Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Eine Gedenkwoche für die Toten des Krieges und der Willkür in Mariahilf 1952 und -der Streit um ihr Mahnmal Von.P. Waldemar Posch SDS Am 24. Nov. 1988 wurde Alfred Hrdlickas Mahnmal gegen Krieg und Fa schismus auf dem Albertinaplatz ent hüllt. Damit wurde ein jahrzehntelang verschlepptes Projekt verwirklicht. In Vergessenheit aber ist geraten, daß schon 1952 eine Gedenkstätte für die Toten des Krieges und der Willkür in Mariahilf hätte errichtet werden sollen. Warum damals wohl in würdiger Weise der Toten gedacht wurde, aber keine Gedenkstätte entstehen konnte, will der folgende Artikel aufzeigen. Mit Verwunderung stellte Friedrich Heer 1964 fest'; „Die Toten sind tot und vergessen in Österreich".Daß dem nicht so war, davon zeugten nicht nur die zahlreichen mit Bildern der Toten ge schmückten künstlichen Grabhügel in vielen Kirchen sowie die Erinnerungs male an die Gefallenen in den meisten Orten Österreichs, sondern auch die Großveranstaltungen im kirchlichen Be reich. So wurde am 13. März 1951 für die politisch Verfolgten in der Lourdeskapelle zu St. Michael das sogenannte „Dachauer Kreuz" aufgestellt. Es ist jenes Originalkreuz, das am Dachauer Friedhof in Bayern für die im dorti gen Konzentrationslager verstorbenen Österreicher errichtet wurde^. Ein einfaches Holzkreuz mit einer großen länglichen Tafel mit der Inschrift „Dem Andenken der Österreicher, er mordet und gestorben im K.Z. Dachau für Freiheit, Recht und Menschlichkeit. Gewidmet ihren österreichischen Kame raden."Zur Feier wurden in der Michaelerkirche Fahnenspaliere aufgestellt. Während des Requiems sang der Dom chor von St. Stephan. Erzbischof Koadjutor Dr. Franz Jachym wohnte dem Requiem bei und nahm anschließend die Weihe des Kreuzes vor. Angetan mit dem Pontifikalornat hielt er von der Kanzel herab eine Ansprache über die Mahnrufe dieses Kreuzes. Während des Schlußaktes wurden alle elektrischen Lichter gelöscht und Fackeln angezün det. Die Feier war erhebend, die Kirche gedrängt voll. Veranstaltet wurde die Feier vom Nationalrat Dr. Bock. Am Allerseelentag wurde in Gegenwart von Regierungsmitgliedern für die Opfer des Nazismus ein Gedenkgottesdienst ge feiert'. In den Jahren nach dem Krieg war das menschlich verständliche Bedürfnis vorhanden, nach Quellen des Trostes zu suchen, um das unermeßliche Leid zu lindern. Da tauchte der Gedanke auf, die Mariahilferkirche zu einer Wallfahrts stätte für jene werden zu lassen, die Hilfe und Trost in ihrem stummen Leid über die Toten des Krieges und der Willkür suchten. Mit Aufhören der Kämpfe zur Luft und zur Erde war die Bevölkerung aus den Bunkern hervor gekrochen. Diese waren ihnen in den Tagen des Schreckens Zuflucht und zum Teil Schutz gewesen.In Todesnot wurde hier mehr als sonst der Mensch zu Gott geführt. Im wahrsten Sinn des Wortes erfüllte sich hier das Psalmwort: „Aus der Tiefe rufe ich zu Dir,o Herr'". Die Gruftgewölbe der Mariahilferkir che schienen geeignet zu sein, als Mahn mal und Stätte der Versöhnung ausge staltet zu werden. Unter der Armensee lenkapelle befanden sich zudem noch die Kolumbarien der im 18. Jh. verstor benen Barnabiten. Diese waren zugäng lich, dagegen die Gruft der Grafen Loewenburg-Tököly unter dem Kreuzaltar war vermauert."' Es war vorgesehen,in neun Nischen - den österreichischen Bundesländern entsprechend - die Wappen dieser Län der sowie eine Gedenktafel mit der Zahl der Toten des betreffenden Landes anzu bringen. In vier großen Urnen sollte die Erde von den wichtigsten Schlachtfel dern und Konzentrationslagern ver bracht werden. Den Mittelpunkt der unterirdischen Anlage sollte eine monu mentale Pieta - ähnlich wie im Dom zu Gurk - bilden. Von der Außenseite des rechten Seitenschiffes der Kirche sollte eine Freitreppe zur Krypta hinabführen. Die Vorbereitungen waren voll im Gange. Die Baufirma F.Jakob lieferte in selbstloser Weise die Pläne hiezu.® Zur Finanzierung des Vorhabens war vorge sehen, an den Wänden der Krypta Mar mortäfelchen mit den Namen der Toten anzubringen. Die interessierten Ange hörigen oder Verbände sollten dafür einen angemessenen Betrag zahlen. Da der Preis der Täfelchen höher als der Anschaffungspreis lag, galt der Über preis gleichzeitig als Baustein für die Ausgestaltung der Krypta. Da es sich nur um die Adaptierung eines bereits vorhandenen Raumes handelte, so wä ren die Kosten - ca. S 750.000,— durch aus erschwinglich gewesen. Dies um so mehr, als auch ohne offizielle Propa ganda bereits zahlreiche Anfragen we gen einer Beisteuer zur Errichtung der geplanten Gedenkstätte erfolgten. Auf die Kunde vom Heranbringen der Erde von einigen Soldatenfriedhöfen Europas arrangierte das Reisebüro Gerngroß' zu diesem Zweck in großer Aufmachung eine elflägige Reise vom 30. Okt. bis 9. Nov. 1952 über Venedig - Padua - Florenz-Rom - Neapel, Monte Casino usw. In der Ankündigung wurde darauf hingewiesen, daß in der Gnaden kirche Mariahilf eine Gedenkstätte für die Kriegsopfer Österreichs entsteht und zu diesem Zweck werde Erde von den Heldenfriedhöfen Italiens nach Wien ge bracht. Die Erde, die in einer Urne gesammelt wird, erhält vom Heiligen Vater in einer eigens hiefür vorgesehe nen Audienz...den Segen. ,,Die Neue Wiener Tageszeitung"® wußte zu berichten, es soll die „Maria hilferkirche", die nach dem Stephans dom meistbesuchte Kirche Wiens, ein Nationalheiligtum werden. Eine An dachtstätte ..., die „bisher in Österreich einmalig dasteht." Ungefähr um diese Zeit erschien in der Presse folgende Notiz:" „Als Symbol für den Willen der Völker, den Haß endgültig zu begraben, wurde bei Medea de la Bataglia ein Altar des Friedens für die Gefallenen aller Nationen errichtet. Mütter aus Amerika, England, Frank reich, Deutschland, Italien und Öster reich brachten Urnen mit geweihter Erde aus den über das ganze Land verstreuten Friedhöfen." Als Auftakt zum Bau der Mariahilfer Gedenkstätte wurde vom 18. bis 25. Oktober 1952 eine Gedenkwoche abge halten unter dem Motto: „Österreich gedenkt der Toten des Krieges und der Willkür". Damals war noch die Zeit, da eine gute Predigt ein Ereignis war und viele Menschen anzog, wenn bedeutende Prediger die Kanzeln bestiegen. Zu den Gedenkreden wurden Männer auser wählt, die an der Front gestanden oder zu leidgeprüften Menschen direkt Bezug gehabt hatten. Sie sollten heilen und versöhnen. Die Plakate, die zur Feier luden, wa ren schlicht, aber sehr wirkungsvoll - im Grunde genommen waren es überdi mensionale Partezettel mit der Aufzäh lung der Prediger und ihrer Themen. Der bekannte Radioprediger P.Beda aus Mariazell eröffnete die Woche mit dem Thema „Vom Sinn des Todes".Im Licht des Glaubens ist der Tod nicht sinnlos. Er ist der Übergang in ein besseres ewiges Leben. Kanonikus Dr. Karl Dorr, Dompfarrer bei St. Stephan, stellte die Frage „Klagen die Toten an?" Aus vie len lehrreichen lebendigen Beispielen klangen die Anklagen der Toten. Tiefer Ernst lag auf den Gesichtern der Zu hörer. Pfarrer O.Adm.Rat Josef Tegel schildert aus seiner Erfahrung bei Solda ten: „Das Sterben der Männer". Nur starke Nerven konnten die Schilderun gen ertragen. Man ahnte etwas vom „Heldentod" der Soldaten. Der Franzis kaner P. Petrus Pavlicek, Leiter des großen Rosenkranz-Sühnekreuzzuges, suchte „Das Schicksal der Verscholle nen" aufzuhellen. Sie sind bei Gott, in Gottes Hand. Der ehemalige Divisions pfarrer P. Johannes (Hubert) Braschke, der die Schlacht um Breslau mitmachte, schilderte, ausgehend von der Pietä des Gurker Domes, „Die Totenklage der Mütter". Bei der schmerzhaften Mutter, die den größten Heiden aufihrem Schoß trägt, fanden die Mütter Kraft, die Lei den ihrer Söhne und Gatten mitzulei den. Mater dolorosa! Konsistorialrat Prof. Otto Mauer sprach sinnvoll über den Tod: „Tod als Tor zum Leben". P. Wal demar Posch brachte den „Dank Öster reichs" zum Ausdruck für das Sühneop fer der Toten des Krieges und der Will kür. Die Gedenkwoche fand durch Pfar62

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