Methode gehandhabte, die der Widerle gung des Sozialismus,am unmöglichsten ... Man meinte, die Gewinnung der Sozialisten erfolge auf dem Weg der Widerlegung des Marxismus. Daß man nur frisch auf die Kanzel gehen brauche und eine vernichtende Kritik loslassen brauche, dann müßten die verlaufenen Schäflein in Scharen beschämt zurück kehren. Im Eifer übersah man meist, daß diese gar nicht unter der Kanzel standen." Dieser Methode stellt Pfliegler den „Weg der Seelsorge" gegenüber: „Es bleibt uns in dieses heidnische Land kein anderer Weg als der, den jeder Missionär gehen muß: er muß hinein in das Land und darf nicht warten, bis die Heiden zu ihm kommen.. Pfliegler zeichnet ein realistisches Bild der Verhältnisse: „Wir stehen, ob wir es sehen wollen oder nicht, vor der Tatsa che, daß Tausende treuer Katholiken, Sodalen und Glieder anderer katholi scher Vereine Mitglieder freier Gewerk schaften sind, daß Tausende gläubiger Christen organisierte Sozialisten sind; daß Hunderttausende, die sich irgend wie zur Kirche zählen,sozialistisch wäh len; das alles ohne Kenntnis der bischöf lichen Verbote oder trotz derselben." Wieder warnt Pfliegler, hier eine endgül tige Trennungzu verlangen:„Wie haben wir den Fall zu beurteilen?-so lange ein Katholik das Dogma und die christliche Sittenlehre nicht aufgibt und Katholik bleiben wUl, haben wir kein Recht, ihn nicht als solchen zu nehmen. Selbst wenn er vom Verbot seines Bischofes weiß. Dann ist er ungehorsam gegen seinen kirchlichen Obern. Aber er ist Katholik. Viele sind aus der Kirche gedrängt worden, die ohne Grund oder vorzeitig als Nichtkatholiken behandelt wurden." Im Juni 1934, unter völlig geänderten politischen Verhältnissen, erscheint nochmals ein Artikel Pflieglers zur Ar beiterfrage unter dem Titel „Die Ver wurzelung des Arbeiters in der christli chen Gemeinschaft'"®. Im Vergleich zu den früheren Aufsätzen hat sich der Ton wesentlich geändert; es finden sich keine aufirüttelnden, provozierenden Thesen mehr. Das tiefe, warme Ver ständnis für die seelische Situation der Arbeiter ist geblieben. Einfühlsam be schreibt er den tiefen Wandel, den viele vom Land in die Großstadt geströmten Arbeiter erlebten. So stellt er den Sonn tag am Land dem städtischen Sonntag gegenüber: „Sonntags läuteten zwar auch die Glocken, aber sie riefen in eine andere Luft. Da war nichts von der Feiertäglichkeit des Landes, wo Sonn abends die Gassen gekehrt wurden, wo die Mutter die duftende, frische Wäsche richtete und die schöneren Kleider aus der Truhe geholt wurden. Die Leute gingen wie immer städtisch gekleidet, aber jeder für sich, durch die Straßen, einige wohl auch zur Kirche. Da saßen sie auch jeder für sich, wenn auch manchmal dicht gedrängt, nebeneinan der. Davon sah aber der Ankömmling nichts. Denn die sozusagen heilige Not wendigkeit der gläubigen Gemeinschaft, die in der Heimat auch den Säumigen in das Festgewand wirft und zur Messe drängt, war nicht da." Mit einem resi gnierenden Unterton berichtet Pfliegler gegen Ende des Artikels über die (von ihm mitgetragenen) Versuche, der Seel sorge einen Weg zu den Arbeitern zu öffnen:„Es gab schon vor Jahren Versu che, in diese in sich geschlossene Welt der Arbeiterschaft einzudringen. Man hielt zum Beispiel Missionen in den Arbeiterbezirken. Die Kirchen bevölker ten sich auch, aber die Besucher waren die üblichen braven Leute, die sonst zur Kirche kamen. Der Prolet kam nicht. Die"Glocken läuteten ihm nicht mehr. Und hätte einer kommen wollen, die Partei und ihre Vertrauensmänner sorg ten schon dafür, daß niemand zur Kir che kam und der Bann in den Köpfen blieb. Es kamen die religiösen Soziali sten, wollten die vielen,immer noch vnn früher her Gläubigen und die Gottsu cher und Unruhigen,deren immer mehr wurden, sammeln, wollten Freiheit ha ben für ihr religiöses Leben und Denken und sie erhielten diese Freiheit auch - für sich. Aber diese religiöse Freiheit wurde sofort von der Partei und ihrer Presse als neuer Köder für jene miß braucht, die aus weltanschaulichen Gründen der Partei fernestanden. Die religiösen Sozialisten begnügten sich schließlich mit der religiösen Auflocke rung innerhalb des Proletariats. Der Aufbruch der Gläubigkeit in dieser Welt war nicht gelungen. Man sollte aber stets die hochachten und segnen, die hier das Unmögliche versucht haben." Pfliegler war mit vielen seiner Forde rungen seiner Zeit voraus. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg hat die Kirche Österreichs Wege beschritten, die Pflieg ler schon gewiesen hatte. Anmerkungen 'Kathpress Nr. 248, 25. Oktober 1961, S.2. ® Vgl. den Nachrufauf Michael Pflieg ler von Ferdinand Klostermann, Kath press Nr. 238, 13. Oktober 1972, Beüage If. ® Vgl. Gerhard Silberbauer, Öster reichs Katholiken und die Arbeiterfrage, Graz-Wien-Köln 1966,S. 335fr. "Pfliegler bewarb sich um diese Stelle am 24. Oktober 1923 und wurde auf sie am 1. Jänner 1924 investiert (DAW, Pfarrakten St. Peter, 1923/Zl. 9073); mit 1. September 1928 resignierte er aufsein Benefizium bei St. Peter, da er infolge seiner zahlreichen Religionsstunden die Wochenmessenverpflichtungen bei St. Peter nicht mehr erfüllen konnte(DAW, Pfarrakten St. Peter, 1928/Zl. 6170). ® DAW,Pfarrakten St. Peter, 1926/ZI. 9354. ® August Schaurhofer, Wie stellen wir uns zum Sozialismus? Mit einer Einfüh rung von Michael Pfliegler, Wien 1948 (Kleine Texte zu Theologie und Seel sorge 13). 'Vgl. diesen Titel in: Seelsorger 3 (1926/1927)233. ® Der Seelsorger 3(1926/1927) 1-4; der Artikel erschien zunächst anonym; auf S.84 desselben Jahrganges des „Seelsor gers" bekannte sich Pfliegler zu seiner Autorschaft. ® Ebd.S.4. '»Ebd. "Der Seelsorger3(1927)110-115. '2 Ebd.S.236-241. Der Seelsorger 4(1927/1928)5-11. Der Seelsorger 7(1930/1931)38-46. Der Seelsorger 10(1934)264-268. Hinweise Historischer Arbeltskreis Die nächsten Zusammenkünfte des Historischen Arbeitskreises finden am 22. April und am 17. Juni 1991, jeweUs Stephansplatz 6, Zentrum des Apostolats, 5. Stock,Saal 1, statt. Am 22. April wird Prälat Franz Stubenvoll über das Thema „Pfarrherrschaft" am Beispiel der Pfarre Poysbrunn referieren. Aus Anlaß des 500. Geburtstages des hl. Ignatius von Loyola wird Dr. Anne marie Fenzl am 17. Juni das Thema „Jesuiten in Wien"behandeln. Interessenten sind zu den genannten Vorträgen herzlich eingeladen. Vorschau Das zweite Heft der „Beiträge" (August) wird dem Thema „Beiträge zur Geschichte des Priesterbildes in der Erzdiözese Wien"gewidmetsein. Das dritte Heft (Dezember) wird Bei träge zum Mozartjahr bieten. Artikel zu den genannten Themen werden herzlich an die Redaktion erbe ten. Wiener Diözesanblatt: Inhaber: Erzdiözese Wien (Alleininhaber). Herausgeber: Erzb. Ordinariat. Redaktion: Diözesanarchiv Wien (Dr. Johann Weißensteiner). Alle: 1010 Wien, WollzeÜe 2. - Hersteller: Herold Druck- und Verlagsgesellschaft m.b.H., 1080 Wien,Strozzigasse 8.-Das„Wiener Diözesanblatt" ist das offizielle Amtsblatt der Erzdiözese Wien. 12
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