Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Die Mutter der Kirche Das vergangene Konzil hat am Ende seiner Aussagen über die Kirche noch ein Wort über die Mutter-Gottes gesagt. Deswegen soll auch hier noch ein Wort über die Mutter Gottes folgen. Schon die verfolgte Kirche der ersten Jahrhunderte hat sich an die Mutter des Herrn gewendet. Es war eine geäng stigte, gemarterte Christenheit. Und des wegen haben schon die Christen des zweiten Jahrhunderts auf die Wände der Katakomben das Bild jener Mutter ge malt, die das Kind an ihrer Brust birgt. Es war ein Zeichen der Geborgenheit, der Zuversicht, der Hoffnung auf Gott. Das Vertrauen auf die Mutter-Gottes ist unter den Christen auch heute lebendig. Das bezeugen die vielen Wallfahrtsorte, Votivtafeln, Gebete zur Mutter des Herrn, Bilder und Darstellungen. Das „Gegrüßet-seist-Du-Maria", der Rosen kranz werden täglich von Millionen Menschen gebetet. Wir fragen: Warum bringen die Christen der Mutter des Herrn so viel Vertrauen und Verehrung entgegen? Das ist ein unfaßbares Geheimnis,daß ein bloßer Mensch Mutter-Gottes ist. Diese Frau war auserwählt wie kein anderer Mensch, erwählt unter Milliar den Menschen, ein Mensch voll inniger Gemeinschaft mit Jesus Christus, bis unter das Kreuz, ein Mensch der inne ren Nähe zu Jesus. Ihr Geist ist auf Jesus übergegangen, weil das geistige Wesen jeder Mutter den Grundcharakter des Kindes mitprägt. Auch der Grund charakter Jesu war mitgeprägt vom Geiste dieser Frau. Unbegreiflich, und doch wahr. Hat Gott ihr etwas zugemu tet, ohne es sie wissen zu lassen? Sie wußte um das Geheimnis Jesu, das ihr anvertraut war,auch wenn es ein wach sendes Wissen war, ein wachsender Glaube. Sie ist das Urbild aller Berufe nen, mit Christus Gemeinsamen, Gläu bigen, Heiligen. Das ist der letzte Grund, warum wir dieser Mutter des Herrn mit solchem Vertrauen nahen. Und warum sie dieses Vertrauen zu rechtfertigen vermag. Ihr innerstes Wesen offenbart sich in ihrem Wort der Bereitschaft für Gott: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn." Die älteste Kirche hat Maria nicht nur als Mutter Jesu gesehen, sondern zu gleich als Mutter der Kirche, als Mutter des einzelnen Christen. Das Johannes evangelium schildert dieses tiefe Be wußtsein der ältesten Kirche wie ein letztes Vermächtnis des sterbenden Herrn; „Bei dem Kreuze Jesu standen Seine Mutter und die Schwester Seiner Mutter, Maria, die Frau des Kleophas, und Maria Magdalena. Als Jesus Seine Mutter und den Jünger, den Er liebte, dastehen sah, sprach Er zu Seiner Mut ter: Frau, sieh da, dein Sohn. Dann sprach Er zu dem Jünger: Sieh da,deine Mutter. Von jener Stunde an nahm der Jünger sie in sein Haus"(Jo 19, 25-27). Wer Jesus liebt und Sein Jünger gewor den ist, der ist in die Familie Jesu hineingewachsen, der erkennt die Mut ter Jesu zugleich als eigene Mutter. Denn wir alle sind der eine „Leib Christi". Und sie ist die Mutter dieses Christus. Sie ist wahrhaft die „Mutter der Kirche",die der „Leib Christi" ist. Als das Zweite Vatikanische Konzil über die Kirche sprach, fugte es am Schluß einen langen Abschnitt über die Mutter Gottes liinzu. Denn die Kirche ohne Maria ist nicht volle Kirche,hatihr Ur-Bild verloren. Dreitausend Bischöfe haben sich damals zu Maria als der ,,Mutter der Kirche" bekannt und diese Kirche ihrer Fürbitte, ihrer Hilfe, ihrem Wirken anvertraut. Im Laufe der Jahrhunderte hat die Kirche viele Aussagen über die Mutter Gottes gemacht, die Ausdruck jenes tiefen Vertrauens sein wollten. Man hat gesagt, daß sie „sündelos" ist, in ihrem ganzen Leben, vom ersten Augenblick an. Man wollte damit ausdrücken:Sie ist ein Mensch, dem ich deswegen ver trauen kann, weil er in innerster Ge meinschaft mit Gott lebt, ohne alles Trennende, und deswegen „sündelos". Man hat ferner gesagt, daß Maria „mit Leib und Seele in den Himmel aufge nommen ist". Damit wollte man aus drücken: Sie ist eins mit jenem Jesus Christus, der mit Leib und Seele aufer standen ist; völlig eins, ohne alles Tren nende; und deswegen „völlig aufgenom men"zu Gott. Aus demselben Grund hat die Kirche auch von der „Jungfräulichkeit" Ma riens gesprochen. Man wollte damit sagen: Sie war völlig eins mit Jesus. Kirche der Zukunft Heiliges Jahr 1975-Heiliges Jahr 2000. Wie wird die Welt in Zukunft aussehen, im Jahre 2000? Wie wird das religiöse Leben, die Kirche, zur Jahrtausend wende aussehen? Wir wissen es nicht. Aber wir können aus unserem Glauben und unseren Erfahrungen heraus einige Elemente angeben. Die Kirche der Zu kunft wird in vielen Dingen ehrlicher und bescheidener sein. Der Glaube wird ein Bekenntnis ohne Phrasen sein... ...Die Kirche der Zukunft wird in vielen Dingen bescheiden sein. Sie wird sich nicht anmaßen, alles zu entschei den, auch dort, wo ihre Zuständigkeit nicht gegeben ist. Sie wird daher auch eine Religion der Freiheit sein, die den Freiheitsraum und die Eigenständigkeit des Menschen nicht einengt, sondern festigt und klärend erweitert. Denn wo der Geist des Herrn wirkt, da ist Frei heit. Gegenüber dem Druck einer öffent lichen Meinung, gegenüber Manipula tion durch Massenmedien,durch Sugge stionsschlagworte wird sie für die Frei heit durch Verteidigung der Men schenrechte eintreten. Die Religion der Zukunft wird eine menschliche Religion sein. Sie wird den Menschen stärker als in der Vergangen heit in seiner ganzen Dimension,auch in seiner Leiblichkeit sehen,den Menschen in seiner Größe und in seiner Gebrech lichkeit, den Menschen als einen Ent wurf Gottes, den Menschen nicht als fertig geprägt, sondern als ein zur Voll ungeteilt, nur für den Einen da, in totaler Gemeinschaft. Schon die Heilige Schrift spricht von dieser „Jungfräulich keit" Mariens und will damit zugleich eine Aussage über Jesus und über Maria machen. Die Aussage über Jesus lautet; Er ist nicht aus unserer Menschenkraft gezeugt und geboren, sondern aus Gott geboren. Und die Aussage über Maria lautet; sie hat Jesus empfangen als tota les Geschenk Gottes, nicht durch Men schenwillkür und nicht durch Men schenmühe und nicht durch Mannes mühe. Sie allein hat den „Herrn" emp fangen: Jungfrau Maria. Sie ist wahrhaft Mutter-Gottes. „Alles Erste ist ewig." Die älteste Kirche hat in den Stürmen, Todesnäch ten und Ängsten das Bild „Mariens mit dem Kinde" an die Katakombenwände gemalt. Dieses erste Vertrauen zu Maria ist seither in der Christenheit nicht mehr erloschen. Im Gegenteil. In unse rer Zeit wird die Frage nach Jesus Christus, der Gott und Mensch ist, von vielen gestellt. Wer wird sich zu Ihm gläubig bekennen? Auf dem Konzil zu Ephesus(im Jahre 431) hat sich gezeigt: Wer Maria, die Mutter-Gottes, aner kennt, der erkennt auch Jesus. Wo das Vertrauen auf Maria, die Mutter-Gottes, besteht, dort wird auch der Glaube an Jesus Christus nicht zerbrechen. Anmerktmg: Aus:Franz König,Das Zeichen Gottes, Graz-Wien-Köln 1973,S.153-156. endung bestimmtes und immer auf dem Weg befindliches Wesen. Die Religion der Zukunft, die religiöse Welt und die Kirche der Zukunft werden besser ler nen, als wir es heute können, das We sentliche vom Unwesentlichen zu schei den. Die Kirche der Zukunft wird umso klarer das Wesentliche erkennen. Sie wird die Schale,das Kleid,die Hülle, die veränderbar sind und verändert werden müssen, von jenem unveränderbaren Kern trennen, der ihr als Gottes Offen barung übergeben wurde. Die Kirche der Zukunft wird sich stärker noch als bisher auf ihr Prophe tenamt besinnen. Propheten sind lästig für die Welt. Auch in der Kirche waren und sind Propheten lästig, und für die Kirche ist das Prophetenamt eine schwere Last. Auch für sie war die Versuchung immer groß, sich taub zu stellen für den Anruf Gottes. Aber nicht zum Ja-Sagen hat Christus die Kirche gestiftet, sondern als ein Zeichen des Widerspruchs. Die Kirche der Zukunft wird eher in Schwierigkeiten mit den Mächtigen der Welt kommen, sie wird sich nicht den Mund stopfen lassen mit Geld und Ehren und sich nicht gleich schalten lassen mit politischen Syste men.Die Kirche der Zukunft wird keine Kirche imponierender Organisationen, keine Kirche von machtvollen Demon strationen sein. Sie wird getragen und gestützt von kleinen Gemeinschaften, die Erneuerung anstreben, die Erneue47

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