Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Gerechtigkeit zu sein", „die sozialen Lehren der Kirche und deren praktische Anwendung zu verkünden" und „durch ihre Gesinnung und Handlungsweise ein leuchtendes Beispiel der sozialen Ge rechtigkeit und der christlichen Liebe" zu geben. 1938, Jänner: In Wien findet eine Stu dienwoche von Arbeiterseelsorgern statt; an dieser nimmt auch der spätere Kardinal Cardijn teil. 1941:Pflngstbotschaft von Papst Pius XII. zum 50. Jahrestag der Enzyklika „Herum novamm". 1943: Die Herbstpastoralkonferenzen in der Erzdiözese Wien sind dem Thema „Das christliche Liebesgebot als Auf gabe der Pfarrgemeinde"gewidmet. 1945, 1. Oktober: Die Soziale Frauen schule des Caritasverbandes wird in Wien wieder errichtet. 1946, 12. Jänner; In der Pfarre WienKrim wird die erste Gruppe der Katholi schen Arbeiterjugend errichtet. Kardinal Innitzer hält im April vor der Wiener Katholischen Akademie einen Vortrag zum Thema „Die Stimme der Kirche zur sozialen Frage". 1947: „Arbeiterseelsorge" ist das Thema der Herbstpastoralkonferenzen in der Erzdiözese Wien. 1948, 26. Jänner: Das Katholische So zialwerk für Österreich wird konsti tuiert. Die vom 27. bis zum 30. Dezember stattfindende Weihnachtsseelsorgerta gung steht unter dem Motto „Kirche inmitten der Welt". 1949, 24. November: Kardinal Innitzer eröffnet die „soziale Männerschule" (später: Seminar für soziale Berufe) der Kalasantinerkongregation. 1950: Das Katholische Sozialwerk ver anstaltet vom 22. bis zum 28. Oktober die erste österreichische soziale Woche. 1951: Im Februar wird auf Initiative von Erzbischof Jachym in Wien der „Diözesanfonds für Familienhilfe" ge gründet. Gründung der Katholischen Arbeiter bewegung(KAB). 1953: Am 13. März stirbt Leopold Kunschak (1871-1953). In Wien wird das Dr.- Karl-Kummer-Institut für Sozialpolitik und Sozialreform gegründet. 1954, 1. Mai: Große Wallfahrt der Katholischen Arbeiterjugend nach Ma riazell; an dieser nehmen der spätere Kardinal Cardijn und alle österreichi schen Bischöfe teil. 1956, 1. Mai; Das von Papst Pius XII. eingeführte Fest „Josef der Arbeiter" wird erstmals kirchlich gefeiert. Am 16. Oktober veröffentlichen die österreichischen Bischöfe einen großen Sozialhirtenbrief. 1957, 2. bis 4. Jänner: In Wien findet die Weihnachtsseelsorgertagung zum Thema „Die Kirche und die Welt des Arbeiters"statt. 1958,8. bis 15. Juni:Der Wiener Diözesankatholikentag steht unter dem Motto „Ihr alle aber seid Brüder" und ist vor allem sozialen Fragen gewidmet. Zur Vorbereitung wurde schon 1957 der Ar beitsbehelf „Die soziale Verantwortung des Christen in der modernen Gesell schaft" herausgegeben. Am 1. Oktober wird die Katholische Sozialakademie Österreichs gegründet; ihre Räume werden am 12. Dezember 1959 eingeweiht. 1960: Vom 18. bis zum 22. Juli findet die erste Sommertagung der Katholi schen Sozialakademie zum Thema „Staat, Wirtschaft und soziale Sicherheit in Österreich" statt. Im Herbst beginnt der erste politisch-soziale Fernkurs der Sozialakademie. 1961, 15. Mai: Papst Johannes XXm. veröffentlicht die Soziaienzykiika „Mater et magistra" über die jüngsten Entwicklungen des gesellschaftlichen Lebens und seine Gestaltung im Licht der christlichen Lehre. Am 6. November geben die österrei chischen Bischöfe einen Sozialhirten brief anläßlich der neuen päpstlichen Enzyklika heraus. 1964, 2. Februar:Die „Caritas Socialis" wird als Genossenschaft päpstlichen Rechtes bestätigt. 1965: Das Zweite Vatikanische Konzil beschließt die Pastoralkonstitution „Gaudium et Spes" über die Kirche in der Welt von heute. 1967, 26. März: Papst Paul VI. betont in seiner Enzyklika „Populorum progressio" die weltweiten Dimensionen der sozialen Frage. 1971, 14. Mai: Papst Paul VI. verfaßt zum 80. Jahrestag der Enzyklika „Re* rum novarum" das Apostolische Schreiben „Octogesima adveniens". 1973: Vom 25. bis zum 28. Oktober fmdet in Eisenstadt die dritte Internatio nale Katholische Arbeitnehmertagung statt; sie hat die „Humanisierung der modernen Gesellschaft"zum Thema. 1978: Die am 27. und 28. Dezember abgehaltene Österreichische Pastoralta gung ist den Fragen der Arbeiterpastoral in der Pfarre gewidmet. 1981, 14. September: Papst Johannes Paul n. verfaßt zum 90. Jahrestag der Enzyklika „Herum novarum" die En zyklika„Laborem exercens". 1984, 12. Februar: Johannes Messner, einer der engagiertesten Vertreter und Erforscher der katholischen Soziallehre, stirbt in Wien. 1985: Der Pastorale Diözesanrat der Erzdiözese Wien beschließt die Errich tung eines „Solidaritätsfonds für Ar beitslose". 1987, 30. Dezember: Papst Johannes Paul n. veröffentlicht die Soziaienzy kiika „Soliicitudo rei socialis" über die soziale Sorge der Kirche. 1988: Am 9. September wird der Grundtext des von den österreichischen Bischöfen geplanten Sozialhirtenbriefes vorgestellt. 1990, 15. Mai: Unter dem Motto „Der Mensch ist der Weg der Kirche" veröf fentlichen die österreichischen Bischöfe ihren Sozialhirtenbrief. Um die Lösung der sozialen Frage Von P.Waldemar Posch SDS In den achtziger Jahren des 19. Jahr hunderts erhitzten sich die Gemüter darüber, wer eigentlich zur Lösung der „sozialen Frage" zuständig sei. Die Kon servativen meinten, das müsse von „obenher" geschehen, die Christlichso zialen dagegen wollten von „untenher", also unter Heranziehung des Volkes, diese Angelegenheit zum Ziele fuhren. Beide Seiten hatten gute Argumente. Der liberal gesinnte Heinrich Re schauer' konnte 1882 einen frühen Lösimgsversuch von obenher aufzeigen. Er konnte aktenmäßig den Streit belegen, den Kaiser Franz gegen die josefinischliberal eingestellte Intelligenz und Bour geoisie für die Aufrechterhaltung der Stände und Zünfte und des Handwerkmeistertums gegen Industrialisierung und Proletarisierung ausgefochten hatte. Infolge des hartnäckigen Widerstandes des höheren Beamtentums mußte der Kaiser es aufgeben, seine Ansicht ge setzlich festzulegen. Kirchlicherseits nahm 1852 der aus dem bedrängten Handwerkerstand her vorgegangene spätere Kardinal von Wien, Anton Gruscha, Stellung zur so zialen Frage^. Er betrachtete das Pro blem fast nur von der religiösen Seite. Aber daß er sich als Priester überhaupt mit diesem Thema auseinandersetzte, macht ihn zum Vorkämpfer der sozialen Bewegung innerhalb des österreichi schen Katholizismus''. Interessant ist seine Theorie über das Proletariat, wel ches er in zweifacher Hinsicht zu begrei fen sucht. Zum einen: Die durch wirt schaftliche Nöte bedrängten unteren Schichten, die sich noch ihren Glauben bewahrt haben, flüchten zur Kirche. Auch wenn diese selbst arm geworden ist, wird sie immer noch teilen in „echt christlichen Kommunismus,Christum in den Armen erblickend und reicht die Gabe nicht aus, ist sie mit den Proleta riern selbst Proletarierin geworden, dann wird um so größer ihre geistige Macht".^ Eine zweite Wurzel des Prole tariats sieht er in der Degeneration der oberen Schichten - also eine Art ethi sche Verwahrlosung. Dieses Proletariat ist sowohl in den Fabriken, als auch in den Salons der Eliten zu finden. Jedoch nicht die Kirche als rechtlich festgelegte Organisation bringt dem Ge sellschaftskörper Heilung, sondern der in ihr bewirkte Lebensstrom. Gruscha fühlte sich mit Adolf Kolping innerlich verbunden, weil er sah,daß dieser nicht bei leeren Worten blieb, sondern sie in Taten umsetzte und den Arbeiterstand zum Objekt seiner Wirksamkeit genom men hatte'"'. Beide aber fühlen sich ge tragen vom übernatürlichen Lebens strom, so daß Ernst Karl Winter sagen konnte „in der Mystik, nicht in der Politik suchten Kolping und Gruscha die Wurzel der befufsständischen Organisa tion"". Man muß aber bedenken, daß die soziale Frage von Natur aus keine iso

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