Kleinkinderbewahranstalten, Haushaltungs- und Industrieschulen unter der Leitung von Ordensleuten besonders ans Herzzu legen." In ihrem gemeinsamen Hirtenbrief an die Gläubigen'2 gehen die Bischöfe im fünften Abschnitt auch auf die soziale Frage ein: „Nachdem aber der ungläu bige und unchristliche Geist zuerst seine Anhänger in den höheren und gebilde ten Ständen gesucht und gefunden hat, wendet er sich in unseren Zeiten na mentlich auch an die arbeitenden Klas sen und sucht sie mit Unzufriedenheit gegen die bestehende bürgerliche Ord nung zu erfüllen, aber insbesondere sie von der Kirche zu trennen und ihnen Glauben und Religion zu rauben. Und leider müssen wir sehen, daß große Scharen des Arbeiterstandes diesen Lockungen folgen, sich von den Träu mereien und Irrlehren gewissenloser Verführer einnehmen lassen, aber von der Kirche sich abwenden und sie als ihre Feindin anzusehen sich gewöhnen. Hat das die Kirche an den arbeitenden Klassen verdient? Nun, katholische Ar beiter! sehet in die Geschichte der Kir che. Sie hat die Ketten der Sklaverei zerbrochen; sie hat den Arbeiter, als man ihn rechtlos wie ein Spiel"der Grausamkeit und Launen gefühlloser Herren behandelte und seine Men schenwürde verachtete, unter ihren Schutz genommen und ihn vor aller Welt als Bruder in Christo den Mächti gen und Großen vorgestellt. Allen Ver folgten und Schutzbedürftigen eröffnete sie, um ihnen Freiheit und Leben zu schützen, in Kirchen und Klöstern eine unverletzbare Zufluchtsstätte. Sie nahm die Söhne des Arbeiterstandes in ihr Priesterthum auf und erhob sie zu den höchsten Würden, ja selbst als Heilige auf ihre Altäre. Das hat die Kirche in allen Jahrhunderten ihres Bestehens gethan. Hat sie jetzt in ihrer Sorge für das arbeitende Volk nachgelassen? Nein; mehr als je hat sie dasselbe in unsern Zeiten mit Werken christlicher Wohlthätigkeit umgeben, hat für jedes seiner Bedürfnisse, für jedes seiner Lei den eine Schöpfung ihrer mütterlichen Liebe ins Leben gerufen, hat ihm für die Tage der Krankheit wie des Alters, für seine unmündigen wie heranwachsen den Kinder Scharen frommer Ordens leute zur Seite gestellt. Das alles hat die Kirche für das arbeitende Volk gethan und thut sie noch fort und fort; freilich Eins hat sie nicht gethan und wird sie auch nie thim - sie hat den Arbeiter nicht, wie seine angeblichen Freunde unserer Tage, mit leeren Träumereien und Lügen gespeist. Sie hat ihm nie gesagt und wird ihm auch nie sagen,daß sein Paradies hier auf Erden sei; daß sein Lebensziel darin bestehe, hier auf Erden sich zu ft'euen und zu genießen, um dann wie das Thier'für immer zu enden; daß jede Abhängigkeit Schande und die Arbeit eine Ungerechtigkeit sei und einst die Zeit kommen werde, wo der Mensch von Arbeit und Leiden ft-ei sein werde. So hat die Kirche dem Arbeiter nie gesagt, weil dieses Wahn sinn und Lüge ist; weil die Arbeit das Gesetz dieser Erde, der Unterschied der Stände Anordnimg der göttlichen Vorse hung und die Vertheilung der irdischen Güter Gottes Recht ist imd bleiben wird. Sie hatihm vielmehr gesagt und lehrt so immerfort, daß der wahre Werth des Menschen nach seiner Tugend bemessen wird; daß das wahre Glück des Men schen nicht im(jenießen,sondern in der Erfüllung seiner Pflichten und einst dort oben im Besitze Gottes bestehe; daß Armuth und Leiden auf Erden nie auf hören,aber durch den christlichen Glau ben verklärt, durch die christliche Liebe gemildert und durch die christliche Hoff nung getröstet werden. Indeß hat sich die Kirche dabei nicht beruhigt, mit diesen religiösen Hilfsmitteln den Arbei tern zu Hilfe zu kommen;sie hat diesel ben auch bis auf die Stunde in ihren irdischen Ansprüchen und Forderungen vertreten, so weit dieselben vernünftig imd gerecht sind. Oder hat sie nicht wiederholt durch ihr Oberhaupt die staatlichen Machthaber gemahnt, die Lage der Arbeiter zu verbessern,so weit es nur mit dem Bestände der menschli chen Gesellschaft vereinbar ist? Hat sie nicht wiederholt ihre Stimme erhoben, um die Arbeitgeber aufzufordern, gütig und gerecht zu sein, die Arbeit nach gerechten Grundsätzen zu lohnen, die Arbeitszeit in billiger, christlicher Weise zu bemessen, die Ruhe und Heiligung des Sonntags nicht zu verkümmern? Wer hat daher ein Recht, christliche Arbeiter!, eure Kirche euch als eure Feindin, als ein Hinderniß jeder Besse rung eurer irdischen Verhältnisse darzu stellen? Nein, hört auf die Stimme der Wahrheit und folgt nicht den Lockungen selbstsüchtiger Verführer, die nicht euer Wohl im Auge haben, sondern ihre eigenen Zwecke verfolgen. Sammelt euch nicht unter der Fahne der Gottlo sigkeit zum Umsturz aller von Gott gesetzen Ordnung, sondern sammelt euch unter der Fahne des Kreuzes zur Wiederherstellung der christlichen Welt ordnung, in welcher ihr allein eure zeitliche wie ewige Wohlfahrt finden könnt. Berathet in euren Vereinen ge meinsam die Verbesserung eurer irdi schen Verhältnisse, aber beachtet dabei Gesetz und Ordnung und lasset die Bedingungen jeglichen irdischen Wohl standes nicht aus den Augen: Fleiß, Sparsamkeit, Nüchternheit, treue Sorge für die Eurigen. Haltet euch aber fern von allen Vereinigungen, welche ohne Gott und ohne Religion euer Los bessern zu können vorgeben, schließet euch vielmehr den Vereinen an, welche die Kirche unter ihre Leitimg und ihren Schutz nimmt. Sollen aber die Quellen des Elends und der Unzufriedenheit der arbeiten den Klassen wirksam verschlossen wer den, so muß eine wahrhaft christliche Gesinnung auch die Arbeitgeber durch dringen; denn nur diese Gesinnung hält die habsüchtigen Berechnungen zurück, welche die Noth des Mitmenschen zur eigenen Bereicherung ausbeuten, setzt der rücksichtslosen Ausnützung der Ar beitskräfte Schranken, hemmt die Ge nußsucht und Üppigkeit, erweitert viel mehr die Herzen der Arbeitgeber zur Nachahmung jenes göttlichen Herzens, das über Andere die Fülle seiner Liebe gießt, und lehrt in der treuen Sorge für das Wohl der Untergebenen die höchste Freude und Ehre zu finden. Gewiß ge schieht in unseren Zeiten viel, um ge rechte Ansprüche zu befriedigen und die Herzen zu versöhnen; indeß menschli che Einrichtungen und Vorkehrungen werden allein diese Aufgabe nicht lösen, weil sie die Herzen nicht berühren und umgestalten können. Dahin muß vor allem gestrebt werden, der Seele des arbeitenden Volkes christliche Gesin nung, christlichen Glauben und christli che Hoffnung wiederzugeben, der Seele des Arbeitgebers aber zu seinem irdi schen Kapitale das viel werthvollere Kapital der christlichen Nächstenliebe hinzuzufügen"'^. Ohne die Enzyklika „Rerum novarum" besonders zu nen nen, verweisen die Bischöfe im An schluß auf das Lehramt des Papstes: „Wie könnten wir aber, im Herrn Ge liebte!, dieses Mahnwort schließen, ohne noch einmal eure Blicke auf denjenigen zu lenken, der uns so herrliche Anre gungen zu demselben gegeben hat! Jahr für Jahr sind wir Zeugen, wie Ströme von Licht und Weisheit von seinem Sitze ausgehen und in den herrlichsten Rund schreiben, denen auch die Gegner der Kirche die Anerkennimg nicht versagen können, für alle menschlichen Verhält nisse die wirksamen Heilmittel und rich tigen Wege angeben.. Am 19. November wurde noch ein eigenes lateinisches Hirtenschreiben an den Klerus herausgegeben.'" Darin wird nach einer allgemeinen Einleitung aus drücklich auf die „so herrliche Enzy klika" des Papstes verwiesen,in der Leo XO. zur Verbesserung der Sitten und der Vermehrung des Sinnes für Fröm migkeit aufgerufen hatte. Zu diesem Zweck sollten sich die Priester nicht scheuen,auch außerordentliche Seelsor gemaßnahmen anzuwenden; im beson deren werden hier etwa die Abhaltung von Frühmessen für Dienstboten und Abendpredigten für Arbeiter genannt. Grundsätzlich wird festgestellt, es ge nüge nicht mehr, seine Pflichten inner halb der Mauern der Kirche zu erfüllen; der Priester müsse für alle Nöte des ihm anvertrauten Volkes sorgen. In diesem Zusammenhang wird dem Klerus vor allem auch die Vereinsseelsorge als Auf gabe gegeben. Dabei wird besonders eingeschärft, die Vereine streng kirch lich zu führen. Ebenso werden dem Klerus die von Orden und Kongregatio nen geführten Kinderbewahranstalten und Schulen ans Herz gelegt. Schließ lich wird dem Klerus das Studium der sozialen Frage anempfohlen.'® Die Bischöfe haben also 1891, veran laßt durch die Enzyklika „Rerum nova rum" ausführlich zur sozialen Frage Stellung genommen; ein allein diesem Thema gewidmeter Hirtenbrief wurde jedoch nicht verfaßt. Ein solcher wurde erst auf der Bischofskonferenz des Jah res 1894 (2. bis 10. April) auf Anregung von Fürstbischof Aichner von Brixen, der eine „politische und sociale Action seitens des Episcopats" gefordert hatte, in Erwägung gezogen. Er sollte von Kardinal Schönborn von Prag ausgear-
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