es wird daher vorteilhaft sein, von dem Nützlichen zu reden, jedoch so, daß jederzeit dem Nothwendigen der Vorrang eingeräumt werde;und zugleich so,daß die Ächtheit der katholischen Glaubenssätze sich stets innerhalb ihren Gränzen unver fälscht erhalte..." - Also eine Hinwen dung zum Wesentlichen des Chri stentums. Soweit der Hirtenbrief Erzbi schofTrautsons. In den nächsten Jahrzehnten bombar dierte der josephinische Staatsapparat insbesondere den Klerus mit einer Un zahl von Verordnungen,welche schließ lich aus dem Arbeiter im Weinberg des Herrn einen mit Papierkram überbürde ten Beamten machten. Der damalige Kardinal-Erzbischof Christoph Migazzi stand den Ereignissen weitgehend ohnmächtig gegenüber. Ein wirkliches Anliegen, nämlich die He bung des Diözesanklerus durch entspre chende Ausbildung, konnte er durch die Begründung des ersten Wiener Priester seminars im Jahr 1758 noch verwirkli chen,in der Folge aber wurde er immer mehr an den Rand des Geschehens gedrängt. Ein Hofdekret vom 21. August 1783'® begründete die Einrichtung der Generalseminarien wie folgt:„Die Generalseminarien haben nur die vollkom mene Gleichförmigkeit in den theologi schen und moralischen Lehren, und die genaueste Aufsicht und Bildung in Sit ten der sich dem geistlichen Stande widmenden Jugend zur Absicht, und nach hinterlegten phüosophischen Stu dium, wo ein Jüngling 16 bis 17 Jahre beüäufig alt ist, wenn er sich dem geist lichen Stande widmen will, oder von seinen Altern dazu eingeleitet wird, ist zu hoffen, daß er noch unverdorbene Sitten habe. Um diese in der ersten gefährlichen Zeit der aufbrausenden Ju gend zu entfernen, und ihnen zugleich solche Grundsätze beizubringen, welche sie sodann nach hinterlegten 6jährigen 15

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